Eine interessante Alternative zu der weitverzweigten Suche nach der Urheimat bot bereits 1934 Herbert Kühn mit seiner These nach einer Halbeuropa fassenden Urheimat (von Skandinavien bis zu den Alpen und vom Rhein bis Don) die lediglich bis ins Mesolithikum bestand und von ihm als Magdalenien Kultur von der nichtindogermanischen Tardenoisen Kultur (Frankreich, Süddeutschland, England) unterschieden wird. Jedoch erwies sich diese Einteilung als zu grob und wird den vielfachen Überschneidungen zwischen Magdalenien und Tardenoisen nicht gerecht. (Modell 1)
Nachdem noch in den 80er Jahren in der Diskussion um die Urheimat eine Annäherung auf den Raum zwischen Nord/ Mittel- und schwarzem bzw. kaspischem Meer (Modell 3) erzielt worden zu sein schien, stellte Colin Renfrew der Kurgan-These (zuletzt 1996) seine Annahme der Entstehung des Indogermanischen im anatolischen Raum entgegen:11
Danach seien die indogermanischen Wanderungsbewegungen durch Bevölkerungswachstum veranlaßt, der seiner Ansicht nach durch Fortschritte im Ackerbau verursacht wurde, die wiederum im anatolischen Raum (Catal Hüyük) ihren Ausgangspunkt genommen hätten. Demzufolge hätten sich die ersten Indogermanen bereits um 9000 v.u.Zt. nordwärts gewandt.
Auf der Grundlage einer vergleichenden Analyse von Blutdaten und genetischen Daten haben Cavalli-Sforza u.a. vorgeschlagen, die Vorstellungen der Kurgan-Theorie und der Anatolien-Theorie zu vereinigen. Das Proto-Indo-Europäische soll sich danach im anatolischen Raum gebildet haben und früh als Hethitisch, Tocharisch, Armenisch und möglicherweise auch Griechisch und Albanisch abgespalten haben, während eine andere Gruppe nach Norden gewandert ist und dort die Kurgan-Kultur entwickelt hat. Von dort aus haben sich dann mit der Verbreitung der Bandkeramik um 5.500 - 5.000 Jahren die westindogermanischen Proto-Gruppen verbreitet.
In der früheren Forschung oft als aus dem vorderen Orient stammende Gruppe identifiziert, die den Ackerbau nach Europa gebracht habe, waren die Bandkeramiker früh als Träger einer indogermanischen Sprache ausgeschlossen. Angesichts der Anatolienthese sowie neuer Deutungen als südosteuropäischem Stamm aus dem Balkanraum mit nahöstlichen Einflüssen und zeitlicher Übereinstimmung ihrer Ausbreitung mit der Schwarzmeerflut um 5600 v.u.Zt., die den Auslöser ihrer Wanderbewegung darstellen könnte, sind sie als Verbreiter nun wieder in die Diskussion zurück gekehrt.12
Dagegen spricht nach wie vor jedoch die fehlende Überlagerung der anderen Kulturgruppen durch die Bandkeramiker, die wohl Voraussetzung für die Übernahme einer neuen Sprache durch die Alteuropäer gewesen wäre. Auch die frühe Aufgabe der bandkeramischen Existenz in Mitteleuropa um 4000 spricht gegen deren Verbreitung der indogermanischen Sprache nach Europa, obgleich eine Übernahme und Weiterverbreitung durch Alteuropäer nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Die grundsätzliche Annahme der Entstehung des Indogermanischen im anatolischen Raum, wird dagegen durch die sprachwisenschaftliche Forschung vollständig widerlegt, die in den Hethitern die Träger des Indogermanischen im anatolischen Raum sieht, das sich erst seit ca. 2500 v.u.Zt. über eine ältere dort heimische Sprache ausbreitet. Daran ändern auch die 2003 publizierten, vermeintlichen ?Erkenntnisse? mittels einer ?hoch verfeinerten Computer-Methode? durch Gray und Atkinson von der Universität Auckland (Neuseeland) nichts, die nachgewiesen haben wollen, daß der erste Trennungspunkt zwischen 7.800 und 9.800 Jahre zurückliegen muß und vermutlich die Abspaltung des Hethitischen bedeutete.13 Diese ?Forschungssensation? reiht sich vielmehr nahtlos in die Reihe der pseudowissenschaftlichen Computermodelle ein, die stets das Ergebnis hervorbringen, was durch die selektive Dateneinspeisung der Forscher vorherbestimmt ist. In diesem Falle widerlegen bereits die erschlossenen gemeinindogermanischen Wörter für Kupfer das Ergebnis.
