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mardi, 22 octobre 2019

Hans-Dietrich Sander †

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Hans-Dietrich Sander †

Ex: http://www.neue-ordnung.at

Hans-Dietrich Sander, Brecht-Schüler, Autor so wirkmächtiger Bücher wie „Der Nationale Imperativ“ und „Die Auflösung aller Dinge“ sowie Herausgeber der Zeitschrift Staatsbriefe, ist in der Nacht vom 24. auf dem 25. Jänner 2017 im Alter von 88 Jahren verstorben. Wie kaum ein anderer Publizist hat sich Sander, vor allem in den Staatsbriefen, für eine Wiederbelebung der ghibellinischen Reichsidee eingesetzt, die Deutschland eine zentrale Rolle im europäischen Staatenverbund zuweist. Den Rang, den Sander im intellektuellen Diskurs der Bundesrepublik über lange Zeit hinweg einnahm, hat unter anderem der 2005 verstorbene SPD-Politiker Peter Glotz in folgende bezeichnende Worte gefaßt: „Was verhütet werden muß“, so Glotz 1989, sei, daß Sanders „stilisierte Einsamkeit, diese Kleistsche Radikalität wieder Anhänger findet. Schon ein paar Tausend wären zu viel für die zivile parlamentarische Bundesrepublik“. Zuletzt war Sander unter anderem für die Neue Ordnung tätig, für die er als ständiger Autor scharfe Analysen über das politische System der Bundesrepublik beisteuerte. Sander hat es weder sich noch anderen leichtgemacht; wohl ein Grund, warum Armin Mohler ihn als „unbequemsten Vertreter der Neuen Rechten“ einstufte.


1928 in einem kleinen mecklenburgischen Dorf geboren, durchlebte Sander den Zweiten Weltkrieg, den er vor allem in Form von Luftangriffen kennenlernte, als Marinehelfer. Den Anklagen, die nach Kriegsende gegen die Deutschen erhoben wurden, stand der von Anfang an skeptisch gegenüber. Er verstand sich, wie er einmal schrieb, als „Reichsdeutscher, der in der Stunde Null nur angeritzt wurde“. Nach dem Krieg studierte Sander 1948/49 Theologie an einer kirchlichen Hochschule und von 1949 bis 1952 Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie an der Freien Universität in Westberlin. Der Einfluß von Bertold Brecht dürften für Sanders kurzes Engagement für den Kommunismus verantwortlich gewesen sein. 1952 übersiedelte er nach Ostberlin. Dort war er bis 1956 als Dramaturg und Theaterkritiker tätig. Schon bald aber brach Sander mit dem kommunistischen System und siedelte 1957 zurück in die BRD, wo er von 1958–1962, gefördert von Hans Zehrer – von 1929–1933 Herausgeber der Monatszeitschrift Die Tat, dem einflußreichsten Organ der Jungkonservativen –, als Journalist und Literaturkritiker bei der Tageszeitung Die Welt tätig war.


sanderLA.jpg1969 promovierte Sander bei Hans-Joachim Schoeps in Erlangen zum Dr. phil. Der Titel seiner Promotionsschrift lautete „Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie“; Sander setzte sich hier insbesondere mit der Kunstkonzeption von Marx und Engels auseinander. Es war wohl insbesondere der Einfluß des Staatsrechtlers Carl Schmitt, mit dem er bis 1981 brieflich in Kontakt stand, der ihn in dieser Zeit mehr und mehr zu rechtskonservativen Auffassungen tendieren ließ. Von 1964–1974 arbeitete er für das Deutschland-Archiv. In dieser Zeit gestaltete er gelegentlich auch Rundfunkfeuilletons für öffentlich-rechtliche Sender. Sanders „Geschichte der Schönen Literatur in der DDR“ (1972) löste eine heftige Kampagne aus, in deren Folge der Verlag das Buch aus dem Vertrieb zog. Sander verlor nun zunehmend an publizistischem Spielraum. Alternativen fand er unter anderem bei Caspar von Schrenck-Notzings Zeitschrift Criticón.


