dimanche, 17 janvier 2010
Jemen: Tummelplatz für "al Qaida" oder geopolitischer Engpass für Eurasien
Jemen: Tummelplatz für »al Qaida« oder geopolitischer Engpass für Eurasien
Am 25. Dezember 2009 wurde in den USA der Nigerianer Abdulmutallab verhaftet, weil er versucht hatte, ein Flugzeug der »Northwest Airlines« auf dem Flug von Amsterdam nach Detroit mit eingeschmuggeltem Sprengstoff in die Luft zu sprengen. Seitdem überschlagen sich die Medien, von CNN bis zur »New York Times«, mit Meldungen, es bestehe der »Verdacht«, dass er im Jemen für seine Mission ausgebildet worden sei. Die Weltöffentlichkeit wird auf ein neues Ziel für den »Krieg gegen den Terror« der USA vorbereitet: Jemen, ein trostloser Staat auf der arabischen Halbinsel. Sieht man sich jedoch den Hintergrund etwas genauer an, dann scheint es, als verfolgten das Pentagon und der US-Geheimdienst im Jemen ganz andere Pläne.
Seit einigen Monaten ist die Welt Zeuge einer immer offener zutage tretenden militärischen Einmischung im Jemen, einem trostlosen Land, das im Norden an Saudi-Arabien, im Westen an den Golf von Aden und im Süden an das Arabische Meer grenzt. An der gegenüberliegenden Küste liegt ebenfalls ein trostloses Land, das in jüngster Zeit Schlagzeilen macht, nämlich Somalia. Alles deutet darauf hin, dass das Pentagon und der US-Geheimdienst dabei sind, die Meerenge Bab el-Mandeb, einen strategischen Engpass für die Ölversorgung der Welt, zu militarisieren. Den Vorwand dafür bieten die Übergriffe somalischer Piraten und die angebliche neue Bedrohung durch al Qaida aus dem Jemen. Außerdem finden sich im Grenzgebiet zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien unerschlossene Ölvorkommen, die zu den größten der Welt zählen sollen.
Der 23-jährige Nigerianer Abdulmutallab, dem der vereitelte Bombenanschlag zur Last gelegt wird, hat angeblich erzählt, er sei von der »al Qaida auf der Arabischen Halbinsel« (AQAP) im Jemen auf seine Mission vorbereitet worden. Dementsprechend richtet sich nun die Aufmerksamkeit der Welt auf den Jemen als neues Zentrum der angeblichen Terrororganisation al Qaida.
Passend dazu schrieb Bruce Riedel, der 30 Jahre für die CIA tätig gewesen war und Präsident Obama in der Frage der Truppenverstärkung in Afghanistan beraten hatte, in seinem Blog über die angeblichen Verbindungen des Bombers von Detroit zum Jemen: »Der Versuch, am Weihnachtstag das Flugzeug der Northwest Airlines auf dem Flug 253 von Amsterdam nach Detroit in die Luft zu sprengen, ist ein erneuter Beweis für den wachsenden Ehrgeiz von al Qaidas Ableger im Jemen, der mittlerweile nicht mehr nur Ziele im Jemen verfolgt, sondern seit dem vergangenem Jahr bei der weltweiten islamischen Jihad mitmischt … Die schwache jemenitische Regierung von Präsident Ali Abdallah Salih, die das Land nie wirklich in den Griff bekommen hat und jetzt mit wachsenden Problemen konfrontiert ist, wird im Kampf gegen AQAP signifikante amerikanische Unterstützung benötigen. (1)
Grundzüge der Geopolitik im Jemen
Bevor wir mehr über den jüngsten Zwischenfall sagen können, lohnt es sich, die Lage im Jemen genauer unter die Lupe zu nehmen. Hier gibt es einige Auffälligkeiten im Lichte des von Washington erhobenen Vorwurfs, al Qaida werde auf der Arabischen Halbinsel wieder aktiv.
