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mercredi, 24 novembre 2010

30 Jahre Laibach (2)

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30 Jahre Laibach (II)

Martin LICHTMESZ - Ex: http://www.sezession.de/

Noch ein paar Anmerkungen zum 30-Jahres-Jubiläum von Laibach, als deren Fan ich mich neulich in diesem Blog bekannt habe. Seit ihrer Gründung im Jahr 1980 hat sich nicht nur die Welt, sondern auch die Gruppe stark verändert (musikalisch eher zu ihren Ungunsten), von deren Originalbesetzung zur Zeit eigentlich nur noch Frontmann Milan Fras und Ivan Novak übriggeblieben sind. 

In einem gewissen Sinne ist die slowenische Formation seit zwei Jahrzehnten nur mehr ein Recycler ihres eigenen Mythos, dessen Wirkungsmacht eben eng verknüpft war mit dem Entstehungskontext des Projekts im post-titoistischen Jugoslawien (1980 war auch das Todesjahr des kultisch verehrten Staatspräsidenten, damit auch das Jahr, in dem der durch Blut und Eisen zusammengeschusterte Vielvölkerstaat langsam auseinanderzubröckeln begann).

Schon die Wahl des deutschen Namens für Ljubljana war eine gezielte Provokation der damaligen jugoslawischen Autoritäten. Diese waren nun in den Achtziger Jahren bereits lax und vom liberalen Rückenmarkschwund befallen genug (in der DDR wurde zur gleichen Zeit jede harmlose Amateur-Punk-Combo von der Stasi plattgemacht), daß die Band sich mühelos als „totalitärer“ als das herrschende Regime inszenieren konnte, „päpstlicher als der Papst“ sozusagen. In der Art und Weise, wie es Laibach taten, wollte der Staat zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht mehr beschworen und glorifiziert werden.

In Slowenien und Kroatien hatte man es zu einem relativen Wohlstand gebracht, und wenig ahnte man von dem verheerenden Krieg, der nur ein Jahrzehnt später ausbrechen sollte. Um 1983 herum waren Laibachs martialische Beschwörungen und Über-Emphasen der alten kommunistischen Kampf-, Askese-, Aufopferungs- und Hauruck-Rhetorik, untermalt mit aufpeitschender Krachmusik, peinlich, unheimlich, irritierend, angriffig. Der ästhetische Mix aus kommunistisch-stalinistischen mit faschistischen und nationalsozialistischen Elementen, der sich in der Mitte der Dekade noch verstärken sollte, wirkte natürlich zusätzlich subversiv, und dekonstruierte durch Annäherung und Amalgamierung den „antifaschistischen“ Mythos der kommunistischen Ideologie. Laibach attackierten indirekt den sozialistischen Staat, indem sie ihn scheinbar von rechts überholten, und ihn in Beziehung setzten zum feindlichen Bruder Nationalsozialismus.

In einem berüchtigten frühen TV-Auftritt setzte sich die Gruppe mit sinistrer Beleuchtung, blanken Stiefeln, undefinierbaren Uniformen und Armbinden mit schwarzen Kreuzen in Szene, schwieg mit eisernen Mienen, während der Frontmann die tribunalartigen Fragen des Interviewers beharrlich ignorierte, und stattdessen lange, komplizierte Manifeste vorlas: „Laibach behandelt die Beziehung zwischen Kunst und Ideologie, die Spannungen, die durch Expression subliminiert werden. Darum wird jeder direkte ideologische Diskurs eliminiert. Unsere Aktivität steht über direktem Engagement… wir sind komplett unpolitisch.“ Und so weiter und so fort.  Zur selben Zeit konnte man im Jugo-TV Pop-Videos (siehe hier, hier und hier) sehen, die sich in nichts von dem unterschieden, was gerade im Westen „in“ war.

Mit dem Album Opus Dei von 1987 begannen Laibach ihre berüchtigte Serie „faschisierter“ oder auf „martialisch“ getrimmter Cover-Versionen von populären Songs, für die sie am besten bekannt sind (darunter Titel von den Beatles, den Rolling Stones, Prince, Status Quo und, als Meta-Pop-Witz, DAF). Fanfaren und Trompeten, epischer Sound, militärisch stampfendes Schlagzeug, ins Deutsche übertragene Texte und der forciert markige Gesang an der Grenze zur Selbstparodie (den später Rammstein kopierten) verfremdeten bekannte Melodien auf eine verblüffende Weise.

Der Klassiker schlechthin ist ihre Version des Superhits „Life is live“ („Nananana“) der österreichischen Gruppe Opus, der damals in den Diskotheken weltweit ad nauseam rauf und runter lief.  Zusammen mit dem Video, in dem Laibach durch die Berge stapfen und vor monumentalen Wasserfällen posieren, voller zur Schau getragenem Sendungsbewußtsein und mit kultischem Gestus, hatte das einen ganz besonderen Touch, der die Gruppe von nun an definieren sollte.