1980 erschien aus Sanders Feder ein Buch, mit dem er seinen Rang als exponierten Intellektuellen der Neuen Rechten nachhaltig unterstrich, nämlich „Der nationale Imperativ – Ideengänge und Werkstücke zur Wiederherstellung Deutschlands“. Zu diesem „Imperativ“ gehörte aus seiner Sicht auch die Rückgewinnung der ostdeutschen wie der deutsch-österreichischen Gebiete, soll es zu einer Wiederherstellung des Deutschen Reiches kommen. 1991 stellte Sander in einem Beitrag für die Staatsbriefe („Das Reich als politische Einheit der Deutschen“) ultimativ fest: „Die Deutschen brauchen das Reich. Europa braucht das Reich. Die Welt braucht das Reich … Reich oder Chaos! Tertium non datur.“


Von 1983–1986 war Sander dann als Chefredakteur der Deutschen Monatshefte tätig und von 1986–88 Mitarbeiter bei Nation und Europa. 1988 publizierte er ein Buch, das immer wieder als sein Hauptwerk charakterisiert wird, nämlich „Die Auflösung aller Dinge – Zur geschichtlichen Lage des Judentums in den Metamorphosen der Moderne“, das als erstes Buch nach 1945 den „Rubikon“ – wie es Jürgen Habermas einmal formulierte – einer kritischen Neusichtung der „deutsch-jüdischen Frage“ „unter dem Gesichtspunkt der politischen Eschatologie“ überschritt. Sander definierte hier unter anderem den Begriff der „Entortung“ als zentrales Kennzeichen der Auflösungsprozesse der Moderne. Von bleibender Bedeutung sind auch die darin enthaltenen „Thesen zum Dritten Reich“.


1990 erfolgte schließlich die Gründung die Zeitschrift Staatsbriefe, die er elf Jahre, bis 2001, herausgab. Die Staatsbriefe, die sich auch als eine Art Pendant zur Tat von Hans Zehrer begriffen, wollten im Dienste einer „Renaissance des nationalen Denkens“ stehen. Als Emblem diente der Grundriß des Castel del Monte, erbaut in der Zeit jenes Stauferkaisers, der für Sander eine Art Leitfigur der ghibellinischen Reichsidee darstellte: Friedrich II. Dieser verkörpere „den deutschen Reichsgedanken“ „in maximaler Reinheit“. Zu den Mitarbeitern der ersten Stunde zählten unter anderem Armin Mohler, Günter Zehm, Hans-Joachim Arndt, Günter Maschke Robert Hepp und Salcia Landmann. Die Hoffnungen, die Sander mit den Staatsbriefen verknüpfte, ließen sich indes nicht einlösen. Die Staatsbriefe blieben letztlich eine randständige Publikation; zudem verließen etliche renommierte Autoren nach und nach die Zeitschrift.


sander3.jpgSander hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß er die Bundesrepublik für nicht reformierbar hielt. Beide deutsche Staaten seien unter Kuratel der Besatzer entstanden, was unter anderem für eine Negativauslese im Hinblick auf die Eliten gesorgt habe. Dennoch sei nichts verloren: Die Deutschen bräuchten „sich nur innerlich aufzuraffen“, so Sander im „Nationalen Imperativ“, „um sich der brüchigen alten Zustände der Innen- und Außenpolitik zu entledigen, wieder auf die überlieferten, immer noch wirkenden Tugenden zu setzen und neue Formen und Ziele zu wagen, die in Richtung auf einen neuen Machtstaat, eine neue Großmacht drängen, die den Nachbarn durchaus zuzumuten wäre, weil durch nichts sonst das schutzbedürftige Europa noch gerettet werden kann.“ Diese Sätze können, in einer Zeit, in der Europa durch die Auswirkungen der „Flüchtlingskrise“ schutzbedürftiger denn je ist, durchaus als Vermächtnis Sanders nicht nur an die Deutschen gelesen werden.
MWH

