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mardi, 21 décembre 2010

Der Monismus und Bruno Wille

Der Monismus und Bruno Wille


von Erik Lehnert (Friedrichshagen)

Ex: http://www;friedrichshagener-dichterkreis.de/

Monismus%2.jpgMan muß es so hart sagen: Bruno Wille war weder ein originärer Denker noch ein Philosoph. Damit könnten seine Veröffentlichungen beiseite gelegt und die Person den Lokalhistorikern überlassen werden. Aber die Beschäftigung mit dem Denken Willes ist trotz alledem aufschlußreich. Was seine Schriften erinnernswert macht, ist die Tatsache, daß sie an den weltanschaulichen Auseinandersetzungen der Zeit teilgenommen und so den Zeitgeist gleichzeitig reflektiert, mitgeformt und bekämpft haben. Dabei war Wille Teil einer zeitbedingten Denkströmung, die sich, trotz "fortschrittlicher" Gesinnung, dem Materialismus der Zeit entgegenstellte, wenn auch oft mit zweifelhaften Positionen und Erfolgen. Wille läßt sich aber in einen ewigen Zusammenhang der Philosophie bringen. Er gehört, wenn auch lediglich rezipierend, zu den Bemühungen um eine einheitliche Weltanschauung, die das Denken von Anfang an begleiteten.

Der Monismus ist eines von jenen Schlagwörtern, denen keine eindeutige Definition mehr zukommt, die im Laufe ihrer Begriffsgeschichte manigfaltige Umdeutungen ertragen haben, die sie heute nicht mehr ohne weiteres anwendbar machen. Das griechische "monon", das Eine, ist die Wurzel des Monismus, das durch die Erweiterung zu einem "Ismus" den Charakter einer Lehre von der Einheit bekommt. Bei vielen "primitiven Kulturen" ist die Wahrnehmung monistisch: die Welt ist von Kräften regiert, denen alles unterworfen ist. Auch der Brahmanismus und der Taoismus sind von einem metaphysischen Monismus bestimmt. Das philosophische Ringen um eine solche Weltanschauung ist als Gegenstück und Ergänzung zum Dualismus ebenso alt wie die Philosophie selbst, der Begriff hingegen ist ein Kind der Aufklärung. Beide kommen menschlichen Grundbedürfnissen nach: Der Leib/Seele und Gott/Welt Dualismus ist die Folge des menschlichen Erwachsens aus seinem unbewußten Einssein mit Gott und der Welt (Sokrates). Seit dieser Erkenntnis ist das Gebot und Bestreben in der Welt, hinter der Vielheit die Einheit zu erkennnen (Platon). Der Monismus trägt der Tatsache Rechnung, daß das im Dualismus getrennte von einem einheitlichen verbindenden Prinzip regiert wird, das überhaupt erst die Wahrnehmung der Gegensätze begründet. "Der Dualismus ist eine psychologische Tatsache, aber der Monismus ist sein zureichender Grund. Der Dualismus ist nach alledem nur das vorletzte, der Monismus aber ist das letzte Wort der Philosophie." (Ludwig Stein) Der Begriff "Monismus" ist nicht zuletzt deshalb so belastet, weil seine erste Verwendung (in der Schulphilosophie Chr. Wolffs) in ablehnender Form erfolgte. Monisten sind danach Anhänger der Lehre, die besagt, daß nur eine Grundsubstanz, beispielsweise die Materie, existiert und die restlichen Erscheinungen bedingt. Als Monismus werden deshalb vereinfachend so unterschiedliche Anschauungen wie Materialismus und Idealismus bezeichnet, da beide die Welt aus einem Prinzip erklären. Eine weitere Abwertung erfuhr der philosophische Begriff durch die Verwendung bei Ernst Häckel, der ihn zu einem einseitigen Kampfbegriff popularisierte, um seine diesseitige, materialistisch-naturwissenschaftliche Weltanschauung zu verbreiten. Im "Deutschen Monistenbund" versammelten sich diejenigen, die die Materie oder die Energie (bzw. die Kraft) als die eine grundlegende Substanz ansahen. Seitdem ist der Begriff nicht mehr ohne umständliche Erläuterungen zu gebrauchen. Aber er zeigt beispielhaft ein menschliches Grundbedürfnis: die Gegensätze durch einen oftmals fragwürdigen, und nur selten "goldenen" Mittelweg zu überwinden. Insbesondere über die Problemlage der Jahrhundertwende im weitesten Sinne kann er uns Auskunft geben. Es gab ja nicht nur den Häckelschen Monismus, d.h. den wissenschaftlichen Materialismus. Der Begriff wurde in zahlreichen Ausdeutungen und Neudefinitionen zum Gegenstand des denkerischen Diskurses des Kaiserreichs. Es erschienen unzählige Bücher zum Thema: von Rosenthal "Die monistische Philosophie" (1880) bis Seidel "Das Wesen des Monismus" (1920). Einen Höhepunkt an wissenschaftlicher Intensität wie auch übler Polemik erlebte die Diskussion allerdings erst, nachdem Häckel den Begriff für sich entdeckt hatte - nun wurde die Geschichte des Monismus erforscht und seine zeitgenössischen Vertreter zu Wort gebeten, so daß sich scheinbar mehr als 16 verschiedene Arten des Monismus unterscheiden ließen. In der 1892 erstmals veröffentlichten und bis 1929 in 42 Auflagen verbreiteten "Einleitung in die Philosophie" von dem Berliner Philosophie-Professor Friedrich Paulsen heißt es: "Die Anschauung, der nach meiner Ansicht die Entwicklung des philosophischen Denkens zustrebt, die Richtung, in der die Wahrheit liegt, bezeichne ich mit dem Namen des idealistischen Monismus." Dieser soll die religiöse Weltanschauung (supranaturalistischen Dualismus) und die wissenschaftliche Naturerklärung (atomistischer Materialismus) einander verträglich machen.