Eine dritte, bislang kaum beachtete Hypothese, ist die direkte Ableitung des indogermanischen aus einer durch die Ertebolle-Ellerbeck Kultur (erste nordische Kulturstufe?) erfolgte Überschichtung der Bandkeramischen Kultur, die aus einer ?borealen Proto-Sprache? das Indogermanische als Sprache einer sich bildenden ?Herrenschicht? entstehen läßt. Diese kontrolliert als Trichterbecherkultur den Raum zwischen Nord- und Südosteuropa.14 Danach müßte sich zwischen 6. und Ende des 5. Jahrtausends eine indogermanische ?Ursprache? entwickelt haben, die mit den Wanderungen der späteren indogermanischen Völker verbreitet wurde. Dafür spricht vor allem die Existenz einer potentiellen Trägerkultur, die zu Beginn als Trichterbecher, später als Schnurkeramiker in Erscheinung tritt sowie die schnelle Verbreitung des Indogermanischen.
Allerdings wirft dieser Lösungsansatz die Frage des Verhältnisses zwischen Trichterbecherkultur und den Megalithkulturen auf; Wer soll die Megalithik über Europa verbreitet haben, wenn nicht die Trichterbecherkultur, die damit doch auch ihre Sprache verbreitet haben müßte? Die Gebiete der westeuropäischen und mittelmeerischen Megalithkulturen wurden jedoch erst zwischen 2000 und 1200 v.u.Zt. indogermanisiert und sprachen vordem eine Sprache die Dominik Wölfel als ?atlanto-lybisches Sprachsubstrat? bezeichnet.15 Wenn, wie Böttcher annimmt, die Trichterbecherkultur die Megalithik erst spät aus Westeuropa übernahm und die Großsteingräberbauweise nach Meier gar ?eine Erscheinung des Megalithikums (sei), mit dem die Trichterbecherkultur nicht das geringste zu tun hat?,16 bleibt nur die Theorie der Übernahme eines neuen Glaubens ohne Einwanderung einer neuen, westmegalithischen Herrscherschicht, die sich zudem archäologisch auch nicht nachweisen läßt.
Die bekannte Geschichte beweist jedoch, daß selbst Religionen zumeist nur mit dem Schwert verbreitet werden - sowohl die Ausbreitung des Christentums als auch des Islam bieten hier Beispiele in Legion und widersprechen der These Meiers, nach der ?Neumissionierte einen besonderen Glaubenseifer entfalten?. Dieser Irrglaube steht vielmehr in der langen Reihe der islamischen Propagandamärchen der ?toleranten Religion?, die erheblich mit der tatsächlichen Geschichte kollidiert.
Eine bislang nicht erörterte Lösung des Problems wäre die bereits von Lichtenauer vorsichtig ins Spiel gebrachte Annahme der Entstehung des Indogermanischen aus dem atlanto-lybischen Sprachsubstrat Wölfels, das von Basken und Megalithikervölkern verwendet wurde und enge Verwandtschaften zum Sumerischen sowie Altägyptischen aufweist.17
Dadurch stellt sich wiederum die Frage nach der fehlenden Ausbreitung des Indogermanischen in die westeuropäischen Megalithgebiete, die ja zweifellos vom Neolithikum bis zur Bronzezeit enge Handelsbeziehungen unterhielten. Dies scheint bislang kaum vereinbar, es sei denn, man zieht eine Trennung zwischen westmegalithischem (Westeuropa, Mittelmeergebiet?) und Nordostmegalithischem ?Reich? (Deutschland, Osteuropa), die sich auch sprachlich auswirkte.