Literaturempfehlungen

Hans-Dietrich Sander: „Der ghibellinische Kuß“, Band 1/10 der Gesamtausgabe, herausgegeben von Heiko Luge, Arnshaugk Verlag, Neustadt an der Orla 2016, 208 S., geb., 22 Euro
Hans-Dietrich Sander: Politik und Polis, Band 2/10 der Gesamtausgabe, herausgegeben von Heiko Luge, Arnshaugk Verlag, Neustadt an der Orla 2016, 271 S., geb., 26 Euro
Sebastian Maaß: „Im Banne der Reichsrenaissance“: Gespräch mit Hans-Dietrich Sander, Regin Verlag, Kiel 2011, 128 S., brosch., 14,95 Euro
Heiko Luge (Hg.): Grenzgänge. Liber amicorum für den nationalen Dissidenten Hans-Dietrich Sander, ARES Verlag, Graz 2008, 352 S., geb. 29,90 Euro

mercredi, 27 mars 2019

Das verborgene Volk

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Das verborgene Volk

00:14 Publié dans Livre, Livre | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : allemagne, hans-dietrich sander, livre | |  del.icio.us | | Digg! Digg |  Facebook

vendredi, 27 janvier 2017

Hans-Dietrich Sander ist tot

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Hans-Dietrich Sander ist tot

von Martin Lichtmesz

Ex: http://www.sezession.de 

Hans-Dietrich Sander, Schüler Brechts, Herausgeber der Zeitschrift Staatsbriefe und unermüdlicher Publizist für die deutsche »Reichsrenaissance«, ist in der Nacht vom 24. zum 25. Januar 2017 verstorben. Aus diesem Anlaß folgt nun die Würdigung Sanders aus dem Staatspolitischen Handbuch, Bd. 3, die Martin Lichtmesz verfaßte.

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

(Text aus dem Band Vordenker des Staatspolitischen Handbuchs, Schnellroda 2012.)

HDS-3.jpg»Konsequent, hochmütig und rücksichtslos « sei der Tonfall, den der »nationale Dissident« Hans-Dietrich Sander in seinen Schriften anstimme, voller Verachtung für die »feigen fetten Fritzen der Wohlstandsgesellschaft «, was ihn »Gott sei Dank in einen unversöhnlichen Gegensatz zur großen Mehrheit der Bürger der Bundesrepublik Deutschland« bringe. Dennoch müsse verhütet werden, daß »diese stilisierte Einsamkeit, diese ›Kleistsche Radikalität‹ wieder Anhänger findet«.

Denn: »Schon ein paar Tausend wären zu viel für die zivile, parlamentarische Bundesrepublik.« So furcht- wie respektvoll urteilte 1989 der Sozialdemokrat Peter Glotz über den Mann, den Armin Mohler »den unbequemsten Vertreter der Neuen Rechten« nannte und der sich selbst stets jeder Kategorisierung dieser Art entzog. Sander wuchs in einem kleinen mecklenburgischen Dorf auf und besuchte ab 1939 das Gymnasium in Parchim. In Kiel erlebte er als junger Marinehelfer den Krieg in Form von massiven Luftangriffen. Er betonte später, daß diese Erfahrung keinen Platz für »Schuldgefühle« ließ und er den gegen Deutschland erhobenen Anschuldigungen von Anfang an skeptisch gegenüberstand. Er sah sich schon früh als »Reichsdeutscher, der in der Stunde Null nur angeritzt wurde«.

Ab 1949 studierte er Theaterwissenschaften und Germanistik in West-Berlin. Herbert Ihering vermittelte ihm eine Hospitanz bei den Proben des Berliner Ensembles. Die Faszination durch Bertolt Brecht infizierte Sander mit dem Kommunismus. Er brach mit dem politischen und wirtschaftlichen System Westdeutschlands und zog 1952 nach Ost-Berlin, wo er als Dramaturg und Theaterkritiker tätig war. Sein kommunistisches Engagement erlosch am 17. Juni 1953, und im Dezember 1957 ging er wieder zurück in den Westen, dem er allerdings weiterhin kritisch gegenüberstand. 1958 bis 1962 arbeitete Sander unter der Schirmherrschaft Hans Zehrers als Redakteur für die Welt. Seine Arbeit dieser Jahre konzentrierte sich auf das Feuilleton und war nur indirekt politisch geprägt.

