Irak: Das Ende vom Anfang
Wang Xin Long
Die amerikanischen Kampftruppen haben den Irak letzte Woche verlassen. Der militärische Teil der Befreiung des Landes ist also beendet. Der Irak ist jetzt eine Demokratie und wird im internationalen Geschehen eingebettet. Die neuen Regisseure sind wieder einmal die alten Bekannten.
Der Truppenabzug letzte Woche war das Topthema. Aber von der militärischen Komponente des Irak-Einsatzes einmal abgesehen: Was war denn dort in den letzten Jahren los? Was ist denn mit dem Land, mit seinen Organisationen, der Wirtschaft und der Bevölkerung geschehen?
Antworten auf diese Fragen bietet ein Strategiepapier, das im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums erstellt wurde und die Fortschritte in Richtung Demokratie im Irak dokumentiert. Das Thema »Massenvernichtungswaffen« war ja recht schnell vom Tisch, und so konnte man sich ohne großen Zeitverlust auf die Kernfelder des Einsatzes konzentrieren: Schaffung von »Sicherheit und Stabilität« im westlichen Sinne. Das Strategiepapier des Pentagons wirft ein Schlaglicht auf jene Prozesse, die vom Westen im Irak in Gang gesetzt wurden. Schauen wir uns die Geschehnisse anhand von drei Beispielen an: Öl, Wiederaufbau und Finanzsystem.
Es wird sicherlich nicht verwundern, dass ein ganz besonderes Augenmerk auf die Sicherung und Verwaltung der Ölvorkommen gerichtet wurde. Auch wenn die Kampftruppen gehen, eines ihrer Vermächtnisse ist ein riesiger Polizeiapparat, den sie geschaffen und in den Schutz rund um die Ölindustrie gestellt haben: die Ölpolizei (Oil Police) ist verantwortlich für den Schutz der Ölinfrastruktur, einschließlich der Ölfelder, Pipelines, Raffinerien, Transporte und Verkaufsstellen. Insgesamt stehen 47 Bataillone mit rund 30.000 Polizisten bereit, um das irakische Öl zu schützen. Weitere 10.000 Polizisten sollen eingestellt werden, da die Ölproduktion in den nächsten Jahren projektgesteuert stetig ansteigen wird. Die neue demokratische Regierung hat die Verhandlungen mit den internationalen Ölgesellschaften bereits aufgenommen, der Ausverkauf der irakischen Ölvorkommen ist also sichergestellt. Die Ausbeute wird im Pentagon-Bericht ausführlich analysiert und dokumentiert.
Ein weiterer Prozess findet sich in den vielen Reformen, die von den USA initiiert und vorangetrieben werden. Die irakische Regierung als solche ist noch nicht komplett in der politischen Architektur der Amerikaner angekommen und bekommt derzeit den nötigen Feinschliff. Unterstützend ist hier die amerikanische Agentur für internationale Entwicklung USAID (United States Agency for International Development) tätig. Die Behörde koordiniert – gemeinsam mit vielen im Irak befindlichen NGOs – den Reformprozess quer durch alle Regierungsstellen, einschließlich der Ministerien. Die Tätigkeiten von USAID konzentrieren sich auch auf das Vertrags- und Einkaufsmanagement der irakischen Behörden. Für ein im Wiederaufbau befindliches Land ist es eine wichtige Schlüsselfunktion, wenn man über die Vergabe der öffentlichen Ausschreibungen entscheiden kann. Selbstverständlich leistet die US-Behörde auch Unterstützung bei Gesetzesentwürfen, damit der Irak auf außenpolitischer Bühne seiner Rolle gerecht werden kann.
Darüber hinaus spielt auch die irakische Volkswirtschaft eine eigene zentrale Rolle in den amerikanischen Bemühungen. So wurde das gesamte Geld- und Bankenwesen unter die Verwaltung von US-Behörden und der Weltbank gestellt; die beiden größten privaten Banken des Landes werden derzeit von o.g. Institutionen restrukturiert. Bei diesem Prozess spielt der internationale Währungsfond IMF eine wichtige Rolle, der zusammen mit der irakischen Landesbank an der Einbettung des Landes in das internationale Finanzsystem arbeitet.
Insgesamt kann die Koalition der Willigen mit den Ergebnissen im Irak zufrieden sein. Die Ölproduktion läuft nach Plan, die Bauvorhaben spülen üppige Gelder in die Kassen der internationalen Gesellschaften, und der irakische Dinar ist Teil des internationalen Kapital- und Zinssystems geworden, mit Wechselkursbindung an den US-Dollar.
Der Irak ist militärisch, politisch und wirtschaftlich abgewickelt, der Westen kann sich nun der nächsten Herausforderung zuwenden.
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