Die globale Jagdsaison wurde mit der Abschuß-Freigabe eines exotischen Zweibeiners aus dem fernen Australien bereichert. Unzählige Kopfjäger sind mittlerweile auf der Pirsch um Julian Assange zu erlegen. So viel Jagdlust wegen herrscht in den meisten Medien, anders als wenn einem Asylbetrüger ein nicht verbrieftes Recht verweigert wird, erstaunlich wenig Empörung, aber umso mehr Vorverurteilung. Und nebenbei Aufregung darüber, daß Assange den Rücktritt der US-Außenministerin verlange. Das sei „Größenwahn“, diagnostiziert ein heimisches Blatt, das selbst schon einmal den einen oder anderen Ministerrücktritt gefordert hat.
Frau Clinton zeigt sich übrigens besorgt, der USA Bemühen „um eine bessere Welt“ könnte durch Wikileaks unterminiert werden.. Oh, mein Gott! Aber sie mag unbesorgt sein, Washington kann sich auf seine Freunde in Europa schon noch verlassen. Selbst Österreichs Außenminister wird ihr kaltes Pfötchen zu wärmen wissen. Auch wenn es umgekehrt nicht ganz so warm zurückkommt.
„Wer wird uns noch vertrauen“ fragt also besorgt der neokonservative Falke Charles Krauthammer in der „Washington Post“, um dann auszuführen, daß dieser Assange doch weit gefährlicher sei, als etwa jene deutschen Saboteure, die unter Roosevelt exekutiert wurden. So viel Anerkennung wird der Australier , dem eine gewiße Eitelkeit nachgesagt wird, vielleicht gar nicht erwartet haben.
Doch nicht wegen der freigegebenen Dokumente, die in vielen Fällen die zwischenstaatlichen Beziehungen beeinträchtigen – wie im Fall Jemen, wo dessen Präsident beklagt, daß die US-Boys und nicht die eigene Flugzeuge Al Qaida-Stellungen bombardieren dürfen – sondern wegen eines angeblichen Sexualdeliktes wird der Wikileaks-Gründer von der schwedischen Justiz per internationalem Haftbefehl verfolgt. Doch noch ehe überhaupt ein Gramm der Vorwürfe, er habe zwei Frauen sexuell belästigt und vergewaltigt, Beweiskraft erlangt hat, wird die betreffende Anklage von unseren Medien genüßlich ausgebreitet.
Interessant an der Sache ist allerdings, daß er gleich zwei Frauen auf einmal vergewaltigt haben soll, und dieselben keineswegs an Demenz leidenden Damen eine ganze Woche gebraucht haben, um den Weg zur Polizei zu finden. Ob ihnen da nicht doch irgendein internationaler Pfadfinder behilflich gewesen ist? Bei einem 80 Milliarden Dollar-Hilflosenzuschuß an die US-Geheimdienste, muß sich doch ein geeigneter Lotse finanzieren lassen können.
Nun, unabhängig davon, wie groß der Schaden für das Ansehen Amerikas und dessen „Verteidigungsanstrengungen“ nun wirklich ist und unabhängig davon, ob an der Vergewaltigungs-Sache etwas daran ist, ergeben sich doch einige interessante Einblicke und Aussichten. Da wäre die von mir bereits in einem anderen Kommentar angeführte unerfreuliche Entwicklung hin zum gläsernen Bürger. Diesbezüglich hat man nämlich von Seiten der auf ihre eigene Freiheit eingeschworenen Obrigkeit absolut keine Bedenken. Jetzt aber, wo Regierungen oder deren Diplomaten ins Rampenlicht gezerrt werden, ist plötzlich Feuer am Dach. Gilt etwa nur mehr das Motto, der Einzelne ist nichts, der Machtapparat ist alles?
Die Eile, mit der der „selbsternannte Ober-Gutmensch“ („Krone“) gefangen werden soll, hat möglicherweise nicht nur damit zu tun, daß weitere Dokumente folgen könnten. Ohne Zweifel wird man sich auch Gedanken darüber gemacht haben: Sein Fall und die außerordentliche Publizität könnten irgendwann gefährliche Nachahmer auf den Plan rufen. Potentielle neue Aktenüberbringer bzw. Spione werden ja trotz neuer Sicherheitsmaßnahmen nicht zu verhindern sein. Märtyrer für eine „gerechte Sache“ müssen dann nicht unbedingt nur mehr aus dem islamistischen Lager kommen.
Zum Schluß noch ein kleiner Leckerbissen: Aus den Dokumenten der US-Botschaft in Algier geht hervor, daß der CIA-Vertreter in der algerischen Hauptstadt zwei algerische Frauen vergewaltigt haben soll. Wird dieser jetzt auch mit einem internationalem Haftbefehl gesucht?
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