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lundi, 26 mars 2007

Werner Heisenberg und die Quantenmechanik

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Ingmar KNOP:

»Ein Grund von merkwürdiger innerer Schönheit«

Vor 80 Jahren publizierte der damals 24jährige Werner Heisenberg seine Quantenmechanik

Quelle: http://www.deutsche-stimme.de/

Göttingen, 29. Juli 1925. Eine Schrift des deutschen Nachwuchsphysikers Werner Heisenberg erregt Aufsehen an der Georg-August-Universität. Ihr Titel lautet »Über die quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen«. Das Ziel umreißt der Verfasser mit den Worten: »In der Arbeit soll versucht werden, Grundlagen zu gewinnen für eine quantentheoretische Mechanik, die ausschließlich auf Beziehungen zwischen prinzipiell beobachtbaren Größen basiert ist«.
Die Erkenntnisse, die Heisenberg damit der wissenschaftlichen Welt vorlegte, hoben das altgediente Weltbild der klassischen Physik aus den Angeln der Absolutheit und erweiterten den Kreis des naturwissenschaftlich Beschreibbaren um ein Vielfaches. Ihr genialer Schöpfer wurde durch seine Quantenmechanik nicht nur zum Begründer des Atomzeitalters, sondern auch zum Apostel eines völlig neuen Weltbildes, in dem jenseits der Vorherbestimmtheit des Weltenlaufes die Kategorien des freien Willens und der Verantwortung wieder Bedeutung erlangten. Der deutschen Physik ist mit Werner Carl Heisenberg einer ihrer unsterblichen Könige geboren worden, dessen Ruf und Bedeutung auch das sich dem Ende neigende Zeitalter von McDonald’s und Multikulti überdauern werden.
Der am 5. Dezember 1901 in Würzburg geborene Heisenberg studierte seit 1920 in München, Bonn und Göttingen Physik. Nach nur sechs Semestern Studium promovierte er 1923 bei Arnold Sommerfeld zum Dr. phil. und erwarb ein Jahr später die Berechtigung zu eigener wissenschaftlicher Lehre. Nach mehreren Monaten der Forschung bei dem dänischen Physiker Niels Bohr in Kopenhagen publizierte Werner Heisenberg im Sommer 1925 seine neu gewonnenen Erkenntnisse über das Verhalten der Elektronen. Er erkannte, daß die Gesetze der klassischen Physik nicht in der Lage waren, die Verhältnisse des Mikrokosmos, also der Atome und ihrer Bestandteile, zu erklären. Da aber das Verhalten auch der großen Himmelskörper letztlich auf dem Verhalten der kleinsten Elementarteilchen beruht, war für Heisenberg die klassische Physik ein bloßer Grenzfall einer sehr viel weiter zu fassenden Quantenmechanik.

