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lundi, 27 janvier 2014

Deutsche Russen in Sibirien

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Deutsche Russen in Sibirien

Ex: http://www.blauenarzisse.de

BN-​Gespräch. Alexander Geier ist Vorsitzender des Deutsch-​Russischen Hauses (DRH) im sibirischen Tomsk. Frank Marten sprach mit ihm über Geschichte, Gegenwart und Identität der Russlanddeutschen.

Blaue​Narzisse​.de: Herr Geier, spielen die deutschen Wurzeln bei den Russlanddeutschen heute überhaupt noch eine Rolle?

Diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten. Es gibt auf jeden Fall starke regionale Abweichungen. So hat sich die deutsche Sprache bei den Russlanddeutschen in Kasachstan wesentlich besser erhalten als bei den Russlanddeutschen in Sibirien. Die Gründe für diese Entwicklung kann ich jedoch selber nicht nennen. Ein positives Beispiel für Sibirien ist die Situation der Russlanddeutschen in Omsk. Denn bereits 1911 sind unter dem damaligen russischen Ministerpräsidenten Pjotr Stolypin (er stammte aus Dresden, Red.) zahlreiche Russlanddeutsche aus dem Wolgagebiet ausgewandert. Aus ökonomischen Gründen kamen sie in die Gegend um das sibirische Omsk.

Als was sehen sie sich? Als Russe, Deutscher oder als Synthese?

Diesbezüglich bin ich hin und hergerissen. Aufgrund meiner Erziehung und meiner Kindheit würde ich mich als Deutscher sehen. Obwohl meine Eltern in Russland lebten, genoss ich eine deutsche Erziehung. So las mir meine Großmutter stets deutsche Gedichte und Märchen vor.

Aber aufgrund meines Lebensschwerpunktes in Russland mit meinen vielen russischen Freunden bin ich auch Russe. Deshalb sind mir viele Deutsche bei meinen Besuchen in Deutschland fremd. Die Russlanddeutschen in Russland jedoch sehe ich als meine Landsmänner. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich mich als Deutscher, der in Russland lebt, fühle.

Was macht für sie eine spezifisch deutschrussische Kultur aus? Was unterscheidet sie von deutscher Kultur?

Die Basis für die Russlanddeutsche wurde vor mehr als 200 Jahren mit dem Erlass Katharina der Großen gelegt. So benutzen wir Russlanddeutsche Ausdrücke und Redewendungen, die heutzutage in Deutschland niemand mehr verwendet. Beispielsweise begrüßen sich einzelne Russlanddeutsche mit der Redewendung „Zeit bieten“. Wenn man in Deutschland sagt, „Das Leben geht vorbei“, sagen die Russlanddeutschen: „Nur der Buchel bleibt hinten“. Aufgrund dieser traditionellen Sprachweise sind auch die Handlungsweisen der Russlanddeutschen von traditionellen Intentionen geprägt.

Gibt es eine besondere „deutschrussische Mentalität”? Wie würden sie diese beschreiben?

Wie bereits erwähnt, sind die Russlanddeutschen traditioneller als die Deutschen in Deutschland. Der Vater wird stets als Patriarch der Familie wahrgenommen. Ich beispielsweise sieze meinen Vater, der nun mit meiner Mutter in Deutschland lebt. Die traditionelle Rollenverteilung innerhalb der Familie genießt bei den Russlanddeutschen immer noch einen hohen Stellenwert.

Ich kenne einen Mann, der russlanddeutsche Wurzeln hat, sich selbst jedoch als Angehöriger der russischen Ethnie sieht. Dieser zeichnet allerdings seit knapp 30 Jahren dreimal am Tag das Wetter auf und konnte den Projektteilnehmern die Wetterlage an einem bestimmten Tag vor sechs Jahren schildern. Dieses Beispiel zeigt, dass die meisten Russlanddeutschen aufgrund ihrer Liebe zur Ordnung und zur Sorgfalt im Herzen immer Deutsche geblieben sind.

Woher stammt Ihre Familie? Wie und wann kam diese nach Russland?

Meine Familie entstammt dem Dialekt nach aus dem Dreiländereck der heutigen Bundesländer Hessen, Rheinland-​Pfalz und Baden-​Württemberg. In das damalige Zarenreich ist die Familie nach dem Erlass Katharina der Großen ab 1763 übergesiedelt. Jedoch habe ich keine Angaben über den genauen Zeitpunkt.

Wie kamen Sie in das sibirische Tomsk?

Ich wuchs in Kasachstan auf und lebte dort bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr. Nach Sibirien ging ich in erster Linie aufgrund meines Studiums in Novosibirsk. Im Alter von 27 Jahren zog ich 1986 nach Tomsk. Sie war damals eine für Ausländer geschlossene Stadt.

Was machen Sie heute im DRH? Welche Aufgaben hat es?

Das DRH in Tomsk wurde 1993 gegründet und ist eine staatliche Institution. Wie der Name erahnen lässt, stehen bei uns die Russlanddeutschen im Fokus unserer Arbeit. Unser primäres Ziel ist die Erhaltung der russlanddeutschen Kultur und Sprache. In diesem Sinne führen wir viele Projekte durch, organisieren Sprachcamps und Austausche mit deutschen Schulen oder Institutionen. Im Mai 2013 tagte ein Deutsch-​Russisches Managertreffen bei uns in Tomsk. Daneben bieten wir selbstverständlich Sprachkurse in Deutsch an und haben sogar eine Tanzgruppe.

Wie werden die Russlanddeutschen von der Mehrheit der Russen wahrgenommen? Gibt es Probleme?

Im modernen Russland gibt es glücklicherweise keine Probleme oder Vorurteile gegenüber uns Russlanddeutschen. Dies war zur Zeit der Sowjetunion anders. Ich durfte beispielsweise niemals in die DDR reisen. Für die Mehrheit der Russlanddeutschen wurden die Hürden für einen Auslandsaufenthalt erheblich erhöht.

Funktioniert heute die Zusammenarbeit mit staatlichen Agenturen und Behörden?

Da das DRH eine staatliche Institution ist, pflegen wir natürlich Kontakte und Beziehungen zu anderen Agenturen und Behörden. Aufgrund dessen ist das DRH dem Kulturdepartement von Novosibirsk unterstellt. Wir finanzieren uns aus dem Regionalfond des Oblast (Einheit für einen größeren Verwaltungsbezirk, Red.) Tomsk.

Gibt es eine Zusammenarbeit mit deutschen Behörden, Organisationen bzw. Verbänden der Russlanddeutschen?

Natürlich existiert eine Zusammenarbeit. Allein aufgrund der Vielzahl von Russlanddeutschen in Deutschland pflegen wir zahlreiche Kontakte zu den verschiedenen Verbänden der Russlanddeutschen. Des weiteren gibt es Kontakte zum Deutschen Akademischen Austauschdienst e. V. (DAAD), dem Goethe-​Institut, der Robert-​Bosch Stiftung und dem Deutschen Generalkonsulat in Novosibirsk.

Herr Geier, vielen Dank für das Gespräch!

Anm. der Red.: Mit der Geschichte der Russlanddeutschen hat sich Fabian Flecken hier beschäftigt.

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