dimanche, 06 décembre 2009
Die neue russische Nukleardoktrin
Die neue russische Nukleardoktrin
Aufmerksame Beobachter der internationalen Politik sollten eigentlich nicht überrascht sein, wenn Moskau nun eine neue Nukleardoktrin verkündet, die einen »präventiven Atomschlag« unter bestimmten Bedingungen nicht ausschließt. Die neue Doktrin ist eine direkte Konsequenz daraus, dass die USA und NATO seit dem Ende des Kalten Kriegs systematisch die Einkreisung Russlands betreiben, einschließlich der besonders beharrlich verfolgten und beunruhigenden Pläne für den Aufbau einer Raketenabwehr in Polen und der Tschechischen Republik. Diese hätte den USA erstmals seit Anfang der 1950er-Jahre ein nukleares Primat, d.h. die Möglichkeit zum atomaren Erstschlag, verschafft. Moskau hatte angesichts der Eskalation vonseiten der NATO kaum eine andere Wahl. Infolge dieses Wahnsinns ist die Welt einem möglichen Atomkrieg aus Fehleinschätzung wieder einen Schritt näher gerückt.
Nikolai Patruschew, der Generalsekretär des Russischen Nationalen Sicherheitsrats, hat angekündigt, gegen Ende des Jahres werde Präsident Medwedew ein neuer Entwurf der Russischen Nukleardoktrin vorgelegt. Dieser enthält eine Liste möglicher Situationen, in denen ein präventiver Atomschlag gegen eine militärische Bedrohung Russlands und gegen einen Aggressor möglich sein soll. Allerdings behält auch die neue Doktrin eine gewisse Unbestimmtheit bei, unter welchen Bedingungen Atomwaffen zum Einsatz kommen können. Dieser Punkt ist von großer Bedeutung, denn je höher der Grad von Unbestimmtheit in Bezug auf den Einsatz von Atomwaffen, desto effektiver die Abschreckung.
Soweit bekannt, wird in dem neuen Dokument der breitere Einsatz von Atomwaffen verlangt. Russische Militäranalysten verweisen darauf, dass Russland über ein riesiges Territorium verfügt und versucht, die eigenen Streitkräfte zu reformieren – das Militärpersonal zu verkleinern. Die wirtschaftlichen Probleme der vergangenen Jahrzehnte haben dazu geführt, dass Wirtschaft und Bevölkerung heute schlechter auf eine Mobilisierung im Konfliktfall vorbereitet sind.
Laut der neuen russischen Militärdoktrin wird ein präventiver Nuklearkrieg möglich.
Offensichtlich spielt die Erfahrung der dramatischen Ereignisse vom August 2008 in Georgien eine Rolle. Der vom georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili angeordnete Angriff auf das umstrittene Gebiet Südossetien hatte damals die umgehende Reaktion Russlands zur Folge gehabt. Seitdem ist Russland darauf bedacht, sich davor zu schützen, dass sich ein lokaler Konflikt unerwartet zu einem großen Krieg entwickelt, für den Russland nicht gerüstet wäre. Denn wäre Georgien Mitglied der NATO, dann hätte der Konflikt von 2008 sehr schnell zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland führen können, so die Einschätzung der Strategen. Für diesen Eventualfall besitzt Russland Atomwaffen.
Seit 1993 benennt Russland in seiner Militärdoktrin keine feindlichen Nationen mehr, es besteht aber kein Zweifel daran, dass die einzig mögliche Bedrohung von der NATO und ganz besonders von Washington herrührt.
Russland modernisiert seine Atomstreitmacht
Die Russischen Strategischen Raketentruppen, der landgestützte Teil der sogenannten »nuklearen Triade«, bekommen bis Ende 2009 ein zweites Regiment mit mobilen Startanlagen für Topol-M-Raketen. Die Topol-M-Raketen (SS-27 Stalin) bilden den Kern der landgestützten Atomstreitkräfte. Zu Beginn des Jahres 2009 verfügten die Strategischen Raketentruppen über 50 silogestützte (stationäre) und sechs mobile Topol-M-Raketensysteme.
Das erste Raketenregiment mit dem mobilen Raketensysem Topol-M ist bereits nahe der 240 Kilometer nordöstlich von Moskau gelegenen Stadt Teikowo stationiert und einsatzbereit. Ein sechstes Regiment wird 2010 nahe Saratow im Südwesten Russlands mit silogestützten Topol-M-Systemen ausgestattet.