Diesem Bemühen hat sich auch Bruno Wille angeschlossen, der dieses Modewort wohl zunächst, durch seinen Freund Bölsche vermittelt, von Häckel übernahm, es aber anders verwendete. Zuvor jedoch promovierte sich Wille nach einem Studium der Philosophie und Theologie 1888 über den "Phänomenalismus des Thomas Hobbes", einer besseren Hauptseminararbeit, und war seitdem als freier Schriftsteller tätig, dessen lyrisches und belletristisches Schaffen nicht ohne Grund vergessen ist. Sein organisatorisches Talent auf kulturellem und sozialpolitischem Gebiet ist hingegen unbestritten. Philosophie im akademischen Sinne hat Wille nicht betrieben, ihm ging es um Moral und Ethik, um eine Weltanschauung für den Menschen des Fortschrittzeitalters. Die Ansichten und Themen Willes variieren deshalb im Laufe seiner Publikationstätigkeit nur wenig. Die Situation seiner Zeit hatte Wille, wie im Grunde auch Häckel (dessen Schluß allerdings darin bestand, den Glauben an etwas Transzendentes ganz abzulehnen), erkannt: die Fortschritte auf dem Gebiet der Naturwissenschaften machten die christliche Religion scheinbar überflüssig, die Religion durfte keine eigene Geltungsebene mehr beanspruchen - es schien, als könne der Mensch sich selbst erlösen. Damit ging ein geistig-moralischer Verfall einher, die christliche Religion wurde als Heuchelei um der Konventionen Willen aufrechterhalten: man gab vor, an Erlösung und die zehn Gebote zu glauben und fand (und findet) doch im täglichen Leben genügend spitzfindige Ausreden. Die Religion befand sich also im Umbruch. Die Kirche konnte den Kampf gegen diesen Atheismus in den Augen der sozialreformerisch orientierten Vordenker nicht wirkungsvoll genug führen, so daß sich eine außerkirchliche Religiösität organisierte, zu der sich auch Wille zählte. Seine Beschäftigung mit religiösen Themen fand u.a. Ausdruck in seiner Tätigkeit als Lehrer und Sprecher der freireligiösen Gemeinde in Berlin. (Da wundert es einen auch nicht mehr, daß Wille Bruder der Loge "Zur aufgehenden Sonne" und Haupt einer "Allgemeinde" war.) Der theoretische Schluß aus der aktuellen Situation heraus war für Wille, da eine Ethik/Moral naturalistisch schwer zu begründen ist, vor allem die christliche Religion ihrer Besonderheit, der Erlöser und Herr Jesus Christus, zu berauben, um so einen vernüftigen Glauben zu erhalten: eine für jedermann verständliche Universalreligion, die die scheinbaren Unterschiede der Religionen überwindet und so das Menschengeschlecht beglückt. Vorbild hierfür ist indirekt der "Positivistische Katechismus" Auguste Comtes aus dem Jahre 1852 (und natürlich der Kult des "Höchsten Wesens" in der französischen Revolution). In Anlehnung an D.F. Strauß erklärt Wille die Evangelienberichte über Jesus zu Mythendichtungen. Jesus ist nur noch ein Gleichnis für das sittliche Streben des Menschen. In der monistischen Neulektüre der Bibel wird das Christentum zur Tradition, christliche Rituale und Symbole zu allgemein-menschheitlichen Mythen und Ideen. Auch aus der deutschen Mystik, insbesondere von Jakob Böhme, nimmt Wille das Material für seine Bemühungen. Man fühlt sich dabei zuweilen an die moderne Esoterik erinnert, die Mystik als eine esoterische Disziplin versteht, und dabei vergißt, daß das Ablegen der Selbstvergottung, durch das der Mensch erst in der Lage ist, Gott zu erkennen, das Wesen der Mystik ist ("Cogitor, ergo sum." Ich werde -von Gott- erkannt, deshalb bin ich. Franz v. Baader), und nicht eine Selbsterkenntnis oder ein sich Gehenlassen und "Einsfühlen" mit den Elementen. (Auch nicht "Teetrinken", wie es in unserem letzten Heft hieß.) Jesus hatte gesagt: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." (Joh 8,32) In der "Philosophie der Befreiung durch das reine Mittel", Willes Auseinandersetzung mit Nietzsche und Stirner, heißt es programmatisch: "ein Jeder erarbeite mit Eifer seine eigene Erlösung". Der Übermensch Nietzsches wird zum freien Vernunftmenschen und Stirners Solipsismus hält Wille die "Menschheit" als moralische Kategorie entgegen. Eine merkwürdige Nähe Willes zu den nordamerikanischen "pragmatischen Idealisten" Emerson und Trine, bei denen insbesondere letztgenannter den Pantheismus als Universalreligion zur Selbsterlösung des Menschen predigte, zeichnet sich dort ab. Mit der Feststellung, daß "unsere Erlösung durch den Stellvertreter ... eigentlich unsere Selbsterlösung, wenn diese auch durch Christus bedingt wird" bedeute, kann Wille seine Nähe zum Buddhismus, der ja keine Erlösung in unserem christlichen Sinne kennt, nicht verleugnen. Ebenso ist Willes Abneigung gegen die Geheimlehre Helena Blavatskys, nur aus seiner unbewußten Nähe zu dieser zu verstehen. Sie propagierte eine innere Einheit der Religionen und ein monistisches Gott-Welt-Verständnis, konnte aber die Berechtigung der Naturwissenschaften nicht anerkennen. Willes Motto für seine Spielart des Monismus lautet im postum veröffentlichten Spätwerk "Der Ewige und seine Masken": "Im Ewigen verschmelzen alle Besonderheiten, Bestimmungen und Gegensätze zum Ganzen." Also eher ein Monopluralismus. Zunächst aber erhob Wille die Forderung Goethes "Materie nie ohne Geist" zum Programm, das als Selbstverständnis seiner Weltanschauung im "faustischen Monismus" gipfelt, um sich von den materialistischen Monisten zu unterscheiden, die auch Wille sehr schön als metaphysische Nihilisten entlarvt. "Faustischer Monismus" bedeutet praktisch, in Vorwegnahme der "faustischen Kultur" Spenglers, daß sich "dieser Gottmensch durch die Hingabe des männlichen Tatendranges...an das Reich der ewigen Werte" zeugt. Ein weiterer geistiger Vater, auf den sich Wille offen bezieht, ist Fechner, der als Begründer der Psychophysik, einer exakten Lehre der Abhängigkeiten zwischen Körper und Seele, den Weg für einen zumindest relativen Dualismus und damit relativen Monismus ebnete. "Ich sehe keinen andern Ausweg...als die ausnahmslos psycho-physische Deutung der Natur", sagt Wille deshalb gegen Häckel und dessen Verehrer. Wille hatte erkannt: um Monist sein zu können, muß man Metaphysiker sein, der "Materialismus ist philosophische Gedankenschwäche" (O. Spann). Vorbild wird deshalb auch die Philosophie Brunos, der einen monistischen Pantheismus lehrte, aber an der Transzendenz Gottes festhielt. Der "Giordano-Bruno-Bund" (1900-1908) war das Organisationsforum der idealistischen Monisten, die, um Einigung bemüht, "Naturwissenschaft, Philosophie, Kunst und Andacht harmonisch zusammmenschließen" wollten.

