Ok

En poursuivant votre navigation sur ce site, vous acceptez l'utilisation de cookies. Ces derniers assurent le bon fonctionnement de nos services. En savoir plus.

vendredi, 01 novembre 2013

Ständig gegen den Westen protestierend

 

a002353449-001.jpg

Ständig gegen den Westen protestierend
Gemeinsamkeiten von »konservativen Revolutionären« in Deutschland und russischen Slawophilen

Alexander Krassnov

Ex: http://www.deutsche-stimme.de

Der Konservatismus in Deutschland und Rußland weist eine lange Geschichte der Zusammenarbeit und gemeinsamer Traditionen auf. Ungeachtet aller Unterschiede und fatalen Fehler in der Außenpolitik gab es viele Berührungspunkte rechter Denker beider Völker, z.B. der Kampf gegen den Marxismus und Liberalismus als der beiden wirklich extremistischen Strömungen in der Weltpolitik. Dieser Beitrag spürt dem Einfluß des russischen Dichters Fjodor Dostojewski auf die »konservativen Revolutionäre« Arthur Moeller van den Bruck und Oswald Spengler nach.


Zur Einführung sei ein Zitat aus dem zweiten Band von Oswald Spenglers »Der Untergang des Abendlandes« angeführt, das sich völlig mit den Positionen der russischen Slawophilen von damals und heute deckt. Wenn Spengler über Rußland sprach, stellte er stets Lew Tolstoi und Fjodor Dostojewski gegeneinander. Den ersten Dichterdenker hielt er für einen Repräsentanten des europäisierten Rußlands, den zweiten hingegen für einen Vertreter des uralten und zugleich kommenden Volksrußlands.


So formulierte Oswald Spengler: »Tolstoi ist das vergangene, Dostojewski ist das kommende Rußland. Tolstoi ist mit seinem ganzen Inneren mit dem Westen verbunden. (…) Sein mächtiger Haß redet gegen Europa, von dem er selbst sich nicht befreien kann. Er haßt es in sich, er haßt sich. Er wird damit der Vater des Bolschewismus. (…) Diesen Haß kennt Dostojewski nicht. Er hat alles Westliche mit einer ebenso leidenschaftlichen Liebe umfaßt. Seine Seele ist apokalyptisch, sehnsüchtig, verzweifelt, aber dieser Zukunft gewiß. (…)


Tolstoi ist durchaus ein großer Verstand, ,aufgeklärt‘ und ,sozial gesinnt‘. Alles, was er um sich sieht, nimmt die späte, großstädtische und westliche Form des Problems ein. Jener ist ein Ereignis jenseits der europäischen Zivilisation. Er steht in der Mitte zwischen Peter dem Großen und dem Bolschewismus. Die russische Erde haben sie alle nicht zu Gesicht bekommen. Sein (Tolstois) Haß gegen Besitz ist nationalökonomischer, sein Haß gegen die Gesellschaft sozial-ethischer Natur; sein Haß gegen den Staat ist eine politische Theorie. Daher seine gewaltige Wirkung auf den Westen. Er gehörte irgendwie zu Marx, Ibsen und Zola. Seine Werke sind nicht Evangelien, sondern späte geistige Literatur.


Dostojewski gehört zu niemand, wenn nicht zu den Aposteln des Urchristentums. Dostojewski lebt schon in der Wirklichkeit einer unmittelbar bevorstehenden religiösen Schöpfung. (…) Dostojewski ist ein Heiliger, Tolstoi ist nur Revolutionär. Von ihm allein, dem echten Nachfolger Peters, geht der Bolschewismus aus: nicht das Gegenteil, sondern die letzte Konsequenz des Petrinismus (…) Das Christentum Tolstois war ein Mißverständnis. Er sprach von Christus und meinte Marx. Dem Christentum Dostojewskis gehört das nächste Jahrtausend.«


Diese tiefgründige Gegenüberstellung von Tolstoi und Dostojewski wirft die Frage auf: Woher hat ein deutscher Denker, der ein so fulminantes Werk über den Untergang der abendländischen Zivilisation geschaffen hat, solch eine »slawophilen-übliche« Einstellung zu diesem Problem?


Eine Erklärung: Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in Deutschland die Werke des Dichters Fjodor Dostojewski geistig entdeckt. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistete der herausragende konservativ-revolutionäre Denker Arthur Moeller van den Bruck sowie das Ehepaar Mereschkowski. Dem Ideenkreis der konservativen Revolutionäre gehörte auch Oswald Spengler an. Nicht zuletzt unter dem Einfluß von Dostojewski schrieb Moeller van den Bruck sein berühmtestes Werk »Das dritte Reich« (1923), das zu einem Katechismus der Konservativen Revolution wurde.


