mercredi, 22 avril 2015
Die Dreispaltung Osteuropas
Die Dreispaltung Osteuropas
von Frank Marten
Ex: http://www.blauenarzisse.de
In der EU bröckelt es aufgrund der Sanktionen gegenüber Russland. Auch Mittel– und Osteuropas Staaten sind sich keineswegs einig. Die pro-russische Speerspitze bildet Ungarn.
Die EU hält an den Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation fest. Während Merkel die Verlängerung befürwortet, bezweifelte Mitte März beispielsweise die Tschechische Republik den Sinn und die Notwendigkeit der Bestrafung Russlands.
Der tschechische Präsident Milos Zeman hatte Anfang April erst dem US-Botschafter in Prag, Andrew Schapiro, den Zugang zum Präsidentensitz verwehrt. Zuvor hatte Schapiro einen geplanten Besuch Zemans bei der alljährlichen Siegesfeier in Moskau als „ziemlich heikel“ bezeichnet. Aufgrund innenpolitischen Drucks musste der tschechische Präsident nun die Reise nach Moskau trotzdem absagen. Drei wichtige Staaten Osteuropas – Polen, Tschechien und Ungarn – gehen damit in ihrer Haltung gegenüber Putin sehr verschiedene Wege.
Der Russland-Gegner Polen
Die politische Elite der Republik Polen teilt die deutsche Forderung nach der Aufrechterhaltung der Sanktionen. In Bezug auf die Ukraine nimmt die gesamte politische Führung und Opposition eine deutliche pro-ukrainische Haltung ein. So werden neben der Fortführung der Sanktionen auch Waffenlieferungen an die ukrainische Armee gefordert. Der Widerstand gegen Putin nimmt teilweise abstruse Formen an und entfachte bereits einen Historikerstreit: Der polnische Außenminister Gregorz Schetyna (liberal-konservative „Bürgerplattform“) war Anfang Januar der Meinung, dass Ukrainer und nicht Russen das ehemalige KZ Auschwitz befreit hätten. Dass die Rote Armee zum Großteil aus unterschiedlichen Nationalitäten bestand, wurde schlicht und einfach ignoriert.
Aus Angst, selbst Opfer der „russischen Aggressivität“ zu werden, entstehen in Polen derzeitig Freiwilligenverbände, die der Armee unterstellt sind. Deren Stärke soll bis zu 10.000 Mann umfassen. Des Weiteren ist die polnische Armee auf der Suche nach mehr Reservisten, die im Notfall zusammen mit der regulären Armee und den Freiwilligenverbänden das polnische Vaterland gegen den russischen Bären verteidigen sollen. Demzufolge wundert es niemanden, dass die politische Elite Polens den Nato-Plan einer schnellen Eingreiftruppe in Osteuropa fördert.
Nato-Manöver in Polen
Unterstützung erhält sie dabei von den drei baltischen Staaten, die die Ängste Polens vor der russischen Expansion teilen. Um ihre Zugehörigkeit zum westlichen Bündnis zu demonstrieren, fand im Oktober 2014 ein Nato-Manöver auf polnischem Gebiet mit 400 Soldaten aus 23 Staaten statt.
Die Angst vor der drohenden russischen Invasion speist sich aus der polnischen Geschichte: Bereits mehrfach wurde Polen Opfer seiner Nachbarn. Zuletzt wurde Polen bekanntlich 1939 zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt. Das angespannte politische Verhältnis zwischen Russland und Polen wird sich auch in den kommenden Monate oder Jahren nicht verbessern, sondern eher verschlechtern. Russland drohte bereits mit dem Rauswurf des polnischen Konsulats aus der Russischen Föderation.
Der Vermittler Tschechien
Die Tschechische Republik hingegen schlägt einen anderen Kurs gegenüber Russland ein. Zusammen mit der Slowakei kritisieren sie einen Teil der Sanktionen gegen die Russische Föderation. Sie bezeichnete der slowakische Ministerpräsident als „nutzlos und kontraproduktiv“ ‒ diese Haltung teilt er mit seinem tschechischen Amtskollegen. Anhaltende Sanktionen würden letztendlich die eigenen nationalen Interessen treffen und die Krise in der Ukraine verschärfen. Trotz des Widerstandes gegen den Großteil der Sanktionen hält Tschechien jedoch an der Solidarität zur Ukraine fest – beispielsweise mit Gaslieferungen oder finanziellen Hilfen. Der linksgerichtete Zeman geriet zudem aufgrund seiner pro-russischen Haltung und seiner Kritik an der ukrainischen Führung mehrfach in die Kritik der tschechischen Öffentlichkeit. Viele Medien und oppositionelle Politiker werfen ihm eine idealisierte Sichtweise auf die Russische Föderation vor.