Anfang 2009 begannen sich die Figuren auf dem jemenitischen Schachbrett zu bewegen. Tariq al-Fadhli, ein ursprünglich aus dem Jemen stammender früherer Jihad-Führer, kündigte nach 15 Jahren seine Allianz mit der jemenitischen Regierung von Präsident Ali Abdullah Saleh auf und erklärte, er werde sich der als Southern Movement (SM) bekannten breiten Oppositionskoalition anschließen. Al-Fadhli hatte Ende der 1980er-Jahre den Mudschaheddin in Afghanistan angehört. Über sein Zerwürfnis mit der Regierung wurde im April 2009 in den arabischen und jemenitischen Medien berichtet. Al-Fadhlis Bruch mit der Diktatur im Jemen gab der Southern Movement neuen Auftrieb. Heute gehört er der Führung dieser Allianz an.
Der Staat Jemen selbst ist ein synthetisches Gebilde, das im Jahr 1990 entstand, als die südliche Demokratische Volksrepublik Jemen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihren wichtigsten ausländischen Unterstützer verlor. Die Vereinigung der Arabischen Republik Jemen im Norden und der Demokratischen Volksrepublik Jemen im Süden weckte kurzfristig Hoffnungen, denen jedoch 1994 ein kurzer Bürgerkrieg ein Ende bereitete. Damals organisierten Teile der Armee des Südens einen Aufstand gegen die Herrschaft von Präsident Ali Abdullah Saleh, den sie als Handlanger des Nordens betrachteten. Saleh hat seit 1978 als Alleinherrscher regiert, zunächst als Präsident der Arabischen Republik Jemen im Norden und ab 1990 als Präsident der neuen vereinigten Republik Jemen. Der Aufstand scheiterte, weil Saleh al-Fadhli und andere konservative islamistische Salafisten und Jihadisten für den Kampf gegen die ehemals marxistischen Kräfte der Jemenitischen Sozialistischen Partei im Süden gewinnen konnte.
Vor 1990 hatten Washington und Saudi-Arabien Saleh und seine Politik der Islamisierung als Mittel zur Eindämmung des kommunistischen Südens unterstützt. (2) Seitdem stützt Saleh seine Einmann-Diktatur auf eine starke salafistisch-jihadistische Bewegung. Dass nun al-Fadhli mit Saleh bricht und sich der südlichen Oppositionsgruppe seiner ehemaligen sozialistischen Widersacher anschließt, bedeutet für Saleh einen herben Rückschlag.
Kurz nachdem sich al Fadhli der Southern-Movement-Koalition angeschlossen hatte, gab es am 28. April 2009 in den südjemenitischen Provinzen Lahj, Dalea und Hadramout Protestkundgebungen. Zehntausende ehemalige Militärangehörige und Zivilangestellte demonstrierten für bessere Bezahlung und Zuschüsse. Solche Proteste hatte es bereits seit 2006 immer häufiger gegeben. Bei den Demonstrationen im April trat al-Fadhli zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung. Das gab der lange vor sich hin dümpelnden sozialistischen Bewegung im Süden Auftrieb für eine breitere nationalistische Kampagne. Auch Präsident Saleh wurde dadurch aufgeschreckt und rief Saudi-Arabien und die anderen Mitgliedsstaaten des Gulf Cooperation Council auf, zu helfen, denn andernfalls werde die gesamte Arabische Halbinsel unter den Folgen zu leiden haben.
Das Bild in dem Land, das manche auch als »gescheiterten Staat« bezeichnen, wird dadurch noch komplizierter, dass Saleh im Norden mit einer Rebellion der schiitischen al-Houthi-Gruppe konfrontiert ist. Im September 2009 warf Saleh den Führer der schiitischen Opposition im Iran und Irak Muktada al-Sadr vor, die zaydischen schiitischen Huthi-Rebellen im Norden zu unterstützen. Bei einem Fernsehinterview mit Al Jazeera, das ausgerechnet am 11. September ausgestrahlt wurde, erklärte Saleh: »Wir können die offizielle Seite im Iran nicht beschuldigen, aber die Iraner haben sich an uns gewandt und sich zur Vermittlung bereit erklärt. Also haben die Iraner doch Kontakte zu ihnen [den Houthis], wenn sie zwischen der jemenitischen Regierung und ihnen vermitteln wollen. Auch Muktada al-Sadr in Najaf im Irak hat sich als Vermittler angeboten. Das heißt, es bestehen Verbindungen.« (3)
Die jemenitischen Behörden haben nach eigenem Bekunden Lager von im Iran hergestellten Waffen entdeckt, während die Houthis behaupten, sie hätten jemenitische Ausrüstung mit saudi-arabischer Aufschrift gefunden; sie werfen Sanaa vor, als Stellvertreter Saudi-Arabiens zu operieren. Der Iran hat die Meldungen, wonach iranische Waffen im Nordjemen gefunden worden seien, dementiert, es gebe, anders als diese behaupteten, keine Unterstützung für die Rebellen. (4)
Was ist mit al Qaida?
