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dimanche, 16 janvier 2011

Afrikanische Landwirte stehen auf der Verliererseite...

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Afrikanische Landwirte stehen auf der Verliererseite – ihre Staaten verpachten Ackerland an ausländische Investoren

Mit grosser Besorgnis wird beobachtet, dass grosse Landstriche an Investoren verkauft oder verpachtet werden

von Neill MacFarquhar

Ex: http://www.zeit-fragen.ch/

Das halbe Dutzend Fremder, das in dem entlegenen westafrikanischen Dorf abstieg, brachte den von der Hand in den Mund lebenden Bauern alarmierende Neuigkeiten: Ihre bescheidenen Felder, die sie seit Generationen bestellen, würden nun vom libyschen Führer, Muammar al Gaddafi, kontrolliert, und alle Bauern müssten die Felder verlassen.
«Sie sagten uns, dass diese Regenzeit die letzte sei, in der wir unsere Felder bestellen könnten. Dann würden sie alle Häuser dem Erdboden gleich machen und das Land in Besitz nehmen», sagte die 73jährige Mama Keita, die Ortsvorsitzende des Dorfes, das von dichtem, dornigem Buschland umgeben ist. «Uns wurde gesagt, das Land gehöre Gaddafi.»
In ganz Afrika und anderen Entwicklungsländern verschlingt ein neuer weltweiter Hunger nach Land riesige Gebiete kulturfähigen Landes. Trotz seit Menschengedenken geltender Traditionen entdecken immer mehr fassungslose Dorfbewohner, dass afrikanische Regierungen nun plötzlich ihr Land besitzen und es – oft zu Schleuderpreisen – auf Jahrzehnte hinaus an ausländische Regierungen oder private Investoren verpachtet haben.
Organisationen wie die Vereinten Nationen und die Weltbank behaupten, bei fairer Handhabung könnte diese Vorgehensweise durch die Einführung grossflächiger, kommerzieller Landwirtschaft an Orten, die das bisher nicht kennen, einen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung leisten.
Andere jedoch verurteilen diese Geschäfte als neokolonialen Landraub, der Dörfer zerstört, Zehntausende von Bauern entwurzelt und eine unberechenbare Masse landloser Armer schafft. Und noch schlimmer mache die Sache, dass ein Grossteil der Nahrung für reichere Nationen bestimmt ist.
«Die Nahrungsmittelsicherheit des betreffenden Landes muss für alle an erster Stelle stehen», sagte der ehemalige Uno-Generalsekretär Kofi Annan, der sich nun mit Fragen der afrikanischen Landwirtschaft befasst. «Sonst handelt es sich schlicht um Ausbeutung und wird nicht funktionieren. Wir haben schon einen ‹Wettlauf um Afrika› [die Kolonisierung und Aufteilung des afrikanischen Kontinents zur Zeit des Imperialismus zwischen 1880 und 1914] erlebt. Ich glaube nicht, dass wir einen zweiten Wettlauf dieser Art erleben wollen.»
Eine Studie der Weltbank, die im September 2010 herausgegeben wurde, listete Geschäfte über landwirtschaftliche Flächen von mindestens 45 Millionen Hektaren auf, die allein in den ersten 11 Monaten des Jahres 2009 getätigt wurden. Bei mehr als 70 Prozent der Geschäfte handelte es sich um afrikanisches Land, wobei Äthiopien, Mozambique und Sudan zu den Ländern gehörten, die Millionen von Hektaren an Investoren übertrugen.
Vor 2008 betrug der weltweite Durchschnitt solcher Geschäfte weniger als 4 Millionen Hektar pro Jahr, so der Bericht. Aber die Nahrungsmittelkrise in jenem Frühjahr, die Unruhen in mindestens einem Dutzend Länder auslöste, führte zu diesem Kaufrausch. Die Aussicht auf zukünftige Knappheit zog sowohl reiche Regierungen, die nicht genug anbaufähiges Land für die Ernährung ihrer Bevölkerung haben, als auch Hedge-Fonds an, die auf schwindende Güter setzen.
