Erst Assad in die Enge treiben, dann, aus Ratlosigkeit, ein Denkzettel, der sich als Bumerang herausstellen könnte. Werden diese Verrückten tatsächlich losschlagen? Wie das bei solchen Leuten eben so ist, sind deren Reaktionen nicht vorhersehbar. Wer aber sollte, wer könnte ihnen da noch in die Arme fallen? Die viel zitierte Weltgemeinschaft, die nicht minder oft gepriesene internationale Solidarität? Wenn es darauf ankommt, bisher nur Lachnummern.
Mit seiner Syrien-Politik darf der auf seine Werte angeblich bedachte Westen ein weiteres Beispiel für unverschämte Einmischung vorführen.. Aber auch für Heuchelei zum Quadrat. Egal von welcher Seite der Parteien auf dem Schlachtfelde man es betrachtet. Und es wird nicht ohne Folgen bleiben – für den Westen, besonders für von US-Lakaien geführte europäische Staaten, die zu feige sind, die für ihre Völker einzig richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Dieselben Westler die von den Giftgasangriffen Saddams vorzeitig gewußt und nichts dagegen unternommen hatten, was unzähligen Iranern und Kurden das Leben gekostet hat, möchten in Syrien am liebsten gleich losschlagen, noch ehe der Schuldige des aktuellen Kriegsverbrechens von der UN-Expertengruppe eindeutig identifiziert werden konnte.
Die USA moralisch und finanziell anscheinend bankrott, aber noch stark genug, um nicht vor ein Weltgericht gezerrt werden zu können, möchten vielleicht noch einmal zeigen, was sie waffentechnisch noch immer zu leisten imstande sind. Der militärisch-industrielle Komplex wird es der Politik schon lohnen. Und die Ölmultis auch.
London und Paris aber ergreifen freudig die Gelegenheit, um als Trittbrettfahrer von ihren innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken und um sich bei der Israel-Lobby beliebt zu machen. Wer wird übrigens den ganzen Irrsinn bezahlen? Der Steuerzahler, richtig. Wenn auch nicht die saudischen oder katarischen, deren Machthaber auch in hohem Maße für die Lage in Syrien verantwortlich sind.
Natürlich haben die geplanten Schläge, wenn man von israelischen Wünschen einmal absieht, noch einen anderen Zweck. Mangels Alternative und angesichts der islamistischen Gefahr will man den militärisch noch immer starken Assad sicher noch eine Weile im Amt behalten, ihn aber so schwächen, daß zumindest militärisch eine Pattsituation entsteht, die dann – Wunschdenken – vielleicht doch noch eine politische Lösung ermöglicht.
Wie im Lotto scheint jetzt alles möglich, Gewinn letzten Endes aber nur für wenige. Israel und das saudische Königshaus könnten – so sich daraus nicht eine Kettenreaktion ergibt – mittelfristig zu einer Verschnaufpause kommen. Aber welche Auswirkungen würde ein begrenztes militärisches Vorgehen gegen Damaskus unmittelbar auf den Iran oder den Irak und den Islam insgesamt haben? Mit welchen Folgen für Europa? Da bleiben die Antworten im Dunkeln.
Einer jedenfalls, und nicht nur er, wird sich das Weitere sehr genau ansehen müssen: Ägyptens neuer Machthaber. Generaloberst Abd al-Fattah as-Sisi, sehr gläubiger Moslem und gleichzeitig großer Bewunderer von Gamal Abdel Nasser, schwebt ein souveränes Ägypten vor. Das aber müßte sowohl Israelis als auch US-Amerikaner hellhörig machen. Eine politische Führungsfigur à la Nasser (und dazu „Islamist“) wäre das letzte, was in ihr tolles (toll im Sinne von irr) Konzept für den Nahen und Mittleren Osten hineinpassen würde.