Deutschland bald im Rohstoff-Krieg?
Hinter den Kulissen der europäischen Alltagspolitik zeichnen Experten in den »Think Tanks« (zu Deutsch etwa: Denkfabriken) von Ministerien und Regierungen ein düsteres Zukunftsbild. Dabei geht es allerdings weder um Umweltkatastrophen noch um die beängstigende Altersentwicklung der Bevölkerung. Was die Polit-Strategen befürchten, ist eine zunehmende Rohstoffknappheit in Europa, der mit eigenen Mitteln kaum begegnet werden kann. Als stärkste Industrienation der EU ist Deutschland von der fatalen Entwicklung besonders betroffen. Müssen wir deswegen bald Kriege um Rohstoffe führen?
Nach einem Bericht der »Financial Times« benötigen die Staaten der EU tagtäglich 14 Rohstoffe, die im Boden dieser Länder nicht oder nicht ausreichend vorkommen und deswegen eingeführt werden müssen. Deutschland braucht vor allem Gallium, Neodym, Indium und Germanium zur Herstellung von Lasertechnik, zur Produktion von Photovoltaik und Brennstoffzellen. Doch diese Stoffe lagern zum größten Teil in Russland, China und afrikanischen Ländern. Allesamt Staaten, die mit diesen reichen Bodenschätzen nicht nur Geschäfte, sondern auch knallharte Politik machen. Ihr Vorteil: Sie verfügen nicht nur über die begehrten Stoffe, sondern sind auch von geostrategischer Bedeutung. Nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums wird sich die Nachfrage nach den Rohmaterialien innerhalb der nächsten 20 Jahre verdreifachen. Damit, so glauben Experten, könne es schnell zu militärischen Konflikten kommen, da Staaten außerhalb der EU an den knapper werdenden Schätzen ebenfalls teilhaben wollen. Hinzu kommt die relative militärische Schwäche Europas.
Deswegen hat die Bundesregierung inzwischen mit der »Deutschen Rohstoffagentur« in Hannover ein Instrument geschaffen, das Wege zum kostengünstigen Zugriff auf Rohstoffe in aller Welt erarbeiten soll. Hauptansprechpartner in diesem Kampf um die Schätze der Erde sind die Chinesen, die sich ihrer Rolle sehr bewußt sind und bereits Ausfuhrquoten und Ausfuhrzölle für eigene Rohstoffe erhoben haben, um den Aufbau der heimischen Industrie zu sichern. Nach einem Bericht des »Handelsblatt« vom vergangenen Monat droht den Europäern eine Niederlage im Wettrennen um die Stoffe. Während die USA sich ihre Ansprüche in Afghanisatan sicherten und die Chinesen in Afrika tätig würden, hinke Europa hinterher, heißt es. Aus diesem Grund ging Berlin jüngst zum Angriff über und verklagte zusammen mit anderen EU-Staaten China bei der Welthandelsorganisation WTO, damit die Exportbeschränkungen aus dem Reich der Mitte aufhören.
Gleichzeitig ist man auf der Suche nach strategichen Partnern in aller Welt. So verhandelt die EU mit der Afrikanischen Union darüber, freien Zugang zu den Rohstoffen des Kontinents zu bekommen. Im Gegenzug soll es Entwicklungshilfe geben, auch in Form von Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte vor Ort. Ob dabei das Engagement der Nehmerländer in den Bereichen Menschenrechte und Anti-Korruption auf der Strecke bleibt, ist abzuwarten. Den deutschen Industrieverbänden jedenfalls reichen die Initiativen der Politik nicht. Sie befürchten für die nahe Zukunft eine erhebliche »Rohstofflücke«, nicht nur bei den Bodenschätzen. Laut »Handelsblatt« erwartet Ulrich Grillo vom Verband der deutschen Industrie demnächst auch eine Versorgungslücke bei Metallschrotten.
Sollte es in Zukunft zu bewaffneten Konflikten um Rohstoffe kommen, wird der Europäischen Union der Preis für ihre momentane Unterstützung der USA im Irak und in Afghanistan präsentiert werden. Während sie zur Sicherung der amerikanischen Ansprüche in den Krieg gezogen ist, reichen ihre militärischen Kräfte kaum aus, um eine weitere Konfrontation durchzustehen. Auf Hilfe durch die USA kann wohl kaum gerechnet werden. Denn wie fasste der CDU-Politiker und ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Friedbert Pflüger, die Situation in der Zeitschrift »Internationale Politik« kürzlich doch zusammen: »Nationalismus, Kolonialismus und Imperialismus des 19. Jahrhunderts kehren zurück.«
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