Die Gesetze der klassischen Physik

Die klassische Physik des 19. Jahrhunderts basiert vor allem auf drei Grundannahmen, vor deren Hintergrund sie das Weltgeschehen zu beschreiben versucht. Es sind dies die Katego-rien der Kontinuität, der Kausalität und der Objektivierbarkeit. Worum geht es dabei?
Kontinuität meint eine ununterbrochene Regelmäßigkeit der Bewegungsabläufe, ein kontinuierliches Sichvollziehen von Veränderungen. Bezeichnend für dieses Paradigma ist der klassische Satz »Natura non facit saltum« – die Natur macht keinen Sprung.
Das Prinzip der Kausalität stellt auf den Zusammenhang von Ursache und Wirkung ab und geht von einem strengen Determinismus aus – also davon, daß alles Naturgeschehen vorherbestimmt ist und daß keine Zufälle bestehen.
Der Grundsatz der Objektivierbarkeit statuiert schließlich, daß ein unter gleichen Bedingungen durchgeführtes Experiment und überhaupt ein unter gleichen Bedingungen stattfindender Naturvorgang sich immer wieder vollständig kongruent vollziehen muß.
Diese drei Thesen – Kontinuität, Kausalität und Objektivierbarkeit – waren das Ergebnis jahrtausendelanger Naturbeobachtung. Bereits von den ersten Menschen nimmt man heute an, daß sie die Bewegungen der Himmelskörper verfolgten und bald zur Erfahrung ihrer Regelmäßigkeit gelangten. Als sich seit dem 16. Jahrhundert selbst die Bahnen der Planeten mit Hilfe der klassischen Bewegungsgesetze berechnen ließen, zweifelte niemand mehr daran, daß es sich bei den drei vorbenannten Grundthesen der klassischen Physik um absolute und ewiggültige Gesetze handelte, nach denen sich alles Naturgeschehen vollzog. Bei Kenntnis aller Naturgesetze und Bedingungen galt es als möglich, jede Bewegung und jeden Zustand eines Körpers sowohl vorherzubestimmen als auch für die Vergangenheit zu ermitteln. In diesem Sinne rief der französische Mathematiker und Astronom de Laplace im Jahre 1814 aus: »Ein Geist, der für einen gegebenen Augenblick alle Kräfte kennte, welche die Natur beleben, und die gegenseitige Lage der Wesen, aus denen sie besteht, würde – wenn er umfassend genug wäre, um diese Angaben der Analyse zu unterwerfen – in derselben Formel die Bewegungen der größten Weltkörper und des leichtesten Atoms begreifen: nichts wäre ungewiß für ihn, und Zukunft wie Vergangenheit wäre seinem Blick gegenwärtig«.
Parallel zur klassischen Physik entwickelte sich ein streng deterministisches Weltbild, das auch den Menschen unter das Primat der Gesetzmäßigkeit stellte und den noch von Martin Luther verkündeten freien Willen nicht mehr gelten ließ. Gott als religiöse Kategorie wurde reduziert auf die Vorstellung eines »unbewegten Bewegers«, der den Weltenlauf lediglich angestoßen hatte – wie der Uhrmacher das Pendel –, um ihn fortan nach eigenen Gesetzen sich selbst zu überlassen.

Der Dammbruch

Mit der Wende zum 20. Jahrhundert brach jedoch eine Zeit an, die nicht nur den Rahmen der Empirie, also des sinnlich Wahrnehmbaren, erheblich erweiterte, sondern die das in Jahrtausenden gewachsene klassisch-physikalische Weltbild aus dem Rahmen seiner Absolutheit hob.
Bereits im Jahr 1900 hatte der deutsche Physiker Max Planck vor der Berliner Physikalischen Gesellschaft über die Wärmestrahlung schwarzer Körper gesprochen und dargestellt, daß glühende Materie ihre Wärmeenergie gerade nicht kontinuierlich abstrahlt, wie dies nach der klassischen Physik eigentlich hätte erfolgen müssen, sondern schubweise. Das von Planck entworfene Bild der Wärmeabstrahlung gleicht etwa einem tropfenden Wasserhahn. Jeder Tropfen stellt gewissermaßen ein eigenes Quantum dar. Dieser Umstand wurde für die spätere Quantenmechanik namensgebend.
Wenige Jahre später erkannte Albert Einstein, daß Elektronen, die von einem mit UV-Licht bestrahlten Metall freigesetzt wurden, sich ebenfalls nicht nach den Regeln der klassischen Physik bewegten. Stößt man etwa eine Billardkugel mit dem Queue an, dann hängt der Verlauf ihrer Bewegung von Richtung und Stärke des Stoßes ab. Anders jedoch bei den durch Lichteinwirkung freigesetzten Elektronen. Denn gerade nicht die Intensität der Lichtwelle – vergleichbar dem Stoß mit dem Billard-Queue – bestimmt die Energie der Teilchen, sondern die Lichtfrequenz. Einstein konnte dieses Phänomen nur damit erklären, daß offenbar auch das Licht aus Teilchen bestehen müsse. Wie war es dann aber möglich, daß das Licht mit optischen Instrumenten gebeugt werden konnte, was statt bei Teilchen doch nur bei Wellen funktionierte? War das Licht sowohl Welle als auch Teilchen? Oder konnte es in beiden Erscheinungen vorkommen? Und wenn dies so war, wann trat das Licht in welche der beiden Zustände?