Es entsteht das Bild von Präsident Saleh als einem desperaten, von den USA gestützten Diktator, dem nach zwei Jahrzehnten despotischer Herrschaft über den nunmehr vereinigten Jemen zunehmend die Kontrolle entgleitet. Wirtschaftlich geht es im Land steil bergab, nachdem der Ölpreis 2008 drastisch gefallen ist. Etwa 70 Prozent der Einkünfte des Jemen stammen aus dem Verkauf von Öl. Die Zentralregierung von Präsident Saleh hat ihren Sitz in Sanaa im ehemaligen Nordjemen, die Ölquellen liegen im Südjemen. Trotzdem hat Saleh die Kontrolle über die Einkünfte aus dem Ölexport. Doch angesichts zurückgehender Erlöse wird es für Saleh immer schwerer bis unmöglich, die Oppositionsgruppen wie gewohnt einfach zu kaufen.
In diese chaotische innenpolitische Lage platzte im Januar 2009 die auf ausgewählten Internetseiten veröffentlichte Ankündigung, al Qaida, die angebliche Terrororganisation des von der CIA ausgebildeten Saudi-Arabers Osama bin Laden, habe im Jemen eine eigene Abteilung aufgebaut, die im Jemen selbst und in Saudi-Arabien aktiv werden wolle.
Am 20. Januar 2009 veröffentlichte al Qaida auf jihadistischen Online-Foren eine Erklärung von Nasir al-Wahayshi, der die Bildung einer eigenständigen al-Qaida-Gruppe auf der Arabischen Halbinsel unter seiner Führung ankündigte. Nach seinen Angaben sollte die neue Gruppe, die »al Qaida auf der Arabischen Halbinsel« aus seiner früheren al-Qaida-Gruppe im Jemen und Mitgliedern der nicht mehr aktiven al-Qaida-Gruppe in Saudi-Arabien bestehen. Laut dieser Presseerklärung sollte der saudi-arabische Staatsangehörige und ehemalige Guantanamo-Häftling Abu-Sayyaf al-Shihri Wahayshis Stellvertreter werden.
Wenige Tage später tauchte im Internet ein Video von al-Wahayshi auf, das den alarmierenden Titel trug: »Wir fangen hier an und treffen uns in al Aqsa«. Mit al Aqsa ist die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem gemeint, der Ort, den die Juden als Stätte des zerstörten Tempels Salomons und die Muslime als Al Haram Al Sharif kennen. Das Video enthält Drohungen gegen muslimische Staatsführer, darunter der jemenitische Präsident Saleh, die saudische Königsfamilie und der ägyptische Staatspräsident Mubarak. Man werde die Jihad vom Jemen nach Israel bringen, um die muslimischen heiligen Stätten und Gaza zu »befreien« – ein Vorhaben, das wahrscheinlich zum Dritten Weltkrieg führen würde, wenn jemand so verrückt wäre, es in die Tat umzusetzen.