Hypothetisch könnte eine derartige Trennung auch durch einschneidende Umwelteinflüsse, etwa in Form einer Naturkatastrophe, in Erwägung gezogen werden. Diese wiederum müßte jedoch bereits vor Mitte des 5.Jahrtausends erfolgt sein, was sich zwar geologisch erhärten läßt, jedoch wiederum mit der Entstehung und Verbreitung der Megalithik um 5000 - 4000 unvereinbar scheint, Setzt man einen Bruch hypotetisch für die Zeit zwischen 4500 und 4000 und damit den Zeitpunkt der Entwicklung des Indogermanischen aus dem megalithischen Substrat an, so sind die Verbreitung durch die Trichterbecher und die Erkenntnis der indogermanischen Stämme als Bauernvölker auf (erzwungener) Wanderschaft gut in die Historie einzubetten. Demnach brach durch eine Naturkatastrophe die Seeverbindung zwischen westmegalithischem Reich und ostmegalithischem Reich für eine Zeit ab, die ausreichte um eine eigene Sprachentwicklung in Gang zu setzen. Abwandernde Stämme verbreiten die Sprachen und führen den Grabhügel als Rest der einstigen von Hügeln überdeckten Steinkammern weiter, ebenso wie die Weiterentwicklung der Streitaxt. So bilden sich um 4000 die südrussische Kurgankultur, in Verbindung mit der älteren Vincakultur, die Varnakultur unabhängig von den westlichen, weiterbestehenden Megalithkulturen. Von den neuen östlichen Zentren gehen wiederum Bewegungen zurück in den europäischen Raum, die ihrerseits die östlichen Einflüsse der Magie und der Asen/ Wanen Legende mit sich bringen.
Zugegeben - eine bislang kaum durch archäologische Funde erhärtete Theorie, die gerade den Verfechtern der These eines lediglich passiv empfangenen Europas die Haare zu Berge stehen lassen dürfte - jedoch sind die Eckpfeiler bei aller Skepsis nachvollziehbar:
Die Entwicklung des Indogermanischen aus Ertebolle-Ellerbeck (Bestandteil des atlanto-lybischen Substrates nach Wölfel?) durch Überschichtung der Bandkeramik (so auch Boettcher), die Verbreitung der Sprache ebenso wie der religiös motivierten Megalithik durch die Trichterbecher als ?Wikinger der Steinzeit? (Boettcher) und damit in Verbindung - Hinweise auf eine weitaus frühere Entstehung des Megalithbaus auch in Nordeuropa. Auch Hinweise für eine Naturkatastrophe liegen für den Nordseeraum vor, wenn auch für Mitte des 6. Jahrtausends v.u.Zt. und damit zu früh für die Begründung einer sprachlichen Unterscheidung zwischen West- und Nordosteuropa angenommen.
Aus diesem vermutlichen Ursprungsgebiet muß jedenfalls bereits zu Beginn des dritten Jahrtausends die erste Welle von Auswanderern aufgebrochen sein, um nach kurzer Seßhaftigkeit im Schwarzmeergebiet als Hethiter in Anatolien, Tochäer in Asien und als Arier in Persien und Indien in das Licht der Geschichte einzutreten. Um 2000 erfolgten weitere Wellen, die das mykenische Reich in Griechenland und gegen 1300 die Grundlagen des folgenden Hellenischen Reiches sowie Roms, und der Stammesgebiete der Kelten und der Etrusker begründeten.