Die andere Seite der Wahrnehmung

Werner Heisenberg war es schließlich, der den augenscheinlichen Welle-Teilchen-Dualismus enträtseln konnte. Er erkannte, daß Wellen (etwa elektromagnetische) zugleich auch Eigenschaften von Teilchen, Teilchen (etwa Elektronen) zugleich auch Eigenschaften von Wellen haben. Stets liegen beide Eigenschaften vor. Der Mensch, der auf die Inaugenscheinnahme der ihm zugänglichen Welt angewiesen ist, erfaßt aber nicht die gesamte Wirklichkeit, sondern stets nur ihren in den Makrokosmos hineinragenden Teil. Während nun in der für unsere Augen sichtbaren Welt das Gesetz der Determiniertheit durchaus seine Gültigkeit hat, die klassische Physik also nach den ihr immanenten Prinzipien der Kontinuität, Kausalität und Objektivierbarkeit etwa Geschwindigkeit und Wegstrecke einer rollenden Kugel berechnen kann, so folgt der Mikrokosmos dem Gesetz der Statistik. Lediglich im Durchschnitt geschieht in der Welt der Elementarteilchen das, was man unter Zugrundelegung einer mathematischen Formel ermitteln kann. Allein die Wahrscheinlichkeit eines Verhaltens folgt hier einem Gesetz, nicht aber der jeweils einzelne Vorgang. Es ist wie ein Nebel, den die Natur über die Vorgänge ihrer Elementarteilchen gesenkt hat. Da aber die Welt der Augenscheinsobjekte aus einer riesigen Anzahl von Elementarteilchen besteht, genügt die Bestimmung einer Verhaltenswahrscheinlichkeit dieser Kleinstteilchen vollauf, um für die uns sichtbare Welt brauchbare Gesetze aufzustellen. Kategorien wie Ort und Geschwindigkeit können sehr wohl für eine Billardkugel bestimmt und vorhergesagt werden, nicht aber für ein einzelnes Elektron. Heisenberg entdeckte vielmehr, daß Kleinstteilchen ihren Ort und ihre Geschwindigkeit nie zugleich offenbaren. Je genauer man die eine Größe mißt, um so unbestimmter wird die zweite – das ist die Grundaussage der nach Heisenberg benannten »Unschärfe-Relation«. Die philosophische Konsequenz hieraus ist die Absurdität des »Seins an sich«.
Die Natur erhält sich die Geheimnisse ihrer Innenwelt. Dem Menschen wird nur offenbar, was er sinnlich zu erfassen vermag. Dieser Erkenntnis ins Auge zu blicken, kann dem gegenwärtigen Zeitgeist der egozentrischen Selbstverwirklichung eine heilsame Bescheidenheit entgegensetzen. Heisenberg beschrieb diesen Umstand als »das Gefühl, durch die Oberfläche der atomaren Erscheinungen hindurch auf einen tief darunter liegenden Grund von merkwürdiger innerer Schönheit zu schauen«. Dies getan zu haben, so der deutsche Physiker, »war eine ganz abenteuerliche Zeit, voll von Überraschungen und Enttäuschungen, von Erfolgen und von tiefliegenden Schwierigkeiten, deren Diskussion uns bis an die Grundlagen aller physikalischen Erkenntnis geführt hat«.

Ingmar Knop

06:20 Publié dans Sciences | Lien permanent | Commentaires (0) | |  del.icio.us | | Digg! Digg |  Facebook