In dem Video tauchte neben al-Shihri, der als Guantanamo-Häftling Nr. 372 vorgestellt wurde, auch eine Erklärung von Abu-al-Harith Muhammad al-Afwi auf, der als Feldkommandeur und angeblicher Guantanamo-Häftling Nr. 333 bezeichnet wurde. Da Foltermethoden bekanntlich völlig ungeeignet sind, um wahrheitsgemäße Geständnisse aus den Opfern herauszupressen, ist bereits spekuliert worden, die CIA- und Pentagon-Vertreter, die seit September 2001 die Gefangenen in Guantanamo verhört haben, hätten in Wirklichkeit die Aufgabe gehabt, vermittels aversiver Techniken Schläfer oder sogenannte Manchurian Candidates auszubilden, die bei Bedarf vom US-Geheimdienst aktiviert werden können – ein Vorwurf, der sich nur schwer beweisen oder widerlegen lässt. Wenn nun allerdings zwei prominente Guantanamo-Insassen in der neuen al-Qaida-Gruppe im Jemen auftauchen, dängen sich schon Fragen auf.
Offenbar wollen al-Fadhli und die gewachsene Massenorganisation Southern Movement mit der al Qaida im Jemen nicht zu tun haben. In einem Interview erklärte al-Fadhli: »Ich halte enge Verbindungen zu den Jihadisten im Norden und im Süden, eigentlich überall, aber nicht zu al Qaida.« (5) Trotzdem erklärt Saleh, die Southern Movement und al Qaida seien ein und dasselbe, ein Trick, mit dem er sich die Unterstützung Washingtons sichern will.
Nach Einschätzungen in US-amerikanischer Geheimdienstberichten gibt es insgesamt etwa 200 al-Qaida-Mitglieder im südlichen Jemen. (6)
Bei einem Interview im Mai 2009 hat sich al-Fadhli von al Qaida distanziert und erklärt: »Wir waren [im Südjemen] vor 15 Jahren Opfer einer Invasion und leben jetzt unter einer brutalen Besatzung. Wir haben also genug mit unserer eigenen Lage zu tun und können uns nicht um die übrige Welt kümmern. Wir wollen unsere Unabhängigkeit und ein Ende dieser Besatzung.« (7) Ob zufällig oder nicht: al Qaida erklärte sich am gleichen Tag solidarisch mit dem Anliegen des südlichen Jemen.
Am 14. Mai betonte al Wahayshi, der Führer der »al Qaida auf der Arabischen Halbinsel« in einer im Internet verbreiteten Audio-Botschaft seine Unterstützung für die Menschen in den südlichen Provinzen und deren Versuch, sich gegen die »Unterdrückung zu wehren«. Er sagte: »Was in Lahaj, Dhali, Abyan und Hadramut und den anderen Provinzen im Süden geschieht, ist nicht zu tolerieren. Wir müssen [die Menschen im Süden] unterstützen und ihnen helfen.« Er versprach Vergeltung: »Eure Unterdrückung wird nicht straflos hingenommen … Die Morde an Muslimen auf den Straßen sind ein ungerechtfertigtes schweres Verbrechen.« (8)
Das merkwürdige Auftauchen einer winzigen, aber von den Medien sehr stark herausgestellten al Qaida im südlichen Jemen inmitten einer offenbar gut in der Bevölkerung verankerten Front der Southern Movement, die mit den radikalen weltweiten Plänen von al Qaida nichts zu tun haben will, verschafft dem Pentagon eine Art casus belli, um die militärischen Aktionen der USA in dieser strategisch wichtigen Region verstärken zu können.
Tatsächlich hat Präsident Obama zunächst erklärt, die internen Auseinandersetzungen im Jemen seien eine innere Angelegenheit des Landes, und dann doch Luftschläge angeordnet. Nach Angaben des Pentagon wurden bei den Angriffen am 17. und 24. Dezember drei führende al-Qaida-Vertreter getötet; für diese Angaben gibt es jedoch keine Beweise. Jetzt erhält Washingtons »Krieg gegen den Terror« nach dem Bomberdrama von Detroit am Weihnachtstag neuen Auftrieb. Obama hat inzwischen der jemenitischen Regierung von Präsident Saleh Unterstützung angeboten.
Wie auf Kommando: die Piraten in Somalia eskalieren ihre Angriffe
Während die Schlagzeilen in CNN von der neuen Bedrohung durch Terrorismus aus dem Jemen beherrscht werden, haben die Angriffe somalischer Piraten auf die Handelsschifffahrt im Golf von Aden und dem Arabischen Meer – also genau der Region südlich des Jemen – wie auf Kommando wieder drastisch zugenommen, nachdem sie durch die internationalen Patrouillen zunächst stark eingedämmt worden waren.
