Junk Food macht genauso süchtig wie Heroin
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F. William ENGDAHL
Bevor Sie das nächste Mal der Quengelei ihrer Kinder nachgeben, zu MacDonalds, KFC oder einem der zahllosen anderen »Junk-Food«-Restaurants zu fahren, um dort den Lieblings-Cheeseburger mit Pommes zu verdrücken und das Ganze mit einer Diät-Cola herunterzuspülen, sollten Sie lieber erst diesen Artikel lesen. Neue Studien aus Amerika, dem Kernland des Junk Food, belegen nämlich, dass Inhaltsstoffe, die den meisten Fast Foods zugesetzt werden, um sie »lecker« zu machen, genauso süchtig machen wie Heroin oder Kokain.
Neue wissenschaftliche Studien belegen, dass der Fett-, Salz- und Zuckerrausch von Fast Food auf das Gehirn genauso wirkt wie harte Drogen. Als Reaktion auf diese Studienergebnisse fordern Verbrauchergruppen in den USA bereits, auf der Verpackung solchen Essens einen Warnhinweis wie bei Zigaretten anzubringen: »Warnung: dieses Essen könnte ihrer Gesundheit schaden«.
In der britischen Zeitschrift New Scientist wurden jetzt die Ergebnisse einer amerikanischen Studie veröffentlicht, die bestätigt, was viele seit Langem vermutet hatten: dass nämlich das Junk Food durch bestimmte Inhaltsstoffe oder Chemikalien tatsächlich süchtig macht. In der Zeitschrift wird berichtet, dass sich bei Ratten, die mit Sirup gefüttert wurden, im Gehirn und im Verhalten ähnliche Veränderungen zeigten wie bei Nagetieren, die morphiumabhängig waren. Es wird auch beschrieben, dass Ratten, die unbegrenzte Mengen Speck, Wurst, Zuckerguss und Schokolade fressen durften, »höchst auffällige« Veränderungen des Gehirns aufwiesen, ähnlich wie bei denen, die Kokain und Heroin bekamen. Das Beunruhigendste war, dass sie sich nicht einmal durch Elektroschocks von ihrem »Fix« Junk Food abhalten ließen.
Wie die Studie ergab, wird bei Menschen, denen Bilder ihrer Lieblingsgerichte gezeigt werden, in dem u.a. für Willensentscheidungen zuständigen Gehirnareal, dem Cortex frontalis, der Dopaminspiegel sprunghaft steigt. Dasselbe Areal wird aktiviert, wenn man Kokainsüchtigen einen Beutel mit weißem Puder zeigt. Im New Scientist heißt es: »Es gibt jetzt zwingende Beweise dafür, dass stark zucker-, fett- und salzhaltige Lebensmittel – wie das meiste Junk Food – die Chemie des Gehirns ähnlich verändern wie süchtig machende Drogen, beispielsweise Kokain und Heroin.«
Neurowissenschaftler der University of Florida und der Princeton University untersuchen mittlerweise, ob es biologische Beweise für die Theorie der Junk-Food-Abhängigkeit gibt. Ihre Ergebnisse sind für die Lebensmittelindustrie, vorsichtig ausgedrückt, alarmierend.
Gefährlich ist die Fruktose, nicht die Saccharose
Zucker ist ein wichtiger Inhaltsstoff aller Junk Foods, also setzte man Ratten neben normalem Futter und Wasser zwölf Stunden am Tag Zuckersirup vor, und zwar stark fruktosehaltigen Maissirup, wie man ihn in den meisten Cola-Getränken findet. Schon nach einem Monat dieser Ernährung zeigten sich bei den Ratten Veränderungen im Verhalten und im Gehirn, die chemisch identisch waren mit denen von morphiumsüchtigen Ratten. Die Ratten verschlangen den Sirup und zeigten Angstreaktionen, wenn er weggenommen wurde – Anzeichen einer Entzugsreaktion.