Die Topol-M-Rakete verfügt über eine Reichweite von etwa 11.000 Kilometer und ist angeblich gegen alle derzeit eingesetzten ABM-Raketenabwehrsysteme immun. Sie kann Ausweichmanöver durchführen und somit einem Angriff von Abfangraketen in der Flugendphase ausweichen, sie kann Täuschmanöver durchführen und verfügt über Attrappen, sogenannte Decoys. Sie ist gegen Strahlung, elektromagnetische Pulse und Kerndetonationen abgeschirmt und übersteht jeden Angriff mit Laserwaffen. Russland arbeitet auch daran, die Lebensdauer der SS-18-Raketen auf 31 Jahre und die der SS-25-Topol- und RS-20B-Raketen auf 23 Jahre zu verlängern.
Wie das russische Verteidigungsministerium kürzlich mitteilte, hat auch die russische Atom-U-Boot-Flotte erfolgreich eine ballistische Rakete getestet. Am 1. November wurde von dem atomkraftbetriebenen U-Boot Bryansk aus in der Barentssee mit Erfolg eine Interkontinentalrakete zu einem Testflug gestartet. »Die Sprengköpfe haben ihr Zielgebiet in der vorgesehenen Zeit erreicht«, ließ das Verteidigungsministerium verlauten.
Die nukleare Triade Russlands besteht aus landgestützten Raketensystemen, atombetriebenen und mit Atomraketen ausgerüsteten U-Booten sowie strategischen Bombern, die Atomraketen und mit nuklearen Sprengköpfen versehene Marschflugkörper transportieren.
Eine Woche später unterzeichnete der russische Präsident ein Gesetz, wonach die russischen Streitkräfte unter bestimmten Bedingungen im Ausland eingesetzt werden können. Das Gesetz war im Oktober von beiden Häusern des russischen Parlaments verabschiedet worden.
Präsident Dmitri Medwedew betonte, Russland werde seine Streitkräfte nur im äußersten Notfall zum Schutz russischer Staatsbürger außerhalb des Landes einsetzen. Dass alle Bürger Südossetiens vor einigen Jahren russische Pässe erhielten, ist ein Beispiel dafür, über welche Art von Einsätzen man in Moskau nachdenkt. »Solche Entscheidungen werden nur getroffen, wenn es absolut unumgänglich ist«, erklärte Medwedew. »Unsere Bürger müssen überall auf der Welt geschützt werden und sie müssen sich vom Staat geschützt fühlen.« Medwedew hatte die geplanten Änderungen im August dem Parlament vorgestellt, kurz nach dem ersten Jahrestag von Russlands Fünf-Tage-Krieg in Georgien.
Die Änderungen sehen vor, dass russische Truppen im Ausland eingesetzt werden können, um einen Angriff auf außerhalb des Landes stationierte russische Truppen abzuwehren; zur Abwehr und Verhinderung eines bewaffneten Angriffs auf ein Drittland, das Russland um militärischen Beistand gebeten hat; zur Verteidigung russischer Staatsbürger im Ausland gegen einen bewaffneten Angriff; zur Bekämpfung der Piraterie auf See und zur Sicherung der Handelsschifffahrt.
Das derzeit gültige russische Gesetz aus dem Jahr 2006 erlaubt es dem Präsidenten lediglich, Truppen zum Kampf gegen den Terrorismus aus ausländischem Boden einzusetzen. Experten haben bemängelt, das Gesetz definiere die Begriffe »Krieg« und »Kampfsituation« nicht eindeutig genug, was den Einsatz der Truppen im Ausland kompliziere.
Gemäß dem neuen Dokument kann der russische Präsident vorbehaltlich der Zustimmung des Föderationsrates, des Oberhauses des Parlaments, den Einsatz der Streitkräfte im Ausland anordnen.
Kurz: Die unnachgiebige amerikanische Strategie der letzten Jahre zur Einkreisung Russlands und auch Chinas, die unter Obama unverändert fortgesetzt wird, führt dazu, dass die Welt heute nicht sicherer, sondern eher noch gefährlicher geworden ist als nach dem nominellen Ende des Kalten Krieges vor 20 Jahren. Das Pentagon spricht von »Full Spectrum Dominance«. Man könnte sagen: »Fully insane« – vollkommen verrückt.
Mittwoch, 02.12.2009
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