Der Reiz ergibt sich aus dem Ineinander von verschiedenen widersprüchlichen Komponenten: einerseits handelt es sich hierbei natürlich offensichtlich um einen schreiend komischen Witz und um bewußt auf die Spitze getriebenen Camp. Andererseits hat es auch eine hin- und mitreißende Wirkung: der charismatische, kraftstrotzende Sänger mit dem Schnauzbart, der seltsamen Wüstenlegionärs-Kopfbedeckung und dem schmucken Alpen-Trachten-Outfit vor der Kulisse schneebedeckter Gipfel und rückwärts (!) strömender Wasserfluten – das geht weit über den bloßen „dekonstruktiven“ Gag hinaus. Die heroisch-teutonische Ästhetik wird ebenso zelebriert wie ironisiert. Es ist komisch und parodistisch, aber eben auch – geil.

Laibach demonstrierten, wie mit wenigen Handgriffen ein banaler Popsong einen „faschistischen“ Sound und Subtext erhalten kann. In der Alternativ-Version „Leben heißt Leben“ haben sie den englischen Originaltext eingedeutscht und nur geringfügig verändert:

When we all give the power
We all give the best
Every minute of an hour
Don’t think about the rest
Then you all get the power
You all get the best
When everyone gives everything…

Wann immer wir Kraft geben,
geben wir das Beste,
All unser Können, unser Streben
und denken nicht an Feste,
Von jedem wird alles gegeben,
und jeder kann auf jeden zählen,
Leben heißt Leben!

Life is life, when we all feel the power
Life is life, come on, stand up and dance
Life is life, when the feeling of the people
Life is life, is the feeling of the band!

Leben heißt Leben -
Wenn wir alle die Kraft spüren!
Leben heißt Leben -
Wenn wir alle den Schmerz fühlen!
Leben heißt Leben!
Heißt die Mengen erleben
Leben heißt Leben -
Heißt das Land erleben…

Auf analoge Weise verwandelten Laibach  „One Vision“ von Queen zu „Geburt einer Nation“, der einen ähnlichen „Klassiker“-Status wie „Life is live“ hat. Da mußte der Text lediglich wörtlich übersetzt werden.

One man, one goal
One mission,
One heart, one soul
Just one solution,
One flash of light
One God, one vision
One flesh, one bone,
One true religion,
One voice, one hope,
One flesh one bone
One true religion
One race, one hope
One real decision
Wowowowo oh yeah oh yeah oh yeah

Ein Mensch – ein Ziel
und eine Weisung.
Ein Herz – ein Geist,
nur eine Lösung.
Ein Brennen der Glut.
Ein Gott – ein Leitbild.

Ein Fleisch – ein Blut,
ein wahrer Glaube.
Eine Rasse, ein Traum,
und ein starker Wille
Gebt mir ein Leitbild! Ja, Ja, Jawoll, Jaaa!!

Und nun sehe man sich an, wie Queen 1985 in Rio de Janeiro ein Stadion mit zigtausend Menschen zum Mitstampfen von „We will rock you“ bringen, während Frontmann Freddie Mercury mit nacktem, muskulösem Oberkörper, in einen Union Jack gehüllt, vor den Massen auf und ab gockelt und sie dabei beherrscht wie ein schriller Glamrock-Mussolini:

Laibach haben also natürlich auch die unterirdischen Beziehungen zwischen Pop als Massenphänomen und totalitären Massenbewegungen angesprochen, die schon David Bowie in den Siebzigern in das berüchtigte Bonmot „Hitler war der erste Popstar“ faßte. Man kann auch an Jean Genet denken, der einmal bemerkte, der Faschismus sei „essentielment“ Theater.

Im Pop ist es auch kein notwendiger Widerspruch, eine Pose ausgiebig zu genießen und abzufeiern, und gleichzeitig ihre Künstlichkeit und ihren augenzwinkernden Showcharakter zu betonen. Man denke etwa an die prunkvollen Phantasie-Uniformen und den Erlösergestus von Michael Jackson. Rockstars befriedigen in demokratischen Zeiten tief sitzende monarchische Bedürfnisse, sind in ihren Welten Könige, Absolutisten, Messiase, Diktatoren, Fabeltiere, die die Huldigungen der Fanmassen entgegennehmen, über die sie Kraft ihrer Kunst herrschen, und die sich ihrerseits willig dem regressiv-wonnigen Rausch der Fan-Volks-Gemeinschaft hingeben.