Entscheidend war, wie die Forscher feststellten, dass im Gehirn der Ratten jedes Mal, wenn sie die Zuckerlösung verschlangen, der Neurotransmitter Dopamin freigesetzt wurde, auch dann noch, wenn sie diese schon wochenlang bekommen hatten. Das ist nicht normal. Dopamin regt das Verlangen nach Genuss an, nach Essen genauso wie nach Drogen. »Das ist eines der Kennzeichen für Drogenabhängigkeit«, so die Forscher. Es war der erste handfeste Beweis einer biologischen Grundlage der Zuckerabhängigkeit.
Nun zeigen aber nicht nur Studien an Ratten, sondern auch neue Studien an Menschen, dass die »Liebe« zum Junk Food genauso eine echte Sucht ist wie die nach Heroin oder Kokain.
Sucht wird als das Abstumpfen der »Belohnungsschaltkreise« (reward circuits) beschrieben, das durch den übermäßigen Gebrauch bestimmter Drogen ausgelöst wird. Genau das geschieht im Gehirn fettsüchtiger Menschen, so Gene-Jack Wang, Vorsitzender der medizinischen Abteilung des Brookhaven National Laboratory in New York. Wang trug eine schockierende Entdeckung vor: auch wenn Nicht-Fettsüchtigen ihre Lieblingsgerichte gezeigt werden, kommt es in einem Areal ihres Gehirns zur verstärkten Dopamin-Ausschüttung. Dasselbe Areal wird aktiviert, wenn man Kokainsüchtigen einen Beutel mit weißem Pulver zeigt.
Bei einer anderen Studie in den USA wurden drei Gruppen von Ratten untersucht. Die erste war die Kontrollgruppe, die nur normales Rattenfutter erhielt. Die zweite Gruppe durfte Junk Food essen – Speck, Wurst, Zuckerguss und Schokolade – jedoch täglich nur eine Stunde lang, in der übrigen Zeit standen normales Rattenfutter und Wasser bereit. Der dritten Gruppe wurde rund um die Uhr die freie Wahl von Junk Food und Rattenfutter geboten, und zwar »all-you-can-eat« – so viel sie fressen konnten. Nach 40 Tagen wurde in der zweiten und dritten Gruppe das Junk Food weggelassen. Ratten, die unbegrenzt Junk Food gefressen hatten, gingen in den Hungerstreik, gerade so, als ob ihnen das gesunde Futter zuwider geworden wäre.
Bei den fettsüchtigen Ratten, die Junk Food in unbegrenzter Menge fressen konnten, waren die Belohnungssysteme abgestumpft, sie wurden zu zwanghaften Fressern. Sie nahmen sogar Elektroschocks hin, die an ihr Fressen gekoppelt waren und sie davon abhalten sollten, Junk Food zu fressen, während es beim Rattenfutter keine Schocks gab. Kokainabhängige Ratten verhalten sich gegenüber ihrer Droge ganz genauso. Ist es nicht langsam Zeit, strenge Auflagen für solches »Fast Food« zu entwickeln, wie bei den Drogen?
Princeton-Studie über stark fruktosehaltigen Maissirup
Eine Forscherteam der Princeton University hat nachgewiesen, dass Ratten, die stark fruktosehaltigen Maissirup erhielten, deutlich mehr Gewicht zulegten als die, die normalen Zucker vorgesetzt bekamen, auch wenn die Gesamtkalorienaufnahme bei beiden gleich war. Der langfristige Verzehr von stark fruktosehaltigem Maissirup führte zu abnormer Zunahme des Körperfetts, besonders im Bauchbereich, und zu einem Anstieg bestimmter Blutfette, der so genannten Triglyceride. In den USA sprechen viele angesichts des Phänomens der Fettleibigkeit inzwischen von einer »Epidemie«.
