dimanche, 15 mai 2011
Der Mythos von Abbottabad
Der Mythos von Abbottabad
Michael WIESBERG
Ex: http://ww.jungefreiheit.de/
Es ist Zeit, aus der medial verabreichten Jubel-Narkose in der Causa Osama bin Laden (OBL) aufzuwachen und den Verstand wieder einzuschalten. An dieser Stelle möchte ich ein wenig Starthilfe in Form von offenen Fragen und Gedankenspielen geben, die sich im Hinblick auf die Tötung des „Terrorfürsten“ aufdrängen, die in westlichen Medien als Heldenstück der US-Navy-Seals beziehungsweise als Ausdruck der Entschlossenheit von US-Präsident Obama verklärt worden ist.
Bilal-Stadt, der nordöstliche Vorort von Abbottabad und OBL letzter Aufenthaltsort, zirka 50 Kilometer Luftlinie von Islamabad entfernt, hat einen Militärbezirk, was unter anderem die Anwesenheit von Sicherheitspersonal und Geheimdienstmitarbeitern impliziert. Ibn Ladens Haus befand sich etwa 500 Meter entfernt von der pakistanischen Militärakademie Kakul. Fremde, die keinen militärischen Hintergrund haben, müssen hier über kurz oder lang auffallen. Überdies bot sich keine direkte Fluchtmöglichkeit in Richtung derjenigen Gebiete Afghanistans, die von der Taliban kontrolliert werden. Warum ist Ibn Laden samt Familie gerade hier untergetaucht?
Was passierte mit den Leichen der Familienangehörigen?
Neben Ibn Laden sollen weitere Personen umgekommen sein, angeblich auch ein Sohn Ibn Ladens. Was ist aus ihren Leichen geworden beziehungsweise wo sind diese Leichen? Warum hielt sich OBL ausgerechnet in einem auffälligen, „festungsartig“ ausgebauten Wohnkomplex auf, der die umliegenden, deutlich kleineren Häuser klar überragte? Naheliegend wäre es gewesen, eines der unauffälligen kleineren Häuser auszuwählen.
Die letzten Guantánamo-Dokumente, die via Wikileaks veröffentlicht worden sind, enthüllen, daß US-Geheimdienste seit längerem wußten, daß sich OBL und seine Familie oder Teile seiner Familie in Abbottabad aufhalten. Wurde das Kommandounternehmen vorzeitig vom Zaun gebrochen, um zu verhindern, daß Ibn Laden nach Bekanntwerden dieser Dokumente den Standort wechselt? Zur Erinnerung: Der Libyer Abu al-Libi, ein El-Kaida-Kurier, wurde am 2. Mai des Jahres 2005 in der nahe Abbottabad gelegenen Stadt Mardan verhaftet. Im Januar 2011 stellten Fahnder Umar Patek, einen der Planer des Attentats im Jahr 2002 auf der indonesischen Ferieninsel Bali, in Abbottabad. Abbottabad erfreute sich offensichtlich in El-Kaida-Kreisen einer gewissen Beliebtheit.
FBI-Fahndungsliste führt die Vorgänge von 9/11 nicht auf
Warum wird immer wieder behauptet, OBL sei der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 gewesen, obwohl er laut FBI wegen dieser Anschläge gar nicht gesucht wurde? Laut Fahndungsliste des FBI – Danke an Rainer Rupp, das er darauf in der Jungen Welt erneut aufmerksam gemacht hat – wurde er wegen der Anschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam gesucht, nicht aber wegen der Vorgänge im Zusammenhang mit 9/11.
Wie bei den Anschlägen am 11. September 2001 wurde auch diesmal die Erhebung von wichtigen Beweismitteln verunmöglicht. Eine Obduktion der Leiche OBL beziehungsweise eine eindeutige Identifikation seiner Person durch unabhängige Experten konnte nicht stattfinden. Die digitale „Daten-Goldader“, die OBL angeblich hinterlassen haben soll, eröffnet den USA neue Optionen, dort zu intervenieren, wo diese es gerade für angezeigt halten. Diese Daten könnten der Generalschlüssel für einen „Krieg gegen den Terror“ werden, der alle Konventionen hinter sich läßt. Abbottabad wäre vor diesem Hintergrund zwar das Ende der Ära OBL, bedeutet möglicherweise aber den Auftakt für eine neue Ära des Antiterrorkrieges, mit dem die USA seit der Präsidentschaft von George W. Bush ihre geostrategische Interessen zu bemänteln suchen.
El Kaida, so eine der letzten Meldungen, soll in einem Posting in „islamistischen Internetforen“ bestätigt haben, daß die militärische Operation zur Tötung von OBL am Sonntag erfolgreich gewesen sei und hilft dem Weißen Haus damit, bösartige Verschwörungstheorien zu entkräften. Wie hilfreich! Bezeichnend bleibt das, was ein Sprecher des Weißen Hauses anmerkte, nämlich daß El Kaida damit nur das „Offensichtliche“ anerkenne. Auf die Frage nach weiteren Details der Operation erklärte er, es sei „extrem wichtig“ [!], daß er darüber nichts mehr sage. Dieser Sprecher wird seine Gründe dafür haben, warum er „darüber“ lieber nichts mehr sagt ...
Michael Wiesberg, 1959 in Kiel geboren, Studium der Evangelischen Theologie und Geschichte, arbeitet als Lektor und als freier Journalist. Letzte Buchveröffentlichung: Botho Strauß. Dichter der Gegenaufklärung, Dresden 2002.
00:20 Publié dans Actualité | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : ben laden, actualité, politique internationale, islamisme, terrorisme, 11 septembre 2001, abbottabad, etats-unis, pakistan | | del.icio.us | | Digg | Facebook