Die monistisch-pantheistische Frömmigkeit die Wille uns zeigt, ist ein ästhetisch geprägter Synkretismus, der Basis für eine einheitliche Ethik sein soll. Das ist problematisch und hat sich nicht in der Lage gezeigt, den Siegeszug des Materialismus aufzuhalten. Man wollte Religion, ohne konservativ oder gar reaktionär zu sein, das war das eigentliche Dilemma. Die Beweggründe, zu solch einer Weltanschauung zu gelangen, sind edler Natur. Es ist das Bestreben, die Entfremdung zwischen Religion und Kultur zu überwinden. Dabei fällt die alte Weisheit, daß der Mensch die Rolle eines "Mitstreiters, ja Mitwirkers Gottes" (Scheler) übernehmen muß, neu auf. Die Einheit ist also noch nicht da, sie muß erst errungen werden. Hegel: "Erst das Christentum hat durch die Lehre von der Menschwerdung Gottes und von der Gegenwart des Heiligen Geistes in der gläubigen Gemeinde dem menschlichen Bewußtsein eine vollkommen freie Beziehung zum Unendlichen gegeben und dadurch die begreifende Erkenntnis des Geistes in seiner absoluten Unendlichkeit möglich gemacht. Nur eine solche Erkenntnis verdient fortan den Namen einer philosophischen Betrachtung." Kierkegaard: "1800 Jahre ist es her, daß Christus lebte, er ist also vergessen / nur seine Lehre besteht: ja das heißt, man hat das Christentum abgeschafft."

Anmerkung: Das hier aus Platzgründen nur angerissene Thema soll in einem Vortrag im "Kulturhistorischen Verein Friedrichshagen" voraussichtlich im Oktober 1999 ausführlicher besprochen werden.

00:05 Publié dans Philosophie | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : philosophie, monisme, bruno wille, libre pensée, allemagne | |  del.icio.us | | Digg! Digg |  Facebook

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