Die Princeton-Studie ergab, dass Ratten auch dann fettleibig wurden, wenn sie stark fruktosehaltigen Maissirup in weit geringeren Mengen tranken, als in Cola-Getränken enthalten ist, und zwar »alle, ohne Ausnahme. Selbst wenn Ratten mit einer sehr fetthaltigen Kost gefüttert werden, sieht man so etwas nicht, dann nehmen sie nicht alle an Gewicht zu«, erklärte Prof. Bart Hoebel vom Forscherteam.
Sowohl stark fruktosehaltiger Maissirup als auch Saccharose enthalten die einfachen Zucker Fruktose und Glukose, aber es gibt zwei deutliche Unterschiede. Erstens: Saccharose enthält gleiche Anteile der beiden einfachen Zucker – 50 Prozent Fruktose und 50 Prozent Glukose. Der normale stark fruktosehaltige Maissirup enthält 55 Prozent Fruktose und 42 Prozent Glukose. Größere Zuckermoleküle, höhere Saccharide genannt, machen die restlichen drei Prozent in diesem Süßungsmittel aus. Zweitens: infolge des Herstellungsprozesses des stark fruktosehaltigen Maissirups, sind die Fruktose-Moleküle in dem Süßungsmittel nicht gebunden, das heißt, sie werden sofort aufgenommen. Dagegen sind die Fruktose-Moleküle in der Saccharose – aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben – mit einem korrespondierendes Glukose-Molekül verknüpft und müssen einen besonderen Stoffwechselschritt durchlaufen, bevor sie genutzt werden können.
Die Ratten in der Princeton-Studie wurden fettleibig, wenn sie fruktosehaltigen Maissirup tranken, bei Saccharose aber nicht. In den USA hat die Lebensmittelindustrie in den 1970er Jahren damit begonnen, ihren Produkten fruktosehaltigen Maissirup als kostengünstiges Süßungsmittel zuzusetzen. Seitdem ist nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC die Häufigkeit von Fettleibigkeit in den USA sprunghaft gestiegen. Waren 1970 nur etwa 15 Prozent der Amerikaner fettleibig, so seien es laut CDC heute fast ein Drittel. Stark fruktosehaltiger Maissirup (HFCS) findet sich in den USA heute überall in Lebensmitteln und Getränken, auch als Zusatzstoff in Pizzas, gebackenen Bohnen, Bonbons, Hefebroten, gesüßtem Joghurt, Babynahrung, Ketchup, Mayonnaise, Plätzchen, Bier, Limonaden, Säften und Fertiggerichten. Im Durchschnitt konsumiert jeder Amerikaner 60 Pfund fruktosehaltige Süßungsmittel pro Jahr.
Die Lobby für den stark fruktosehaltigen Maissirup in den USA ist die Corn Refiners Association. Zu deren Mitgliedern gehören die mächtigsten Unternehmen des Agrobusiness wie Cargill und Archer Daniels Midland (ADM) sowie Tate & Lyle. Ihr Einfluss auf die Ernährungspolitik der US-Regierung hat sich als enorm erwiesen, wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass bislang so wenig unternommen wird, dem ständig wachsenden Gebrauch von Fruktose in Lebensmitteln Einhalt zu gebieten.
Als nächstes werden die Forscher in Princeton untersuchen, wie Ratten auf den Verzehr stark fruktosehaltigen Maissirups zusammen mit einer sehr fetthaltigen Ernährung reagieren – eine typische Fast-Food-Mahlzeit von Hamburger, Pommes und Limo – und testen, ob ein übermäßiger Verzehr von fruktosehaltigem Maissirup zu den typischen Krankheiten führt, die mit der Fettleibigkeit einhergehen. In einem weiteren Schritt soll untersucht werden, wie Fruktose die Gehirnfunktion bei der Kontrolle des Appetits beeinflusst. Höchst beunruhigend ist allerdings, dass es 40 Jahre gedauert hat, bis endlich eine derart wichtige Forschung in Gang gekommen ist, ein Beweis für die Macht der Lobby der Fast-Food-Industrie.
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