Die Idee eines  dritten Reiches


Man sollte auch erwähnen, daß die Vision Moellers vom dritten Reich eine bestimmte Verbindung mit den Ideen des russischen Intellektuellen Dimitri Mereschkowski aufwies. Bereits im Jahre 1903 schuf Mereschkowski sein kritisches Werk »Lew Tolstoi und Dostojewski«. Neben einer Analyse des Schaffens und der ethischen Konzepte beider Denker entwickelte er dort seine Vorstellung einer neuen christlichen Besinnung. Das historische Christentum habe in der Religion zu stark das Geistige betont, was zu einer Vernachlässigung des Materiellen geführt habe. Seine Lehre bezeichnete Mereschkowski als »mystischen Materialismus« und plädierte für eine mystische Einigung des Geistigen und des Materiellen. Die Weltgeschichte faßte er dabei im Sinne Hegels als eine dialektische Dreiheit auf, wobei er das Heidentum für eine These und das Christentum für eine Antithese hielt. Anfang des 20. Jahrhunderts sollte es nach seiner Meinung zu einer Synthese kommen, deren Realisierung er als eine Art »Drittes Testament« verstand. Das Dritte Testament hielt Mereschkowski für ein neues Religionszeitalter im Leben der ganzen Menschheit.


In seinem Werk schuf Moeller van den Bruck eine ähnliche Triade im Bereich der Politik; er träumte von einem neuen politischen System ohne Linke und ohne Rechte, in dem die Idee des Reiches und die Idee des Menschen verknüpft wären.


In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß die konservativen Revolutionäre in Deutschland eine allgemein positive Einstellung zu Rußland hatten. Ihre russenfreundlichen Aussagen zeugen davon, daß sie im geistigen Leben Rußlands das erraten zu haben glaubten, was wohl keine Umsetzung ihrer Ideale in der Gegenwart verkörperte, aber eine Umsetzung in der Zukunft versprach. Rußlandfreundliche Stimmungen waren in den entsprechenden Denkzirkeln weitverbreitet und beständig, und es läßt sich dies für eines der Hauptmerkmale des revolutionären Konservatismus in Deutschland halten.


Anfang des 20. Jahrhunderts nahm der kulturelle Dialog einen besonderen Platz im deutsch-russischen Verhältnis ein. Es war eine Zeit gewaltiger Wandlungen in allen Bereichen des menschlichen Lebens und der Umwertung der Werte in beiden Richtungen. Deshalb ist es kein Zufall, daß viele Vertreter der Konservativen Revolution – neben Moeller van den Bruck und Oswald Spengler auch der frühe Thomas Mann – in ihrem Schaffen einen großen Einfluß russischer Kultur und Literatur, in erster Linie von Dostojewski, verraten. Dank Fjodor Dostojewski kehrten nach Deutschland die Ideen zurück, die einst die Slawophilen von den deutschen Romantikern geerbt hatten. Viele deutsche Konservative, wie z.B. Thomas Mann, haben die antiwestlichen Ideen Dostojewskis ausgedeutet und von Deutschland als von einem Staat geschrieben, der ständig gegen den Westen und dessen Nihilismus protestiert.


Die Publizistik Moellers war von seinem kulturellen und politischen Interesse an den östlichen Nachbarstaaten geprägt. Dieses Interesse hatte mehrere Wurzeln, darunter die außenpolitischen Traditionen Preußens im 19. Jahrhundert sowie die Entgegensetzung der lebendigen Kultur des Ostens und der sterbenden Zivilisation des Westens in den Werken deutscher Kulturphilosophen.


Wenn Moeller über seine Faszination von Dostojewski sprach, redete er ständig über die Jugend des Russentums, das die Kontakte mit seinen Ursprüngen noch nicht verloren habe und voll von schöpferischen Kräften sei. Moellers Propagierung des russischen Genies führte dazu, daß in Deutschland eine Art Dostojewski-Kult entstand. Er beließ es aber nicht bei der Herausgabe der Werke des Russen, sondern interpretierte sie samt der geheimnisvollen russischen Seele. Dies war naheliegend, da Dostojewskis Werke um scharfe Fragen der Freiheit und des Willens, der Gewalt und des Rechtes, des Guten und des Bösen in enger Verbindung mit dem russischen Inneren kreisten. In der Tiefe der russischen Seele erblickte der konservative Revolutionär Spuren einer ständigen Konfrontation mit dem westlichen Einfluß. Russische Literatur widerspiegelte für ihn alles Ursprüngliche, Reingehaltene und Fremde im Gegensatz zur entfremdeten und sterilen Lebenswelt des Westens.