Megalithiker - Indogermanen - Germanen / Kelten
Vieles spricht dafür, in den drei Namensbegriffen Umschreibungen eines einzigen Stammvolkes zu verschiedenen Perioden zu sehen. Bislang von der Frühgeschichtsforschung tabuisiert, mehren sich die Hinweise auf die ethnische Konstanz und Übereinstimmung der Trägerschichten der drei Begriffspaare,die - unter Aufnahme von außereuropäischen Einflüssen - das europäische Stammvolk verkörpern.
Anmerkungen:
1) Karl Penka: Die Herkunft der Arier. Wien 1893
2) Otto Schrader: In: Scherer: Urheimat
3) Herman Hirt: Die Heimat der indogermanischen Völker (1893) In: Scherer: Urheimat
4) AiD, 5/2003
5) Schuchhardt: Alteuropa
6) Marija Gimbutas: Die Indoeuropäer
7) siehe hierzu Schmoeckel, der eine gut lesbare Zusammenfassung der Kurganthese bietet
8) vgl. Pokorny: Indogermanenfrage sowie insbesondere Langguth. Der europäische, kleingewachsene Typ könnte dabei auf das norwegische Wildpferd zurückgehen
9) siehe Sprockhoff
10) Gimbutas: Bronce-age Europe
11) Renfrew, a.a.O.
12) so vor allem Haarmann; auch Schoppe - zuletzt auch Schröcke, der sie jedoch als autochthonen mitteleuropäischen Stamm sieht, Deutsche Geschichte 3/2004.
13) Nature 2003
14) so Boettcher: Ursprung Europas
15) Wölfel: Monumenta; so auch Meier
16) Meier: Hochkultur
17) Lichtenauer: Titanen
Literatur:
C.-H. Boettcher: Der Ursprung Europas. St. Ingbert 2000
L. Cavalli-Sforza / L., P. Menozzi / A. Piazza:The history and geography of human genes. New-York 1994
M. Gimbutas: The beginning of the bronce age in Europe and the Indo-Europeans 3500-2500 B.C. J. Indo-Eur. Stud. 1 1973 / Die Indoeuropäer (1963). In: Scherer: Urheimat
R. Gray / Q. D. Atkinson: Language-tree divergence times support the Anatolian theory of Indo-European origin. Nature 426 (27. Nov. 2003)
G. Kossinna: Die deutsche Vorgeschichte. Leipzig³ 1936
G. Lichtenauer: Das Volk der Titanen. Berlin 1998
J.P. Mallory; in Journal of Indo-European Studies, Bd. 1 1973
G. Meier / H. Zschweigert: Die Hochkultur der Megalithzeit. Tübingen 1997
J. Pokorny: Gedanken zur Indogermanenfrage. In Scherer
E. Probst: Deutschland in der Steinzeit. München 1991
C. Renfrew: Archaeology & Language: The puzzle of the Indo-European origins. 1987
Anton Scherer: Die Urheimat der Indogermanen.Darmstadt 1968
R. Schmoeckel: Die Indoeuropäer.Bergisch-Gladbach TB 1999
S. / Chr. Schoppe: Eine indoeuropäische Schrift? In: Trojaburg 1/2005
Carl Schuchhardt: Alteuropa. Kulturen und Völker. Berlin 1941
Ernst Sprockhoff: Die nordische Megalithkultur. 1936
D.J. Wölfel: Monumenta Linguae Canarae. Graz 1965
Verwandte Seiten:
Julius Evola: Das Hakenkreuz als polares Symbol
Rudolf von Sebottendorf: Wanderz�ge der Arier
Weltnetz:
Bouwen/ Oertel / Langguth: Diskussion; in:
http://www.eschenweck.de/klio/indo1.html#top
Hier finden Sie einen Auszug aus Carl-Heinz Böttchers Der Ursprung Europas:
Der Ursprung Europas.pdf
Zweiseitiger PDF-Artikel von Dieter Wunderlich:
Indogermanen.PDF
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