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dimanche, 05 avril 2015

Dimitrios Kisoudis: Goldgrund Eurasien

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Dimitrios Kisoudis: Goldgrund Eurasien – eine Rezension

By Benedikt Kaiser 

Ex: http://www.sezession.de

Dimitrios-Kisoudis_Goldgrund-Eurasien.jpgEng verknüpft mit »Eurasien« [2] als ideologischem Großraumkonzept, das sich gegen die Hegemonialmacht USA stellt, ist der Name Alexander Dugin [3]. Häufig wird er als »Stichwortgeber« Wladimir Putins interpretiert. Der ehemalige Nationalbolschewist Dugin vereinigt in seinem Theoriegehäuse geopolitische, traditionale und russisch-mystische Elemente. Dimitrios Kisoudis untersucht nun diese eklektizistische Ideologie (Goldgrund Eurasien, hier bestellen [4]), stellt sie kenntnisreich in den Kontext eurasischer Visionen, ist aber spürbar weniger von René Guénon, Karl Haushofer oder russischen Mystikern beeinflußt.

Der Anthropologe argumentiert im »Krieg der Ideen« (Kisoudis) vielmehr im libertären Sinne F. A. von Hayeks und Murray Rothbards. Mit den Ahnherren eines klassischen Marktliberalismus (Hayek) bzw. »Anarchokapitalismus« (Rothbard) will Kisoudis nachweisen, daß schon im Kalten Krieg nicht nur der Sowjetkommunismus, sondern auch der westliche »Kollektivismus mit demokratischem Anstrich« von authentischen Liberalen und Libertären scharf kritisiert worden ist. Die Sowjetunion ist verblichen, die Ost-West-Frontstellung hingegen nicht. In der Ukraine, ohne die Rußland kein eurasisches Reich mehr sei (so Großrusse Alexander Dugin und US-Falke Zbigniew Brzezinski [5] übereinstimmend), werde dies besonders deutlich.

Ohnehin sei mit der Präsidentschaft Putins die Konfliktlinie wieder virulent geworden. Putin begann als Europäer, suchte Nähe und wandte sich – verärgert über EU-Arroganz und die Osterweiterung der NATO – vom Westen ab; er wurde zum Eurasier. Der russische Präsident förderte die Verquickung mit der traditionell staatstragenden orthodoxen Kirche (Moskau: das »Dritte Rom«). Während der Westen seine Traditionen auslösche, gestalte Rußland die seinigen neu. Kisoudis verhehlt nicht, daß seine Sympathie dem geopolitischen Antipoden der Vereinigten Staaten gilt, folgt aber nicht der eurasischen Feindschaft zum Liberalismus.

Die Österreichische Schule jedenfalls zähle nicht zu den postmodernen Auflösungsideologien, sondern zeige seit jeher ein Faible für Überlieferungen. Kisoudis läßt diesen Überlegungen eine idealtypische Liberalismus-Exegese folgen samt hinlänglich bekannter libertärer Kritik am Staatsgeld (»Geldsozialismus«), verknüpft mit einem Plädoyer für die Privatisierung des Währungswesens.

Derartiges hat freilich auch in Rußland keine Perspektive. Doch Kisoudis hält sich daran nicht auf, er schätzt das russische Steuersystem, ein gewisses ökonomisches Laisser-faire, allgemeiner: die russischen Freiheiten. Putins Staatskonzeption ist für ihn kein antiliberaler Entwurf, sondern »autoritärer Liberalismus«. Wirtschaft dürfe fast alles – nur nicht für den Gegner arbeiten. Das berge mehr Selbstbestimmungen für Unternehmer als der westliche Sozialdemokratismus. In dieser Lesart ist der neue Kalte Krieg der »heißkalte« Konflikt zwischen dem autoritär-liberalen Osten und dem postmodern-»geldsozialistischen« Westen. Die Vorzeichen haben sich also gewendet: Der Osten ist nicht mehr sozialistisch, der Westen nicht mehr liberal und marktwirtschaftlich.

Kisoudis ist in seinem geistreichen und sprachlich virtuosen Essay außerordentlich stark, wo er die Bereiche Politische Theologie und Geopolitik tangiert, in wirtschaftstheoretischer Sicht verliert er sich allzusehr in anarchokapitalistischer Ideologie, dabei werden die Ebenen der Betrachtung teils jäh gewechselt. Deutschland rät er zu einer Neujustierung der Außen- und Handelspolitik in Richtung China und Rußland. Dann folgt einer der gedanklichen Sprünge des Autors: Viele Probleme Deutschlands habe die »postmoderne Ideologie« amerikanischer Provenienz zu verantworten, aus der folge: »Deutschland ist bunt wie nie. Aber bunt sind auch die Zufallsgemälde des Schimpansen Congo.«

Dimitrios Kisoudis: Goldgrund Eurasien. Der neue Kalte Krieg und das Dritte Rom, Waltrop/Leipzig: Manuscriptum 2015. 120 S., 14 €, hier bestellen [4]

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