«Wir beobachten, dass das Interesse an Landkäufen auf einem sehr hohen Niveau weiterbesteht», sagt Klaus Deininger, der Ökonom der Weltbank, der den Bericht schrieb. Weil viele Regierungen ihre Verkaufsvereinbarungen nicht offenlegen wollten, musste er viele Zahlen von einer Website nehmen, die von Grain, einer Interessenvertretung der Bauern, geführt wird. «Das alles ist eindeutig noch nicht vorbei.»
Obwohl der Bericht die Investitionen im allgemeinen unterstützt, beschrieb er ausführlich uneinheitliche Ergebnisse. Die Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft schrumpfte von ungefähr 20% des gesamten Hilfevolumens im Jahr 1980 auf heute etwa 5%, was einen Bedarf an anderweitigen Investitionen schuf, um die Produktion anzutreiben.
Aber laut den Befunden des Berichts scheinen viele Investitionen reine Spekulation zu sein, bei der das Land brach liegt, Bauern wurden ohne Entschädigung vertrieben, Land wurde weit unter Wert verpachtet, die gewaltsam Vertriebenen breiten sich letzt­endlich mehr und mehr in Parks aus, und die neuen Unternehmen haben viel weniger Arbeitsstellen geschaffen, als versprochen wurde.
Das atemberaubende Ausmass einiger Geschäfte rüttelt die Gegner auf. In Madagaskar führte ein Abkommen, das über die Hälfe des anbaufähigen Landes einem südkoreanischen Konglomerat übergeben hätte, dazu, dass sich die Opposition gegen einen bereits unbeliebten Präsidenten formierte und damit zu seinem Sturz im Jahr 2009 beitrug.
In Ländern wie Kongo, Äthiopien, Liberia, Uganda und Sambia wurden Menschen von ihrem Land vertrieben. Es ist sogar nicht ungewöhnlich, dass Investoren Land in Besitz nehmen, das angeblich unbewohnt ist. In Mozambique entdeckte eine Investmentgesellschaft ein ganzes Dorf mit eigenem Postamt auf Land, das als unbewohnt beschrieben worden war, erklärte Olivier De Schutter, der Uno-Berichterstatter für Ernährungsfragen.
In Mali werden ungefähr 1,2 Millionen Hektar Land entlang des Niger und seines Deltas durch das staatlich geführte agroindustrielle Unternehmen Office du Niger kontrolliert. In fast 80 Jahren wurden nur 80 000 Hektar des Landes bewässert, und deshalb betrachtet die Regierung neue Investoren als einen Segen.
«Selbst wenn man der Bevölkerung das Land gäbe, hätte sie nicht die Mittel dazu, es zu bewirtschaften, genausowenig wie der Staat», sagte Abu Sow, der Geschäftsführer des Office du Niger.
Er führte Länder auf, deren Regierungen oder Privatwirtschaft bereits Investitionen tätigten oder ihr Interesse anmeldeten: China und Südafrika an Zuckerrohr, Libyen und Saudi Arabien an Reis; aber auch Belgien, Kanada, Frankreich, Indien, die Niederlande, Südkorea und multinationale Organisationen wie die Westafrikanische Entwicklungsbank.
Insgesamt, so Sow, betrafen ungefähr 60 der Geschäftsabschüsse mindestens 240 000 Hektar Land in Mali, obwohl einige Organisationen erklärten, es seien mehr als 600 000 Hektar Land vergeben worden. Er behauptete, der Grossteil der Investoren käme aus Mali und baue Nahrung für den heimischen Markt an. Aber er gestand ein, dass ausländische Investoren wie die Libyer, die in Mali mehr als 100 000 Hektar in Pacht haben, die landwirtschaftlichen Produkte wohl in ihr Land zurückführen würden.
«Welchen Vorteil hätten sie davon, in Mali zu investieren, wenn sie nicht einmal ihre eigene Ernte mitnehmen dürften?» fragte Sow.
Wieviel Geld Mali an diesen Verpachtungen verdienen kann, bleibt unklar. Der Vertrag, der mit den Libyern unterzeichnet wurde, überträgt ihnen das Land für mindestens 50 Jahre einfach dafür, dass sie es nutzbar machen.