Der Verfasser des »Dritten Reiches« sah in Dostojewskis Werken »die Beschreibung des Lebens, das wir gestern gelebt haben (…) Die von Dostojewski dargestellten Leute sind russische Leute. Aber wir erraten an ihnen vieles von uns selbst.« In diesem Sinne war der russische Schriftsteller ein echter Lehrer für den deutschen konservativen Denker. Moeller van den Bruck, der geistige Leitstern des legendären Juni-Klubs, lernte von dem Russen in erster Linie, an die große Mission seines Volkes zu glauben und dieses als größten Wert zu betrachten.


Absage an westliche »Werte«


Besonders anziehend wirkte an Dostojewski stets seine Ablehnung hohler westlicher »Werte«. Auch Moeller war von der Überzeugung durchdrungen, im Westen sterbe der Volksgeist und das organische Ganze des Volkes. Er behauptete, daß es den Deutschen an russischer Geistigkeit fehle, die Deutschland als Antithese gegen den Westen brauche. Aus Dostojewskis Erbe speiste sich auch die Wahrnehmung Deutschlands als eines stets gegen den Westen protestierenden Landes sowie die Idee der jungen Völker, welche die alten Nationen Europas herausfordern. Die Vorstellung der Slawophilen von der Jugend slawischer Völker verwandelte sich in Moellers Publizistik in die der Jugend des deutschen Volkes. Dabei kritisierte dieser wie die Slawophilen die westlichen »Werte« von Rationalismus, Individualismus und Materialismus. Solche Gegenüberstellung war eine Art kulturkritische Abstraktion des Gegensatzes von Westen und Osten.


Es sei auch erwähnt, daß der Weg Dostojewskis zu den Herzen deutscher Leser gar nicht leicht war. Das Interesse erreichte seinen Höhepunkt, als die Prozesse der gesellschaftlichen Modernisierung in Deutschland immer gewaltiger und schneller wurden. Eine ganze Generation deutscher Neuromantiker nahm den Mystiker aus dem Osten begeistert auf. Seitdem war das Thema Rußland immer häufiger in Kreisen deutscher Intellektueller zu finden. Stephan Zweig sagte zum Beispiel: »Nur über einen deutschen Dostojewski kann die Welt zum russischen Original kommen.« Viele deutsche Schriftsteller – genannt seien nur Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Hermann Hesse – bezeichneten die Werke Dostojewskis als die gewaltigste Erfahrung, die ihr Schaffen geprägt habe. Der Kulturphilosoph Oswald Spengler begann sogar unter dem Einfluß seiner Romane die russische Sprache zu lernen.


Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Gedanken des Russen über die Rettung Europas durch junge Völker und über Deutschland als ständig gegen den Westen protestierendes Land zu einem der Hauptthemen konservativer deutscher Denker.


Der Einfluß von Dostojewskis russischem Messianismus im Hinblick auf das europäisierte Rußland läßt sich in den Werken Oswald Spenglers und des Panslawisten Nikolaj Danilewski ausmachen. Spenglers Gedanken zu der Pseudomorphose Rußlands unter Peter dem Großen ähneln der Kritik Danilewskis am »Europawahnsinn«, die er in seinem Werk »Rußland und Europa« an die Adresse der russischen Oberschicht richtete. Spengler benannte das Problem so: »Eine zweite Pseudomorphose liegt heute vor unseren Augen: das petrinische Rußland. (…) Auf diese Moskowiterzeit der großen Bojarengeschlechter und Patriarchen, in der beständig eine altrussische Partei gegen die Freunde westlicher Kultur kämpfte, folgt mit der Gründung von Petersburg (1703) die Pseudomorphose, welche die primitive russische Seele erst in die fremden Formen des hohen Barock, dann der Aufklärung, dann des 19. Jahrhunderts zwang. Peter der Große ist das Verhängnis des Russentums geworden. (…)


Der primitive Zarismus von Moskau ist die einzige Form, welche noch heute dem Russentum gemäß ist, aber er ist in Petersburg in die dynastische Form Westeuropas umgefälscht worden. Der Zug nach dem heiligen Süden, nach Byzanz und Jerusalem, der tief in allen rechtgläubigen Seelen lag, wurde in eine weltmännische Diplomatie mit dem Blick nach Westen verwandelt. (…) Ein Volkstum (dessen Bestimmung es war, noch auf Generationen hin geschichtslos zu leben,) wurde in eine künstliche und unechte Geschichte gezwängt, deren Geist vom Urrussentum gar nicht begriffen werden konnte.«


