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vendredi, 19 septembre 2014

No Braveheart

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No Braveheart

von Robin Classen

Ex: http://www.blauenarzisse.de

Schottland hat gewählt und bleibt im Vereinigten Königreich. Robin Classen kommentiert das Votum für uns.

Am heutigen Morgen ging eine der wohl längsten gesellschaftlichen Debatten im Vereinigten Königreich zu Ende. Nach mehr als zwei Jahren Wahlkampf, umfangreichster Berichterstattung im In– und Ausland und allgegenwärtigen Diskussionen hat Schottland sich in einer Volksabstimmung bei nahezu vollständiger Beteiligung für einen Verbleib im Vereinigten Königreich entschieden. Obgleich es in den letzten Umfragen nochmal sehr knapp wurde und zwischenzeitlich sogar die Abspaltungsbefürworter vorne lagen, schaffte es das „No“-Lager doch auf recht deutliche 56 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Die Angstmacher haben gewonnen

Dabei hatte die „Yes“-Kampagne um die linksnationale Scottish National Party, die sich im Europaparlament bei den Grünen verortet, wirklich alles nur Erdenkliche in die Waagschale geworfen: Neben wirtschaftlichen und politischen Gründen spielte auch Idealismus eine maßgebende Rolle. Schottland war schon immer ein stures, eigenes Land, das sich nicht gerne von außen hineinreden lässt, weswegen eine Fremdbestimmung aus dem neoliberalen und imperialistischen London so gar nicht zu dem wilden Inselvolk des Nordens passt.

Mit einer Mischung aus Geschichtsbezug und modernem Sozialpatriotismus versuchte Alex Salmond die mehrheitlich sozialdemokratisch denkenden Schotten für eine Unabhängigkeit zu begeistern und scheiterte letztlich an den harten Fakten – unter anderem dem Geld. Obwohl die „Yes“-Anhänger immer wieder auf die extrem attraktive Chance verwiesen, als unabhängiger Staat selbst über die erheblichen Ölreserven im schottischen Meer zu verfügen und das neue Norwegen zu werden, gewann letztlich die auf Angst getrimmte Kampagne der „No“-Anhänger.

Die „No“-Anhänger gewinnen trotz eines schlechten Wahlkampfes

Die Unabhängigkeitsskeptiker waren zwar von vornherein schlecht organisiert und litten daran, dass David Cameron als britischer Tory-​Premier in Schottland ungemein unbeliebt ist und daher kaum erfolgreich für einen Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich werben konnte. Seine Taktik, mit Alistair Darling einen Labour-​Vertreter nach Schottland zum Wahlkampf zu entsenden, war ebenfalls nur eine dürftige Notlösung. Gewonnen wurde also nicht wegen, sondern eher trotz der honorigen Personen, die mitsamt der versammelten Hochfinanz, den Medien und den Unionisten gegen ein freies Schottland eintraten.

Was der „No“-Kampagne schließlich zum Sieg verhalf, war ein bewusstes Vermeiden romantischer Unabhängigkeitsideale in den Diskussionen und ein Pokern auf eine einzige Karte: den Materialismus. Welche Währung sollte ein unabhängiges Schottland denn haben? Das Pfund könne man schließlich nicht behalten, so das zentrale Argument. Auch seien 600.000 Arbeitsplätze im Ausland in Gefahr: Gerade so, als ginge es in der Abstimmung darum, dass Schottland das zweite Nordkorea werden sollte. Selbst Wladimir Putin musste als Argument dafür herhalten, dass das – bis auf England – von keinem anderen Staat umgebene und völlig unbedrohte Schottland zwingend auf die britische Armee angewiesen sei.

Auch die in Schottland eher populäre EU-​Mitgliedschaft stehe zur Disposition. Dieser Flut von Angstpropaganda gelang es am Ende, den Freiheitsgeist und den Wunsch nach Selbstbestimmung unter dem schweren Tuch des Materialismus zu ersticken. Braveheart war gestern, Schottland hat sich angstvoll im Goldenen Käfig verkrochen und den materiell gesicherten Status Quo der nationalen Selbstbestimmung vorgezogen.

Die Folgen betreffen ganz Europa

Die Folgen dieses historischen Referendums werden ganz Europa betreffen. Schottland wird von Cameron sicherlich Almosen in Form von kleineren Zugeständnissen in Hinblick auf die Selbstverwaltung bekommen. Andere Sezessionsbewegungen wie die Katalanen in Spanien, von denen einige nach Schottland gereist waren, um die „Yes“-Kampagne zu unterstützen, dürften am Ende vielleicht sogar teilweise profitieren: Die Abstimmung ist ein Beweis dafür, dass von Medien, Politik und Großkonzernen geschürte Angst das Stimmungsbild letztlich dominieren können, sodass eine Erlaubnis durch die spanische Regierung für das Referendum im November wahrscheinlicher wird.

Gewonnen ist damit jedoch noch lange nichts, wie der Ausgang des schottischen Votums belegt. Interessant sind die Auswirkungen insbesondere für ein möglicherweise kommendes Referendum über einen EU-​Austritt von Großbritannien. Schottland wird sich vermutlich mehrheitlich für einen Verbleib in der Union entscheiden, sodass der „Brexit“ nun ein Stück unwahrscheinlicher geworden ist. Dies wird aber von Teilen der nonkonformen Bewegungen in Europa durchaus begrüßt, da vor allem London die fanatischen Kompetenzerweiterungspläne von Brüssel in der Vergangenheit gestoppt hat.

Geld als bestimmender politischer Faktor

Letztlich ist das schottische „No“ aber eine Niederlage für ganz Europa und für die Werte der Demokratiebewegung. Geld als politischer Faktor ist im postmodernen Europa zum einzig entscheidenden Kriterium geworden, der Kapitalismus als Geisteshaltung hat gesiegt. Lernen müssen die freiheitlichen Bewegungen nun, finanzielle und wirtschaftliche Folgen ihrer Politik genaustens zu erörtern und diesen Themen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Es erscheint daher auch wenig verwunderlich, dass sich unter den vielen nonkonformen Bewegungen in Deutschland mit der AfD gerade eine solche durchgesetzt hat, die nicht im Ansatz idealistisch oder staatspolitisch argumentiert, sondern ihre Ablehnung der Euro-​Politik allein aus den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen für Deutschland speist. Nun gilt es für alle echten Alternativen, den vorherrschenden Materialismus argumentativ zu befriedigen, aber gleichsam nicht zu vergessen, warum man wirklich angetreten ist: Um ihn abzuschaffen.

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