«Die Libyer wollen Reis für die Libyer produzieren, nicht für die Einwohner von Mali», sagt Mamadou Goita, Direktor einer gemeinnützigen Forschungsorganisation in Mali. Er und andere Gegner bringen vor, die Regierung privatisiere eine knappe nationale Ressource, ohne die einheimische Nahrungsversorgung zu verbessern, und dass ­politische, nicht wirtschaftliche Erwägungen alles vorantreiben, weil Mali die Beziehungen zu Libyen und anderen Ländern verbessern möchte.
Die grossen Landstriche, die privaten Investoren gegeben wurden, sind noch viele Jahre davon entfernt, Ertrag zu bringen. Offizielle Stellen heben jedoch hervor, dass Libyen bereits mehr als 50 Millionen Dollar für den Bau eines 39 Kilometer langen Kanals und einer Strasse ausgegeben habe, die von einer chinesischen Firma zum Wohle der örtlichen Bevölkerung erbaut wurden.
Jeder betroffene Bauer, fügte Sow bei, einschliesslich der mehr als 20 000 Menschen, die vom libyschen Projekt betroffen sind, wird entschädigt werden: «Wenn sie einen einzigen Baum verlieren, werden wir ihnen den Wert dieses Baumes bezahlen», sagte er.
Aber Zorn und Misstrauen sind gross. Bei einer Kundgebung im letzten Monat verlangten Hunderte von Bauern, dass die Regierung solche Geschäfte einstellen solle, bis sie ein Mitspracherecht erhielten. Mehrere erzählten, dass sie von Soldaten geschlagen und inhaftiert worden waren, dass sie aber bereit wären zu sterben, um ihr Land zu behalten.
«Wir werden sehr bald eine Hungersnot haben», rief Ibrahima Coulibaly, Leiter des Koordinationskomitees landwirtschaftlicher Organisationen in Mali. «Wenn die Menschen nicht für ihre Rechte eintreten, werden sie alles verlieren!»
«Ante!» riefen die Menschen in der Menge in Bamanankan, der örtlichen Sprache. «Wir weigern uns!»
Das Problem, das sich Experten zufolge abzeichnet, ist, dass Mali eine Agrargesellschaft bleibt. Wenn man Bauern von ihrem Land vertreibt, ohne ihnen eine alternative Lebensgrundlage zu bieten, riskiert man, dass die Hauptstadt Bamako mit arbeitslosen und entwurzelten Menschen überflutet wird, die zu einem politischen Problem werden könnten.
«Unser Land ist eine natürliche Ressource, die 70% der Bevölkerung nutzen, um zu überleben», sagt Kalfa Sanogo, ein Ökonom beim Uno-Entwicklungshilfeprogramm in Mali. «Man kann nicht einfach 70% der Bevölkerung vom Land vertreiben, und man kann auch nicht sagen, dass sie eben Landarbeiter werden können.» In eine andere Richtung geht ein Projekt der USA im Umfang von 224 Millionen Dollar, das ungefähr 800 malischen Bauern dazu verhelfen soll, das Anrecht auf je fünf Hektar neu gerodeten Landes zu erwerben. So sollen sie vor Vertreibung geschützt werden.
Soumoni liegt ungefähr 30 Kilometer von der nächsten Strasse entfernt. Wandernde Viehhirten mit ihren charakteristischen spitzen Strohhüten geben dort Richtungsanweisungen wie: «Halte dich rechts beim Termitenhügel mit dem Loch drin.»
Sekou Traoré, 69, ein Dorfältester, war sprachlos, als ihm Regierungsvertreter letztes Jahr mitteilten, dass Libyen nun sein Land kontrolliere. Er hatte es immer als sein Eigentum betrachtet, weitergegeben über Generationen vom Grossvater an den Vater und dann an den Sohn.
«Alles was wir wollen, ist, dass sie uns, bevor sie unsere Häuser niedermachen und unsere Felder übernehmen, die neuen Häuser, in denen wir leben sollen, zeigen und auch die neuen Felder, die wir bewirtschaften werden,» erklärte er an der Kundgebung im letzten Monat.
«Wir haben alle so Angst», sagte er bezüglich der 2229 Bewohner seines Dorfes. «Wir werden die Opfer sein, dessen sind wir sicher.»    •