In der Schrift »Preußentum und Sozialismus« ging Spengler – ganz im Sinne der Slawophilen – mit dem »Europawahnsinn« der russischen Oberschicht ins Gericht: »Dies kindlich dumpfe und ahnungsschwere Russentum ist nun von Europa aus durch die aufgezwungenen Formen einer bereits männlich vollendeten, fremden und herrischen Kultur gequält, verstört, verwundet und vergiftet worden. Städte von unserer Art, mit dem Anspruch unserer geistigen Haltung, wurden in das Fleisch dieses Volkstums gebohrt, überreife Denkwesen, Lebensansichten, Staatsideen, Wissenschaften dem unentwickelten Bewußtsein eingeimpft.


Um 1700 drängt Peter der Große dem Volk den politischen Barockstil, Kabinettdiplomatie, Hausmachtpolitik, Verwaltung und Heer nach westlichem Muster auf; um 1800 kommen die diesen Menschen ganz unverständlich englischen Ideen in der Fassung französischer Schriftsteller herüber, um die Köpfe der dünnen Oberschicht zu verwirren; noch vor 1900 führen die Büchernarren der russischen Intelligenz den Marxismus, ein äußerst kompliziertes Produkt westeuropäischer Dialektik, ein, von dessen Hintergründen sie nicht den geringsten Begriff haben. Peter der Große hat das echt russische Zarentum zu einer Großmacht im westlichen Staatssystem umgeformt und damit seine natürliche Entwicklung verdorben, und die Intelligenz, selbst ein Stück des in diesen fremdartigen Städten verdorbenen echt russischen Geistes, verzerrte das primitive Denken des Landes mit seiner dunklen Sehnsucht nach eigenen, in ferner Zukunft liegenden Gestaltungen wie dem Gemeinbesitz von Grund und Boden zu kindischen und leeren Theorien im Geschmack französischer Berufsrevolutionäre.


Petrinismus und Bolschewismus haben gleich sinnlos und verhängnisvoll mißverstandene Schöpfungen des Westens, wie den Hof von Versailles und die Kommune von Paris, dank der unendlichen russischen Demut und Opferfreude in starke Wirklichkeiten umgesetzt.«


Auch in »Preußentum und Sozialismus« wurde der abendländischen Welt die russische entgegengesetzt, und damit die kommende, noch schwer begreifbare Kultur des Ostens positiv von dem in die bloße Zivilisation absinkenden Westen abgesetzt: »Ich habe bis jetzt von Rußland geschwiegen; mit Absicht, denn hier trennen sich nicht zwei Völker, sondern zwei Welten. Die Russen sind überhaupt kein Volk wie das deutsche und englische, sie enthalten die Möglichkeiten vieler Völker der Zukunft in sich, wie die Germanen der Karolingerzeit. Das Russentum ist das Versprechen einer kommenden Kultur, während die Abendschatten über dem Westen länger und länger werden. Die Scheidung zwischen dem russischen und abendländischen Geist kann nicht scharf genug vollzogen werden. Mag der seelische und also der religiöse, politische, wirtschaftliche Gegensatz zwischen Engländern, Deutschen, Amerikanern, Franzosen noch so tief sein, im Vergleich zum Russentum rücken sie sofort zu einer geschlossenen Welt zusammen.«


Spengler war sich sicher, daß das untergehende Abendland durch ein junges Rußland abgelöst werde, obgleich seine mentalen und geographischen Umrisse für ihn noch unklar waren. Er glaubte fest daran, daß europäische Institutionen wie Kapitalismus und Bolschewismus bald an der russischen Kultur zugrundegehen würden.


Diese Hoffnung auf Rettung des je Eigenen gegen die Nivellierungsmacht der westlichen Zivilisation verband die konservativen Revolutionäre in Deutschland mit den Slawophilen in Rußland – eine Ideenverbindung, die heute nötiger denn je ist, um die westlichen Demokraturen geschichtlich entsorgen zu können. Denn wie formulierte der Nationalbolschewist Ernst Niekisch in seinem Beitrag »Revolutionäre Politik« (1926) zeitlos: »Westlerisch sein heißt: mit der Phrase der Freiheit auf Betrug ausgehen, mit dem Bekenntnis zur Menschlichkeit Verbrechen in die Wege leiten, mit dem Aufruf zur Völkerversöhnung Völker zugrunderichten.«

Alexander Krassnov

Les commentaires sont fermés.