In Umkehrung zu Genet läßt sich fragen, inwiefern die Kanalisierung „totalitärer“ Versatzsstücke und Ansprüche in eine Bühnenshow und ein Kunstprodukt wie den NSK-“Staat“, das, was Armin Mohler die „monumentale Unternährung“ nannte, gleichsam entpolitisieren, entschärfen und auf einer rein ästhetischen Ebene befriedigen kann. Denn wären Laibach auf reine Parodie und Dekonstruktion aus gewesen, wäre ihr Appeal nicht so stark und dauerhaft gewesen.

Mir schien es jedenfalls eher immer so, daß Laibach, sobald sie von den westlichen Intellektuellen nach einer gewissen Irritationsphase als „Kunst“ akzeptiert wurden, auch ein Ventil für jene boten, die endlich einmal guten Gewissens ihren lang verdrängten „inneren Faschisten“ ausleben wollten. Wenn die Gruppe Mitte der Neunziger in Wien auftrat, dann waren die Konzerte voll mit Lesern von alternativhippen linksliberalen Blättern wie Standard und Falter, die nun die unterdrückte Fascho-Sau rauslassen konnten und mit ausgestrecktem rechten Arm der Bühne entgegensalutierten: „Und dann feiern wir Vereinigung, die ganze Nacht! Jawollll, Jaaaa!!“ Und in der damaligen Gothic-und Wave-Nacht im Wiener U4 konnte man schon mal erleben, daß sich zu „Life is Live“ spontan ganze Marschformationen auf der Tanzfläche bildeten, die im Gleichschritt zu tanzen begannen.

Ich habe mich oft gefragt, wie sehr die hysterische Kontaminationsangst mancher Zeitgenossen vor riefenstahl’scher oder speer’scher Ästhetik auf einer uneingestandenen Faszination beruht, die man in streng puritanischer Weise nicht einmal vor sich selber zuzugeben wagt. Mit Sicherheit spüren aber sehr viele Menschen immer noch die spezifische Anziehungs- und Suggestionskraft dieser Bilder, die offenbar tiefsitzende, unausrottbare Gefühle ansprechen. Oder wie ein Soziologe in den Siebziger Jahren, dessen Namen mir entfallen ist, einmal sinngemäß und in anprangernder Absicht sagte: Faschismus befriedigt menschliche Grundbedürfnisse. (Wenn das stimmt, was folgern wir daraus? Und was ist dann noch „Faschismus“?)

Mit dem Zerfall des Ostblocks verloren Laibach den Reibungskontext, in dem sie sich ursprünglich bewegten. Ihr Ansatz geriet zunehmend zur Masche, und man merkte, daß sie nun mit Alben wie „Kapital“ (1992) und „Nato“ (1994) auf der Suche nach neuen zu unterwandernden Angriffsflächen waren. (Der Liberalismus jedoch ist im Gegensatz zum National- und Internationalsozialismus leider ein allzu elastischer Gegner, der jede Opposition wie ein Schwamm aufzusaugen vermag.) Das wirkte dann ein wenig wie eine etwas verräterische, weil dem undurchsichtigen Image der Band abträgliche Ideologie-Revue, die aber mit der Methode Laibach nicht so recht zu knacken war.

Am wenigsten überzeugend geriet dabei das Album „Jesus Christ Superstars“ (1996),  das sich nun dem „ideologischen“ Rahmen der Religion widmete und Milan Fras im Gewand eines Pilgers oder Predigers präsentierte.  Das war nun doch etwas zu einfach. „Tanz mit Laibach“, eine Art Remake des DAF-Hits „Tanz den Mussolini“ ging nochmal „back to the roots“, aber wie die Nazistiefel-Dauerschleife in dem Video war das kaum mehr als ein altgewordener, auf der Stelle tretender Witz.

Gelungener (und bei weitem die interessanteste Veröffentlichung der letzten eineinhalb Jahrzehnte) war da schon das 2006er Album „Volk“, das ausschließlich Interpretationen von Nationalhymen enthielt. Das geschah mit quasi-“ethnopluralistischer“ Verve und einem Minimum an Ironie, trotz der Herdenschäfchen auf dem Cover. Hier ist die „dekonstruktive“ Absicht deutlich zurückgetreten, und hier zeigt sich auch, daß Laibach sich doch nicht so einfach in einen „linken“ Kulturbetrieb eingemeinden und abhaken lassen, wie manche voreilig beschwichtigend meinen.

Darin schließe ich mich dem Urteil von Dominik Tischleder in der JF an:

Ganz ohne interpretatorisch doppelten Boden wird hier ein „Denken in Völkern“ als popmusikalisches Panorama entfaltet. Nationale Identität scheint als politischer Faktor ersten Ranges identifiziert.Nicht zuletzt deshalb ist „Volk“ ein intellektuell stimulierendes Album geworden, bei dem die eigentliche Musik fast schon Nebensache ist. Laibach selbst drücken es so aus: „Pop ist Musik für Schafe, und wir sind die als Schäferhunde verkleideten Wölfe.“