Am 29. Dezember 2009 berichtete RIA Novosti aus Moskau, somalische Piraten hätten im Golf von Aden vor der Küste von Somalia ein griechisches Handelsschiff gekapert. Am selben Tag war bereits ein unter britischer Flagge fahrender, mit Chemikalien beladener Tanker ebenfalls im Golf von Aden gekapert worden. Mohamed Shakir, der Kommandeur der Piraten, erklärte – offensichtlich im Umgang mit westlichen Medien sehr gewandt – der britischen Zeit The Times am Telefon: »Gestern Abend haben wir im Golf von Aden ein Schiff mit britischer Flagge gekapert.« Die US-Geheimdienstagentur Stratfor berichtet, die Times, die zur Verlagsgruppe von Rupert Murdoch, dem Unterstützer der Neokonservativen, gehört, werde manchmal vom israelischen Geheimdienst genutzt, um nützliche Berichte zu platzieren.
Durch die beiden jüngsten Vorfälle ist die Zahl der Kaperungen und Entführungen im Jahr 2009 auf ein Rekordniveau gestiegen. Bis zum 22. Dezember gab es nach Angaben des International Maritime Bureau’s Piracy Reporting Center 2009 im Golf von Aden und vor der Küste Somalias 174 Angriffe von Piraten, dabei wurden 35 Schiffe entführt und 587 Besatzungsmitglieder als Geiseln genommen. Es stellt sich die Frage, wer die somalischen »Piraten« mit Waffen und Logistik versorgt, sodass sie trotz internationaler Patrouillen von mehreren Ländern erfolgreich operieren können?
Bemerkenswerterweise erhielt Präsident Saleh am 3. Januar einen Telefonanruf des somalischen Präsidenten Sharif Sheikh Ahmed, bei dem dieser Saleh über die jüngsten Entwicklungen in Somalia unterrichtete. Sheikh Sharif, der in Mogadischu über so wenig Unterstützung verfügt, dass er manchmal als Präsident des Flughafens von Mogadischu verspottet wird, erklärte Saleh, er werde ihn über sämtliche terroristische Aktivitäten informieren, die von somalischem Boden aus gegen die Stabilität und Sicherheit des Jemen und der gesamten Region geplant würden.
Engpass für das Öl und andere schmierige Angelegenheiten
Die strategische Bedeutung des Seegebiets zwischen dem Jemen und Somalia ist auch aus geopolitischer Sicht erkennbar. Die Meerenge Bab el-Mandeb wird von der US-Regierung zu den sieben strategisch wichtigen Engpässen für den Öltransport gezählt. Nach Aussage der staatlichen amerikanischen Energy Information Agency »könnten Tanker nach einer Schließung von Bab el-Mandeb den Komplex Suezkanal/Sumed Pipeline nicht mehr erreichen und müssten den Umweg um die südliche Spitze von Afrika nehmen. Die Meerenge Bab el-Mandeb stellt einen Engpass zwischen dem Horn von Afrika und dem Nahen Osten und eine strategisch wichtige Verbindung zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean dar.« (9)
Zwischen dem Jemen, Dschibuti und Eritrea gelegen, verbindet Bab el-Mandeb den Golf von Aden mit dem Arabischen Meer. Öl und sonstige Exporte aus dem Persischen Golf müssen die Bab el-Mandeb passieren, bevor sie in den Suezkanal einfahren. 2006 gab das Energieministerium in Washington bekannt, täglich gelangten schätzungsweise 3,3 Millionen Barrel Öl durch diesen engen Seeweg nach Europa, in die USA und nach Asien. Das meiste Öl, etwa 2,1 Millionen Barrel, geht nach Norden durch Bab el-Mandeb zum Suez/Sumed-Komplex und weiter ins Mittelmeer.