HDS-2.jpg1963/64 ging er für ein Forschungsprojekt über revolutionstheoretische Schriften nach Zürich. Im Rahmen dieses Projekts nahm er Kontakt zu bedeutenden Sozialisten, Kommunisten und Ex-Kommunisten wie Boris Souvarine, Giangiacomo Feltrinelli oder Oskar Lange auf. 1965 holte Hans Zehrer Sander zur Welt zurück. Zehrer starb 1966, Ende 1967 wurde Sander entlassen. Die raschen Siege der Studentenrevolte entlarvten in seinen Augen die Brüchigkeit des politischen Systems. Zwischen»liberaler Restauration wie ihrer linken Unterwanderung« führte der Weg zu dezidiert nationalen Positionen, die sich im Laufe der Jahre radikal zuspitzen sollten. 1969 promovierte Sander bei Hans-Joachim Schoeps mit der dogmengeschichtlichen Studie Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie.

Eine Fußnote der 1970 in Buchform erschienenen Dissertation reproduzierte erstmalig den inzwischen berühmten Brief Walter Benjamins an Carl Schmitt, den Theodor W. Adorno in seiner Benjamin-Edition unterschlagen hatte. Mit Schmitt pflegte Sander seit 1967 einen intensiven Briefwechsel, der bis 1981 anhielt. Sanders Geschichte der Schönen Literatur in der DDR (1972), zum Teil aus der Warte eines Augenzeugen geschrieben, löste eine heftige Kampagne aus, in deren Folge der Verlag das Buch aus dem Vertrieb zog. Sander verlor nun zunehmend an publizistischem Spielraum. Asyl fand er in Caspar von Schrenck-Notzings Criticón und in William S. Schlamms Zeitbühne.

1975/76 war er kurzzeitig Lehrbeauftragter an der TU Hannover und auf Einladung Jacob Taubes 1978/79 Gastdozent an der Freien Universität Berlin. Der nationale Imperativ (1980), sein erstes dezidiert politisches Buch, versammelte »Ideengänge und Werkstücke zur Wiederherstellung Deutschlands« und stellte dabei gar »propädeutische Überlegungen zum Vierten Reich« an. 1983–86 übernahm er die Chefredaktion der Deutschen Monatshefte.

Die Auflösung aller Dinge (1988), eine meisterhafte polemische Studie »zur geschichtlichen Lage des Judentums in den Metamorphosen der Moderne «, überschritt als erstes Buch nach 1945 den »Rubikon« (Habermas) einer kritischen Neusichtung der »deutsch-jüdischen Frage« »unter dem Gesichtspunkt der politischen Eschatologie«. Den Hintergrund bildete der Begriff der »Entortung« als zentrales Kennzeichen der Auflösungsprozesse der Moderne. Von Bedeutung sind auch die darin enthaltenen »Thesen zum Dritten Reich«.

Pünktlich zur Wende verwirklichte Sander 1990 das langgehegte Projekt einer eigenen Zeitschrift, der Staatsbriefe, die er als »Freistatt für das offene Wort« im Dienste der »Renaissance des nationalen Denkens« konzipierte. Als Emblem diente der Grundriß des Castel del Monte, entsprechend dem kühnen Programm einer Wiederbelebung einer ghibellinischen Reichsidee, an der Sander mit provozierender Unbeirrtheit festhielt. Zu den Mitarbeitern der ersten Stunde zählten u. a. Armin Mohler, Günter Zehm, Hans-Joachim Arndt, Günter Maschke, Robert Hepp, Salcia Landmann, Reinhold Oberlercher und Wolfgang Strauss.

Die Hoffnungen, mit den Staatsbriefen ein wirkungsvolles Pendant zu Hans Zehrers Tat und ein weltanschaulich weitgespanntes Forum auf nationaler Basis zu lancieren, zerstreuten sich allerdings ebenso schnell wie die Erdrutschstimmung der Wendezeit. Die hochkarätige Mitarbeiterschaft dünnte sich bereits nach dem ersten Jahrgang merklich aus; im Jahre 2000 wurde die Zeitschrift schließlich eingestellt. Viermal im Jahr schreibt der streitbare Autor noch für die österreichische Zeitschrift Neue Ordnung, sein Hauptaugenmerk gilt dabei weiterhin der laufenden Selbstzersetzung des liberalen Systems.

