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mercredi, 02 décembre 2009

Washingtons Russland-Strategie: ein Trauerspiel

USA-Russia_gif_large.jpgWashingtons Russland-Strategie: ein Trauerspiel

F. William Engdahl / http://info.kopp-verlag.de/

Die Regierung Obama hat es in nicht einmal sechs Wochen fertiggebracht, in der amerikanischen Eindämmungsstrategie gegenüber Russland ein völliges Durcheinander anzurichten. Der jüngste Schritt in die falsche Richtung war die Entscheidung, Vizepräsident Joe Biden nach Warschau und Prag zu schicken, um dort zu versuchen, das Vertrauen wieder zu kitten, das einen Monat zuvor durch Obamas überraschende Entscheidung, auf die Raketenabwehr in den beiden Ländern zu verzichten, erschüttert worden war. Russland macht sich das politische Chaos in Washington natürlich ohne Zögern zunutze. Immer mehr sieht es so aus, als fuchtelten die Vereinigten Staaten ohne klare strategische Ausrichtung um sich, ob in Afghanistan, im Irak, in Südamerika, in Asien oder jetzt in Zentraleuropa. Viele sprechen schon davon, hier »übernehme« sich ein »Imperium«. So oder so verblasst Washingtons Magie ganz rapide.

In den acht Jahren der Präsidentschaft Bush war die Politik Russland gegenüber klar und eindeutig. Washington hat die NATO in Richtung Osten erweitert und alle Mitgliedsländer des ehemaligen Warschauer Pakts einbezogen. Sowohl in Georgien als auch in der Ukraine wurde per Farbenrevolution ein Regimewechsel erzwungen und eine Regierung an die Macht gehievt, die Washington und der NATO freundlich gesinnt war. Als letzten Coup hatte Präsident George W. Bush Anfang 2007 die Stationierung von Raketen in Polen und den Aufbau hochmoderner Radaranlagen in Tschechien angekündigt. Washington war entschlossen, die einzig verbliebene Atommacht zu zersplittern, die eine Bedrohung für ihre Full Spectrum Dominance – die völlige militärische Beherrschung der ganzen Welt – darstellte. Mit Recht protestierte Moskau, dies bedeute für Moskau eine ernste Bedrohung und habe mit dem angeblichen Schutz vor iranischen Raketenangriffen nicht das Geringste zu tun. Das war vollkommen richtig.

Vielleicht, weil er sich davon aus Moskau Unterstützung für den Druck auf den Iran erhoffte, hat Präsident Obama im September überraschend angekündigt, die USA würden auf den Aufbau des geplanten Raketenschilds in Polen und Tschechien verzichten. Durch diese Nachricht wurde nun aber wiederum in den Augen der Osteuropäer die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Sicherheitszusagen erschüttert. Die frühere tschechische Regierung von Ministerpräsident Mirek Topolánek, der die Zukunft seiner Regierung an die Unterschrift unter das höchst unpopuläre Raketenabkommen mit Washington gebunden hatte, wurde nach einem verlorenen Misstrauensvotum abgelöst. Der wegen ihrer Unterstützung für das Verteidigungsabkommen mit den USA nicht gerade beliebten Übergangsregierung des neuen Premierministers Jan Fischer wird jetzt durch Obamas überraschendes Umdenken der Boden entzogen. Topoláneks Regierung hatte der Stationierung der amerikanischen Radaranlagen gegen den Widerstand breiter Bevölkerungskreise und der parlamentarischen Opposition zugestimmt. Ohne diese Entscheidung wäre es wohl nicht zu dem Misstrauensvotum gegen Topolánek gekommen.

Am 23. Oktober gab der ehemalige tschechische Premierminister eine Erklärung ab, in der er US-Vizepräsident Biden aufforderte »die Gründe [darzulegen], die die Regierung Obama bewogen haben, die Radaranlagen in der Tschechischen Republik nun doch nicht zu errichten«. Angesichts von Obamas Entscheidung dränge sich die Frage auf, »ob sich die Vereinigten Staaten als Gegenleistung für bessere Beziehungen zu Russland aus Zentral- und Osteuropa zurückziehen wollen«.

 

Biden versucht, Polen und Tschechen zu beruhigen

Dass Obama jetzt Biden so kurz nach der Kündigung des ursprünglichen Abkommens mit einem neuen Angebot für eine abgespeckte Raketenabwehr nach Prag und Warschau geschickt hat, deutet auf eine ernstzunehmende politische Verwirrung in Washington hin. Wenn beabsichtigt war, dass Moskau sich als Gegenleistung vom Iran distanzierte, so ist es dazu nicht gekommen – die Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind eher noch enger geworden.

