samedi, 09 mai 2009
Warum J. M. Barroso unsere Kinder glücklich macht
Erziehungsbücher haben Konjunktur. Seit über einem Jahr besetzt der (grob gesagt: konservativ einzustufende) Psychologe Michael Winterhoff (Warum unsere Kinder Tyrannen werden) hartnäckig die obersten Plätze der Sachbuch-Hitlisten. Autoren, die vehement gegen seine hierarchischen Eltern-Kind-Modelle argumentieren, rangieren weit dahinter.
Die Sache einfach laufen zu lassen und auf Institutionen oder die „heimlichen Erzieher“, also die Medienwelt zu setzen – das funktioniert heute nur als Glücksspiel. Mal geht’s gut, häufig nicht.
Ganz grundsätzlich haben sich Eltern die Frage zu stellen, in welcher Position sie ihre Kinder sehen wollen: Vorne dran? Als unauffällige Mitmacher? Oder als junge Kritische, die im Zweifelsfall selbstbewußt aus der Reihe tanzen? Und: Wie wäre letzteres denkbar für einen, sagen wir, Siebenjährigen? Eine Entscheidung mit vielfältigen Implikationen – man könnte ein Buch damit füllen.
Wir hätten beiwspielsweise wir gern, daß unsere Kinder Erwachsenen grundsätzlich respektvoll begegnen. Mit diesem kleinen Erziehungsziel sind wir bereits gescheitert. Wie schwierig ist es, „Autoritäten“ als solche zu behandeln, wenn deren Auftreten, die Kleidung, die Sprache sie offenkundig diskreditiert! Das beginnt bei ein paar Lehrern, die immer wieder durch Blödigkeiten, durch juvenile Anbiederung, durch absurde „Lernangebote“ auffallen. Einige Zeit lang versucht man als Eltern den Spott der Kinder, die solche Maschen längst durchschauen, abzuwehren. Irgendwann gibt man auf und ertappt sich beim Mitwitzeln.
Wer etwa ein Ludwig-Uhland-Gedicht als Rap aufsagen läßt – welchen Kommentar hat der wohl am heimischen Küchentisch verdient? Zustimmung, Abwägung, Bestürzung oder milden Spott? So (die Beispiele sind zahlreich…) sind unsere Kinder zu Spöttern geworden. Nicht gerade eine begrüßenswerte Haltung für ein Kind, wenig zuträglich für die seelische Entwicklung.
Gerade ist José Manuel Barroso dran, der Präsident der Europäischen Kommission. Wie Barroso politisch einzuschätzen ist, ist unseren Kindern egal. Jedenfalls nennen sie ihn englisch „Dschousie“, auch wenn sie belehrt worden, daß er „Chossee“ auszusprechen und ohnehin eher mir dem Nachnamen zu benennen ist.
Und so kam’s: An unsere ältesten Töchtern, elf- und zwölfjährig, wurde gerade der Schülerkalender („Gut informiert, clever entscheiden“) verteilt, den die Europäische Kommission herausgegeben hat. Er beginnt erst im August, die Töchter haben aber bereits ihre Daten eingetragen, Ferientermine markiert – und, wißbegierig, wie sie sind, den umfänglichen redaktionellen EU-Aufklärungsteil durchgelesen.
Der beinhaltet Wissenswertes darüber, „wie die EU genau funktioniert“, eine nach Ländern differenzierte Tabelle mit dem CO2-Ausstoß pro Person/Jahr, den Hinweis, daß man nie ohne Helm radfahren soll, und was los ist, wenn man genitalen Ausfluß oder Schmerzen beim Sex hat.
In seinem Grußwort begründet Jose M. Barroso den Kalender damit, daß den lieben Schülerinnen und Schülern „Instrumente an die Hand gegeben“ werden sollen, „mit denen Sie die Globalisierung nicht nur überstehen, sondern gestalten können, und zwar nach Ihren eigenen, gemeinsamen, europäischen Werten.“ Frappierend war für unsere Töchter, wie dieser Europa-Gott sich hier abbilden ließ: Mit cooler Baseball-Kappe, lockerem Hemd unter Sommerhimmel – wie ein Dschousie halt, und keinesfalls wie ein José.
Schon komisch, welche Kleinigkeiten Kinderherzen erfreuen können! Seit Tagen heißt es nun bei unseren Töchtern, sobald einer mit Baseballkappe des Weges kommt: „War das nicht der Dschousie Barrousie?!“ Und dann wird gekichert. Ein paar Politikerstimmen – Barroso nun grad nicht – hat Tochter Nr. 2 auch bereits in ihrem Imitations-Repertoire. So schreitet die Eliten-Stürmerei munter voran. Kein Respekt, die Jugend!
00:30 Publié dans Actualité | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : union européenne, europe, affaires européennes | | del.icio.us | | Digg | Facebook
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