Ein Vorwand für eine Militarisierung der Gewässer in der Umgebung von Bab el-Mandeb durch die USA oder die NATO brächte Washington seinem Ziel der Kontrolle über aller sieben großen Engpässe für den Öltransport auf der Welt ein gutes Stück näher. Dadurch könnten die USA in Zukunft China, die EU und jede andere Region oder jedes Land, das sich der amerikanischen Politik in den Weg stellt, von der Ölversorgung abschneiden. Da erhebliche Mengen saudi-arabischen Öls Bab el-Mandeb passieren, diente eine US-Militärpräsenz an dieser Stelle auch als Warnung an Riad, falls das saudische Königreich mit der Ankündigung erst machen sollte, Öllieferungen an China und andere Länder nicht mehr in Dollar abzurechnen, wie der britische Journalist Robert Fisk kürzlich in der Zeitung Independent geschrieben hatte.
Washington könnte damit die Öllieferungen von dem gerade nördlich von Bab el-Mandeb gelegenen Port Sudan am Roten Meer nach China bedrohen: Diese Verbindung ist für die Deckung des chinesischen Energiebedarfs lebenswichtig.
Zusätzlich zu der geopolitischen Position als Engpass für den weltweiten Öltransport verfügt der Jemen Berichten zufolge auch über einige der größten unerschlossenen Ölreserven der Welt. Das Masila-Becken und das Shabwa-Becken enthalten nach Angaben der internationalen Ölgesellschaften »Weltklasse-Funde« (10). Die französische Total sowie einige kleinere internationale Ölgesellschaften sind an der Entwicklung der Ölproduktion im Jemen beteiligt. Vor etwa 15 Jahren hat mir ein sehr gut unterrichteter Insider in Washington bei einem privaten Treffen erzählt, im Jemen gebe es »genug unerschlossene Reserven, um den Ölbedarf der ganzen Welt für die nächsten 50 Jahre zu decken«. Vielleicht steckt ja doch mehr dahinter, wenn sich Washington in jüngster Zeit solche Sorgen um den Jemen macht, als eine al-Qaida-Truppe, deren Existenz als weltweit agierende Terrororganisation von erfahrenen Islam-Experten ohnehin angezweifelt wird.
__________
Quellen:
1 Bruce Riedel, »The Menace of Yemen«, 31. Dezember 2009, unter http://www.thedailybeast.com/blogs-and-stories/2009-12-31/the-menace-of-yemen/?cid=tag:all1.
2 Stratfor, »Yemen: Intensifying Problems for the Government«, 7. Mai 2009.
3 Zitiert in Terrorism Monitor, Artikel: »Yemen President Accuses Iraqs’ Sadrists of Backing the Houthi Insurgency«, Jamestown Foundation, Band 7, Ausgabe 28, 17. September 2009.
4 NewsYemen, 8. September 2009; Yemen Observer, 10. September 2009.
5 Albaidanew.com, 14. Mai 2009, zitiert in Jamestown Foundation, a.a.O.
6 Abigail Hauslohner, »Despite U.S. Aid, Yemen Faces Growing al-Qaeda Threat«, Time, 22. Dezember 2009, unter www.time.com/time/world/article/0,8599,1949324,00.html#ixzz0be0NL7Cv.
7 »Tariq al Fadhli, in Al-Sharq al-Awsat«, 14. Mai 2009, zitiert in Jamestown Foundation, a.a.O.
8 Interview mit al-Wahayshi, al Jazeera, 14. Mai 2009.
9 US Government, Department of Energy, Energy Information Administration, »Bab el-Mandab«, unter http://www.eia.doe.gov/cabs/World_Oil_Transit_Chokepoints/Full.html.
10 Adelphi Energy, »Yemen Exploration Blocks 7 & 74«, unter http://www.adelphienergy.com.au/projects/Proj_Yemen.php.
Dienstag, 12.01.2010
© Das Copyright dieser Seite liegt, wenn nicht anders vermerkt, beim Kopp Verlag, Rottenburg
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muß nicht zwangsläufig die Meinung des Verlags oder die Meinung anderer Autoren dieser Seiten wiedergeben.
00:25 Publié dans Géopolitique | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : géopolitique, monde arabe, arabie, péninsule arabique, moyen orient, corne de l'afrique, stratégie, eurasie, politique internationale, yémen, islamisme, chiisme, sunnisme | | del.icio.us | | Digg | Facebook
Les commentaires sont fermés.