Die tschechische Bevölkerung hingegen scheint zwiegespalten. Manche befürworten den Kurs ihrer Regierung, andere hingegen demonstrieren gegen den russischen Kurs in der Ukraine. Vielen scheint die Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 noch präsent zu sein. Denn auch sie fürchten eines Tages Opfer der russischen Politik zu werden. Das Verhältnis der Russischen Föderation zu Tschechien bleibt angespannt. Es ist jedoch noch lange nicht so belastet wie das Verhältnis zwischen Polen und Russland. Die Tschechische Regierung scheint daher an ihrem Mittelweg zwischen offener Solidarität mit Russland und Unterstützung der Nato festzuhalten.
Ungarn: Russland und China als Vorbild
Der ungarische Staat unter dem nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (Fidesz) gilt aus der Perspektive der EU seit jeher als Sorgenkind. In der Debatte um den richtigen Kurs gegenüber Putin wird Ungarn seinem eigenständigen Kurs erneut gerecht. Ebenso wie die Tschechische Republik kritisiert Orbán die verhängten Sanktionen gegen Russland. Und er geht noch einen Schritt weiter: Der ungarische Ministerpräsident fordert sogar ein Ende der russenfeindlichen Politik der EU.
Letztendlich würden die Sanktionen der EU ihren Mitgliedsstaaten selbst schaden und den Konflikt in der Ostukraine weiterhin anheizen, betont er. Des Weiteren forderte Orbán die europäischen Staaten dazu auf, den „Trennungsprozess zu Russland“ zu beenden und gemeinsam nach einer Lösung des Konfliktes zu suchen. Orbán selbst nannte in einer Rede im Sommer 2014 sein politisches Modell eine „illiberale Demokratie“ ‒ ohne liberale Dogmen und mit Russland und China als großen politischen und ökonomischen Vorbildern.
Atommeiler mit russischer Unterstützung
Während andere osteuropäische Staaten den Handel mit der Russland im Rahmen der verhängten Sanktionen boykottierten, beschlossen Ungarn und Russland im Januar 2015 den Bau von zwei Atommeilern in Ungarn. Es handelt sich um das teuerste staatliche Projekt seit Ungarns EU-Beitritt 2004. Die beiden Reaktorblöcke sollen zu 80 Prozent über einen russischen Kredit finanziert werden und knapp die Hälfte des ungarischen Strombedarfs decken. Im Februar 2015 einigten sich beide Staaten außerdem auf ein neues Gasabkommen, das den Preis in Ungarn senkt. Beiden Abkommen ging ein großer Protest der ungarischen Opposition voran. Sie befürchtete die Annäherung der beiden Staaten und solidarisierte sich demonstrativ mit der Ukraine.
Auch die ungarische Bevölkerung scheint bezüglich der russischen Politik gespalten zu sein. Ebenso wie die Tschechen fürchten auch einige von ihnen, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Es ist vor allem der von der Sowjetunion niedergeschlagene Ungarische Aufstand von 1956, der diese Ängste anheizt. Allerdings erhielt die Partei Orbáns bei der vergangenen Parlamentswahl rund 45 Prozent der Stimmen. Die meisten Ungarn können sich also offenbar mit der Innen– und Außenpolitik Orbáns und seiner postulierten „illiberalen Demokratie“ identifizieren. Das politische Verhältnis beider Staaten zueinander ist entspannt. Ungarn scheint der zur Zeit verlässlichste Partner der Russischen Föderation innerhalb Europas zu sein. Aufgrund der neuen Abkommen scheint dieser politische Kurs auch in naher Zukunft fortgeführt zu werden.
Russland lässt sich von Sanktionen nicht beeinflussen
Auch Zypern und Bulgarien schlagen einen oppositionellen Kurs zur offiziellen EU-Politik ein. Allen voran schreitet das „orbánische“ Ungarn, das sich als Speerspitze gegen die Sanktionen gegen Russland profiliert. Inzwischen kritisieren auch Spanien, Griechenland und Zypern den russlandfeindlichen Kurs der EU. Die Einheitsfront gegen Putin scheint zu bröckeln.
Das ist der richtige Weg: Ohne die Einbeziehung Russlands in den ukrainischen und europäischen Entscheidungsprozess wird niemals Ruhe in die Häuser des ukrainischen Volkes einkehren. Russland wird auf Sanktionen nicht reagieren. Allein aus Stolz würde der russische Bär so oder so weiterhin so handeln, wie er es in den letzten zwölf Monaten bereits gezeigt hat. Polen wird mit seiner scharfen Kritik den russischen Kurs nicht ändern, sondern noch verstärken. Den größten Einfluss auf Russland hat demnach Ungarn: Es betreibt weiterhin – trotz der EU-Sanktionen – intensiven Handel mit Russland und schätzt Putin als Partner, anstatt den mächtigsten Staat Osteuropas als Teil einer neuen „Achse des Bösen“ zu brandmarken. Aber auch Vermittler wie die Tschechische Republik und die Slowakei könnten die russische Politik beeinflussen. Eines bleibt dabei sicher: Europa braucht Russland und Russland braucht Europa!
00:05 Publié dans Actualité, Affaires européennes, Géopolitique | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : politique internationale, géopolitique, europe, affaires européennes, hongrie, pologne, russie, république tchèque | | del.icio.us | | Digg | Facebook
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