Lieferbare Literatur

Hans-Dietrich Sander: Der ghibellinische Kuß, 208 S., geb., 22 €, Band 1/10 der Gesamtausgabe – hier bestellen

Hans-Dietrich Sander: Politik und Polis, 271 S., geb., 26 €, Band 2/10 der Gesamtausgabe – hier bestellen

(Herausgegeben von Heiko Luge sind diese beiden Titel die ersten Bände der Gesamtausgabe, deren einzelne zehn Werke von 2016 bis 2019 ediert werden. Alle Titel sind nach Erscheinen über antaios.de zu beziehen.)

Außerdem lieferbar ist folgende Festschrift für Sander, die von Schülern, Zeitgenossen und Weggefährten verfaßt wurde:

Heiko Luge (Hrsg.): Grenzgänge. Liber amicorum für den nationalen Dissidenten Hans-Dietrich Sander, 354 Seiten, geb., 29,90 € – hier bestellen

mardi, 26 avril 2016

Impressionen der Reichsidee

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Impressionen der Reichsidee
 
von Johannes Konstantin Poensgen
Ex: http://www.blauenarzisse.de

Der Ghibellinische Kuss“ versammelt Aufsätze, Thesen und Reden Hans-​Dietrich Sanders zur Wiederherstellung des deutschen Reiches.

sander_der-ghibellinische.jpgHans-​Dietrich Sander (geb. 1928) ist den jüngeren oft nur noch als Kolumnist der Zeitschrift Neue Ordnung bekannt. Seine letzte Buchpublikation, Die Auflösung aller Dinge: Zur geschichtlichen Lage des Judentums in den Metamorphosen der Moderne, liegt achtundzwanzig Jahre zurück. Sanders Karriere gehörte zu denjenigen, die mit dem fortschreitenden Anziehen der Daumenschrauben in der Bundesrepublik der 80er beendet wurden.

Sander ließ sich damals nicht unterkriegen und machte mit seinen Staatsbriefen weiter, die er bis 2001 herausgab. Sanders Spätwerk, insbesondere seine Überlegungen zur ghibellinischen Reichsidee, liegen daher nicht als Monographie, sondern in Form einer Reihe von in über einem Jahrzehnt entstandener Artikel vor. Es ist sehr begrüßenswert, das eine Sammlung der bedeutendsten dieser Schriften jetzt unter dem Titel Der Ghibellinische Kuss im Arnshaugk-​Verlag erschienen ist.

Sander und sein Herausgeber sind nicht immer klar zu trennen

Neben der Tatsache, dass eine Reihe von Einzelaufsätzen nicht die beste Darstellungsweise des Themas ist, leidet dieses Buch jedoch noch unter einem anderen Strukturfehler. Im Wunsch, manche Texte dem Fortgang der Zeit anzupassen, griff der Herausgeber Heiko Luge zum Mittel der fortgeltenden Historisierung. Dass heißt, die alten Texte wurden an manchen Stellen der heutigen Lage angepasst. Vermutlich aus Altersgründen geschah dies jedoch nicht durch Sander selbst, sondern „nach Rücksprache mit dem Autor“ durch Luge.

An manchen Stellen sind daher Sander und sein Herausgeber schwer zu unterscheiden, zumal „nach Rücksprache mit dem Autor“ eine interpretationsoffene Formulierung ist. Bei einem Werk tieferen Inhalts handelt es sich aber nicht um einen Werbetext oder eine Gebrauchsanweisung, deren Autorschaft unerheblich ist. Das Lesen solcher Texte stellt eine Form der Verständigung zwischen Autor und Leser dar. Kurz, wenn Sander, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage war, sie selbst durchzuführen, hätte man die fortschreitende Historisierung besser unterlassen.

Das Reich als europäische Ordnungsmacht

Dass der Ghibellinische Kuss trotzdem ein bedeutendes Buch ist, liegt sowohl an der Problemstellung, wie am Lösungsvorschlag. Die erste ist, je nach Perspektive, die deutsche Frage in der Mitte Europas, oder die europäische Frage um Deutschland herum. Die erste gilt vielen als mit der Wiedervereinigung beantwortet. Was die Frage der europäischen Selbstbehauptung betrifft, so ist über kein Thema mehr Tinte ergebnislos verspritzt worden.

sander2xxx.jpgAuf der einen Seite stehen hier die Eurokraten und ihre Claqueure, die selbst dort, wo sie die Fehler ihre Baus erkennen, keine Korrektur im Blick haben, auf der anderen Seite die Europakritiker, die entweder zu achtundzwanzig einzelnen Nationalstaaten zurückwollen – immer noch die realistischste Nicht-​Lösung; oder aber sich in die Charles de Gaulle zugeschriebene Formulierung eines „Europas der Vaterländer“ flüchten, von dem keiner weiß, wie es aussehen, noch weniger was es zusammenhalten soll.