Quelle: International Herald Tribune vom 23.12.2010
© International Herald Tribune
(Übersetzung Zeit-Fragen)

Agrarsprit statt Lebensmittel – die Spekulation um Agrarland grassiert auch in Europa

Wolfgang Beer, studierter Diplominge­nieur, führt in Gerbstedt im Bundesland Sachsen-Anhalt die Gerbstedter Agrar GmbH, die 2010 ihr 20jähriges Jubiläum feierte. Sie bewirtschaftet 1772 ha Ackerfläche, 23 ha Forstfläche und 5 ha Grünlandfläche. 2010 beschäftigte sie 46 Personen, davon vier Auszubildende zum Landwirt, einen Auszubildenden zum Landmaschinen- und Baumechaniker und eine Auszubildende zur Bürokauffrau.
Der Boden ist gut – sandiger Lösslehm, Bodenwertzahl von 85 bis 88, «so dass jeder Landwirt weiss, dass es eigentlich beste Erde für die Landwirtschaft ist», wie Beer einem Journalisten von Schweizer Radio DRS erklärt. Sorgen machen ihm aber die Bodenpreise. Wolfgang Beer war schon zu DDR-Zeiten Vorsitzender der örtlichen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Nach der Wende pachtete er das Land von der Treuhand, deren Verträge aber nun auslaufen. Das bedeutet, dass nun riesige Agrarflächen auf den Markt kommen – und schon tauchen Spekulanten und Investoren auf, die die Bodenpreise in der Region massiv in die Höhe treiben. «Also bis zur Mitte des Jahres», so Beer gegenüber Franco Battel von DRS, «waren in unserer Gegend hier Preise ungefähr zwischen 9000 und 10 000 Euro pro Hektar üblich. Die waren auch wirtschaftlich, aus Sicht der landwirtschaftlichen Produktion, halbwegs vertretbar. Gegenwärtig sind natürlich gewaltige Preisentwicklungen im Gang, und da sind Preise jetzt hier in unserem Fall, in unserer Region bis zu 17 500 Euro aktuell. Das ist normalerweise aus rein landwirtschaftlicher Sicht nicht mehr finanzierbar und ist demzufolge auch eine Gefahr für die gesamte landwirtschaftliche Entwicklung in der Region. Es muss jeder selbst entscheiden, wie weit er das finanzieren kann, wie weit er mithalten kann bei diesen Preisen, auf welches Glatteis es sich begibt und damit eventuell auch seinen Betrieb in Gefahr bringt.»
Die Investoren meldeten sich auch bei der Gerbstedter Agrar GmbH und boten Beer und seinen Kollegen beste Preise. Beer schickt sie weg – ihm liegen Verantwortung für seine Mitarbeiter und als Staatsbürger näher als der schnelle Gewinn: «Die meisten Investoren sehen natürlich heute die Produktion mit Bio-Energie, das heisst, es würde hier vermutlich praktisch in Dauerkultur Mais oder eine andere Energiepflanze angebaut. Das ist ja an bestimmten Stellen schon ein grosses Politikum geworden: Wenn ich eine Frucht ohne Einhaltung einer fachlich guten Fruchtfolge wiederholt anbaue, dann sind natürlich auch Probleme vorprogrammiert. Ich will Lebensmittel anbauen. Wir können doch nicht alles importieren. Ich kann mir schon vorstellen, was das für die Lebensmittelsicherheit in den europäischen Ländern bedeuten könnte: Instabilität ohne Ende. Und diese Dinge machen einem als Bürger schon zu schaffen.»

Quelle: Schweizer Radio DRS International vom 7. November 2010.
www.agrar-gerbstedt.de/index.html  

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