Byzanz dürfte 660 v. Chr. durch griechische Dorier als Byzantion gegründet worden sein. Der römische Kaiser Konstantin liess nach sechs Jahren Bau über dem ursprünglichen Byzantion seine Stadt am 11. Mai 330 n.Chr., die später als Konstantinopel seinen Namen erhielt, als Hauptstadt des römischen Reichs konsekrieren. Zu diesem Zeitpunkt war der Kaiser 58 Jahre alt. Konstantin hatte eine neue Metropolis an der Meeresenge, die Asien von Europa trennt, errichten lassen. Nach der Aufteilung des Römischen Reiches 395 n.Chr. wurde die Stadt zur Hauptstadt des oströmischen Reiches. Später wurde dieses Teilreich als byzantinisches Reich bezeichnet.[1] Obwohl ab dem 7. Jahrhundert in Byzanz das Griechische das Latein als Hof- und Verwaltungssprache immer mehr verdrängte, bezeichneten sich die Bewohner der Stadt bis zu ihrer Eroberung durch die Osmanen 1453 immer noch als Römer (Rhomäer).
Immer wieder wurde Konstantinopel während Jahrhunderten durch fremde Völker belagert. Nur zweimal gelang eine Eroberung der Stadt. Die ersten, die eine Eroberung dieser geostrategischen Drehscheibe versuchten, waren die Goten 378 n. Chr.[2]. Es folgte 626 die Belagerung von Konstantinopel durch den Sassaniden Chosro II., dem Herrscher über das neupersische Reich.[3]. Als Folge dieses «letzten grossen Krieges der Antike» waren am Ende beide Reiche ausgeblutet. 636 konnten die arabischen Heere nach der Schlacht von Yarmuk Syrien erobern.[4] 640 folgte die arabische Eroberung von Ägypten und 647 von Nordafrika.[5] Byzanz konnte noch Anatolien, sowie Gebiete auf dem Balkan und in Italien bewahren. 674-78 belagerten die Araber zum ersten Mal Konstantinopel. Durch den Einsatz des griechischen Feuerswurden die arabischen Seestreitkräfte vernichtet.[6] Zu dieser Zeit war das Sassanidenreich bereits durch die Arabererobert worden. 717 folgte die zweite Belagerung Konstantinopels durch die Araber. Wiederum wurde das griechische Feuer eingesetzt. Die Provinzarmeen der Themen waren bei der Abwehr der Araber sehr erfolgreich.[7] Nach dem Sturz der Dynastie der Omayyaden 750 war das Reich durch Angriffe der Araber nicht mehr gefährdet.[8]
Nach der Schlacht von Mantzikert, 1071, verlor Byzanz beinahe ganz Anatolien an die türkischen Seldschuken.[9]Gleichzeitig wurde das Reich durch normannische Abenteurer aus Sizilien und Italien verdrängt. Diese eroberten unter ihrem Anführer Robert Guiscard 1081 auch Illyrien. Nach verlustreichen Kämpfen mussten sich die Normannen unter dem Sohn von Guiscard, Bohemund, nach Italien zurückziehen. Als das Ritterheer des ersten Kreuzzuges 1096 in Byzanz eintraf, war einer der Anführer der Kreuzfahrer der Normanne Bohemund.[10] Sehr bald kam es zu Spannungen zwischen den Kreuzfahrern und Byzanz. 1204 hetzte Venedig, ein früherer Alliierte von Byzanz, die Teilnehmer am vierten Kreuzzug gegen Konstantinopel auf. Im April dieses Jahres wurde die grösste Stadt der Christenheit nach ihrer Eroberung durch die Kreuzfahrer während drei Tagen geplündert und gebrandschatzt.[11] Venedig und seine Alliierten gründeten das kurzlebige Lateinische Kaiserreich. Gleichzeitig entstanden drei byzantinische Nachfolgestaaten, die den Kreuzfahrern Widerstand leisteten.
1261 konnte Michael VIII. Palaiologos (1259-82), Herrscher über das byzantinische Nachfolgereich Nikäa, Konstantinopel zurückerobern.[12] Seine Dynastie konnte während zwei Jahrhunderten über ein Reich herrschen, zu dem Griechenland, Teile von Kleinasien und des Balkans gehörten.[13] Durch dieses kleine Territorium konnten aber nicht genügend Ressourcen für den Unterhalt einer wirkungsvollen Streitmacht generiert werden. Der Sieg von Timur in der Schlacht von Ankara von 1402 verhalf Konstantinopel zu einer Atempause. Schlussendlich eroberte der osmanische Sultan Mehmet II. (1444-46/1451-81) am 29. Mai 1453 dank seinen genuesischen Geschützen und seiner Übermacht von 80’000 Muslimen gegenüber den 7’000 Verteidigern die Stadt. Während 1’000 Jahren hatte Byzanz eine hohe militärische Professionalität bewiesen[14] und während Jahrhunderten Europa vor einer islamischen Eroberung geschützt und bewahrt. Als Dank dafür wurde das Reich der Rhomäer in seinem Abwehrkampf gegen die Osmanen am Ende durch das christliche Abendland im Stich gelassen.
Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte von Byzanz war die Taufe des Grossfürsten von Kiew, Wladimir I. der Grosse (980-1015), Nachkomme des Waräger Rjurik (als Rus bezeichnet) 987 nach dem orthodoxen Ritus.[15] Ein Grund für diese Taufe war die Hilfe von Wladimir bei der Rekrutierung von Skandinaviern für die Waräger-Garde des byzantinischen Kaisers. Diese Taufe wurde durch den Vertrag von 1046 und die Heiraten zwischen den beiden Herrschaftshäusern besiegelt.[16] Nachdem die Rus früher mehrmals versucht hatten Byzanz zu erobern, wurden die Beziehungen zwischen den beiden Reichen immer freundschaftlicher. Die heutigen Gebiete von Russland, Serbien, die Ukraine, Belarus, Rumänien und Bulgarien übernahmen Tradition, Kultur und den orthodoxen Glauben von Byzanz.[17]
Nach dem Fall von Konstantinopel bezeichnete der russische Mönch Filofei (Filotheos) in einer Schrift an die russischen Grossfürsten Moskau als das dritte Rom.[18] Im ersten Rom würden Häretiker herrschen und das zweite Rom, Konstantinopel, sei durch die Ungläubigen erobert worden. Dieses Konzept übernahm der Herrscher über Moskau, Grossfürst Ivan IV. (1534-1584). Ivan IV. liess sich 1547 als Nachfolger der byzantinischen Kaiser zum Zar krönen.[19] Die Legimitation dazu konnte er auch mit seinem Grossvater, Ivan III. (1462-1505), begründen, der mit Zoë Palaiologos, Nichte des letzten byzantinischen Kaisers, verheiratet gewesen war.[20] Ivan IV. war nun der einzige freie orthodoxe Herrscher. Seine Religion bestimmte die Kreuzzüge Russlands gegen das katholische Königreich Polen-Litauen, der Feind im Westen, Schweden, das Tartaren-Kanat von Kazan und das osmanische Reich. Ziel der Kriege gegen das osmanische Reich war die Befreiung der Balkan-Völker und Konstantinopels vom türkischen Joch.[21]
Ab dem 16.Jahrhundert wurde Russland in den orthodoxen Kirchen als Erbe von Konstantinopel und der Zar von Russland als Wächter über die gesamte orthodoxe Welt anerkannt.[22] Die russische Kirche war von einer siegreichen Mission gegen die muslimischen Ungläubigen und über die katholische Gegnerschaft überzeugt.[23] Russland hatte den byzantinischen Thron zu bewahren. Von dieser Mission und dem Kreuzzug waren alle Zaren bis und mit der Romanow-Dynastie überzeugt. Die verschiedenen Kriege des russischen Imperiums gegen das osmanische Reich, die vom 18. Jahrhundert bis zum ersten Weltkrieg dauerten, belegen dies.[24] Diese Mission dürfte grundsätzlich auch die Aussenpolitik von Wladimir Putin bestimmen.
Zur Durchsetzung ihrer Interessen in Syrien verfolgen Russland und die Türkei seit 2017 eine Art «Allianz». Syrien soll durch diese gemeinsame «Allianz», zusammen mit der Islamischen Republik Iran, befriedet werden. Wladimir Putin dürfte dabei auch das Ziel verfolgen, die Türkei aus dem westlichen Bündnis NATO herauszubrechen. Der türkische Machthaber Erdogan dürfte seinem Machtstreben im Mittleren Osten frönen und von der Wiedererrichtung des osmanischen Reichs träumen. Auf dem Hintergrund der während Jahrhunderten verfolgten russischen Machtansprüche und der Kriege gegen die Osmanen erscheint diese «Allianz» als widernatürlich. Das Endziel von Russland könnte nach wie vor die «Befreiung» von Konstantinopel von den muslimischen Ungläubigen sein.
[1] Decker, M.J., The Byzantine Art of War, Westholme Publishing, Yardley, Pennsylvania, 2013, P,1.
[2] Decker, M.J., P. 13.
[3] Decker, M.J., P. 15-18.
[4] Decker, M.J., P. 21.
[5] Decker, M.J., P. 21.
[6] Decker, M.J., P. 22.
[7] Decker, M.J., P. 24.
[8] Decker, M.J., P. 24.
[9] Decker, M.J., P. 32/33.
[10] Decker, M.J., P. 36.
[11] Decker, M.J. P. 37.
[12] Decker, M.J., P. 37.
[13] Decker, M.J., P. 40.
[14] Decker, M.J., P. 40.
[15] Decker, M.J., P. 30.
[16] Obolensky, D., The Relations between Byzantium and Russia (11th-15th Century), Oxford University, Updated 02 July 2001, P. 2.
[17] Obolensky, D., P. 4ff.
[18] Laats, A., The Concept of the Third Rome and its Political Implications, P. 98.
[19] Laats, A., P. 104.
[20] Laats, A., P. 104.
[21] Laats, A. P. 105.
[22] Laats, A., P. 106.
[23] Laats, A., P. 108.
[24] Laats, A., P. 112.
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