Sander hat all dem den Reichsgedanken voraus. Von diesem Fundament lassen sich Konturen einer um Deutschland als Hegemonialmacht gestalteten europäischen Ordnung entwickeln. Diese Ordnung, die die europäischen Völker um den Kern eines deutschen Nationalstaats gruppiert, ihnen Schutz gewährt und sie in ihrer Eigenart bewahrt, ist nach Sander Inhalt der ghibellinischen Reichsidee. Mit seinem auf Thomas Hobbes zurückgreifenden Herrschaftsbegriff, der Gegenseitigkeit von Schutz und Gehorsam, vermag er zudem die strukturelle Grundbedingung eines handlungsfähigen europäischen Raumes anzugeben.

Mit der Herrschaft des Reiches setzt sich Sander über die schwammigen Vorstellungen einer „europäischen Einigung“ hinweg, die bestenfalls weder Schutz gewährt, noch Gehorsam verlangt, schlimmstenfalls diesen einfordert, ohne jenen überhaupt geben zu können.

Die drei Verbote

Wer aber in der ghibellinischen Idee Rezepte für das Hier und Heute sucht, wird bei Sander enttäuscht werden. Er weiß zu gut, dass das heutige Deutschland nicht über die nötigen Mittel verfügt, nicht materiell, aber erst recht nicht geistig, dass es nicht „reichfähig“ ist. Aus dieser Einsicht schreibt er auch mehr für die Zukunft als für die Gegenwart, um die Idee des Reiches, der einzigen Ordnung, deren Europa aus eigener Kraft ohne einen äußeren Hegemon fähig ist, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dass zudem erst der ganz aktuelle Saustall ausgemistet werden muss, bevor es an langfristige Planungen geht, sollte jedem offensichtlich sein.

Wenn aber ein unabhängiges Europa möglich sein soll, so muss es zu einem eigenständigen Großraum werden. Nach den Erfahrungen der Globalisierung ergänzt Sander das „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ Carl Schmitts um ein „Immigrationsverbot raumfremder Stämme und Völkerschaften“, sowie um ein „Investitionsverbot raumfremden Kapitals“. Ob es möglich ist, die Globalisierung, die One World der Technik und des Verkehrs durch raumordnungspolitische Dekrete zu bannen, darf aber bezweifelt werden. Die Alternative dürfte jedoch ein immer weiter ausuferndes Chaos sein, dass aufgrund seiner schieren Ausmaße von keiner Ordnungsmacht mehr zu bändigen wäre, wie das Reich auf europäischem Boden eine darstellen könnte.

Leider keine kulturmorphologische Grundlage

sander3xxx.jpgEs bleibt die Frage der „Reichfähigkeit“ der Deutschen. Dass wir in der Lage sind über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und ganz Europa im Blick zu haben, dies haben wir in unserer Geschichte mehrfach bewiesen, zuletzt ironischerweise unter Angela Merkel in der Eurokrise, während der es den Deutschen als einzigen nicht nur um kurzfristige Eigeninteressen ging. Zusammen mit unserer Mittellage und unserer relativen Macht betrachtet, ist Sander daher uneingeschränkt beizupflichten, dass eine europäische Ordnung nur von Deutschland ausgehen und um Deutschland herum gestaltet werden kann.

Sanders Ausführungen zu den Deutschen sind allerdings allzu oft reine Behauptungen. Um die Reichstauglichkeit der deutschen Volksseele genauer auszumessen, fehlt Sander leider die kulturmorphologische Grundlage. So verliert sich der promovierte Geistesgeschichtler bisweilen im Strom seiner Eindrücke, insbesondere, wenn es um die Bedeutung des Christentums, des römischen Erbes und beider Beziehung zum Germanentum geht, einem Thema, das unzählige Denker zu wüstesten Assoziationen verleitet hat.