 Jetzt hat Obama Polen und Tschechien durch Biden einen neuen Raketenabwehrplan angeboten. Polen solle dem Plan der Regierung Obama für ein »rekonfiguriertes« System in Europa zustimmen, in dessen Rahmen die Stationierung von zunächst see- und später auch landgestützten Raketenabwehrwaffen des Typs SM 3 vorgesehen sind. Nach dieser Vereinbarung könnten in Polen SM-3-Abfangraketen zur Abwehr von Kurz- und Mittelstreckenraketen stationiert werden. Bei der Vorstellung dieses Kompromisses erklärte Biden vor der polnischen Presse: »Unser Raketenabwehrsystem gewährleistet die Sicherheit Europas, einschließlich Polens, angesichts einer wachsenden Bedrohung. Die USA wird mit dazu dem neuen System besser dazu gerüstet sein als mit dem alten.« Ja, Obama habe die Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Polen und Tschechien ursprünglich damit begründet, sie dienten dazu, vom Iran abgeschossene Raketen abzufangen. Als Grund dafür, dass jetzt Bushs Plan für einen Raketenschirm aufgegeben wird, zitierte Biden neue geheimdienstliche Erkenntnisse, wonach die Reichweite der iranischen Raketen nicht bis Europa reichte; die zuvor geplanten Verteidigungssysteme seien deshalb unnötig. Moskau hatte jedoch stets darauf bestanden – und Bidens Äußerungen scheinen dies erneut zu bestätigen –, die Stationierung in Polen und Tschechien sei in Wirklichkeit direkt gegen Russland und die russische Atomstreitmacht gerichtet.

 

Osteuropas Vertrauen in Washington ist erschüttert

Trotz Bidens hastig vorbereiteter Osteuropa-Reise, bei der er seine Gesprächspartner davon überzeugen wollte, das geplante neue System sei sogar besser als das alte, ist das Vertrauen in die Verlässlichkeit der US-NATO-Partnerschaft schwer erschüttert. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski, der zuvor als Verteidigungsminister das ursprüngliche Raketenabwehr-Abkommen mit der Regierung Bush ausgehandelt hatte, sagte kürzlich anlässlich eines Besuchs in Washington, Osteuropa brauche eine »strategische Aufmunterung« von Washington. Sikorski rief die USA dazu auf, die NATO müsse in der Region präsent sein, damit deren Wert für das Bündnis nach außen deutlich gemacht würde. Mit einem klaren sarkastischen Seitenhieb auf die derzeitigen Finanzschwierigkeiten der USA erklärte Sikorski bei einer Konferenz in Washington: »Wenn Sie es sich noch leisten können, brauchen wir eine gewisse strategische Aufmunterung.« Sikorski wünscht sich eine bedeutende amerikanische Truppenpräsenz in Polen als Garantie dafür, dass die USA sein Land auch in Zukunft verteidigen werden. Er betonte, im Augenblick seien ganze sechs US-Soldaten in Polen stationiert, während Russland und Weißrussland gerade eine Militärübung mit Hunderten von Panzern in der Grenzregion zu Polen abgehalten hätten. »Wenn Sie auf der einen Seite 900 Panzer und auf der anderen sechs Militärangehörige haben, wären Sie dann überzeugt?«, fragte er.

Anzeichen sprechen dafür, dass die ehemalige US-Außenministerin Condi Rice im August 2008 eine maßgebliche Rolle dabei gespielt hat, den georgischen Präsidenten Saakaschwili zu dem militärischen Angriff auf die Region Südossetien zu ermuntern. Dieser Angriff hat die westeuropäischen NATO-Mitglieder, allen voran Deutschland und Frankreich, dazu veranlasst, sich vehement gegen die von Washington geplante Aufnahme von Georgien und der Ukraine in die NATO zur Wehr zu setzen. Mehrere deutsche Vertreter haben hinter vorgehaltener Hand erklärt: »Wir werden nie wieder Krieg gegen Russland führen, und schon gar nicht zur Verteidigung von Georgien.«

Da nun über die geplanten Raketenabwehrsysteme in Osteuropa ein völliges Durcheinander besteht, hat Washingtons Glaubwürdigkeit in Europa einen neuen Tiefpunkt erreicht. Diese Runde geht eindeutig an Moskau.

 

Dienstag, 24.11.2009

Kategorie: Geostrategie, Politik

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