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samedi, 31 juillet 2010

Die neue geopolitische Bedeutung von Lubmin

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Die neue geopolitische Bedeutung von Lubmin

F. William Engdahl / ex: http://info.kopp-verlag.de/

 

In der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik verschwinden die deutschen Bundeskanzler zumeist in der Versenkung, sobald sie politische Ziele verfolgen, die zu stark von Washingtons globalen Absichten abweichen. Im Fall von Gerhard Schröder gab es gleich zwei unverzeihliche »Sünden«. Die erste war 2003 sein offener Widerstand gegen die Irak-Invasion. Die zweite, strategisch sehr viel schwerwiegendere, war seine Verhandlung mit Putin über den Bau einer neuen großen, direkt von Russland nach Deutschland führenden Erdgas-Pipeline, die das Hoheitsgebiet des damals feindlich gesinnten Polen umgehen sollte. Heute hat der erste Abschnitt dieser »Nord-Stream«-Gaspipeline das Ostseebad Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern erreicht. Lubmin wird damit zu einem geopolitischen Dreh- und Angelpunkt für Europa und Russland.

 

 

 

Tatsächlich verdankte Gerhard Schröder seinen Posten dem stillen, aber nachdrücklichen Rückhalt durch US-Präsident Clinton, der nach Angaben unserer Quellen in der deutschen SPD verlangt hatte, eine rot-grüne Koalition müsse im Fall ihrer Wahl 1999 einen Krieg gegen Serbien unterstützen. Washington wollte ein Ende der Ära Helmut Kohl. Doch 2005 verhielt sich Schröder nach Washingtons Geschmack viel zu »deutsch«, deshalb soll sich die Regierung Bush vordringlich darum bemüht haben, einen möglichen Amtsnachfolger aufzubauen.

Seine letzte Amtshandlung als Bundeskanzler war die Genehmigung der riesigen Gaspipeline Nord Stream, die von der russischen Hafenstadt Vyborg nahe der finnischen Grenze nach Lubmin verläuft. Sofort nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers wurde Schröder Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG, einem Joint Venture des staatlichen russischen Energiekonzerns Gazprom und den deutschen Unternehmen E.ON Ruhrgas und BASF-Wintershall. Er verstärkte in der Folgezeit auch seine öffentlich geäußerte Kritik an der US-Außenpolitik, beispielsweise beschuldigte er den US-Marionettenstaat Georgien, 2008 den Krieg gegen Südossetien begonnen zu haben.

2006 verglich der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski, ein enger Vertrauter Washingtons und bekennender Neokonservativer, das Nord-Stream-Konsortium mit dem 1939 geschlossenen Pakt zwischen den Nazis und der Sowjetunion. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Politik Washingtons darauf gerichtet, Polen als Keil zu benutzen, um eine engere wirtschaftliche und politische russisch-deutsche Zusammenarbeit zu verhindern. Das ist auch der Grund für die Entscheidung, in Polen amerikanische Raketenabwehrsysteme und jetzt auch Patriot-Raketen zu stationieren, die gegen Russland gerichtet sind.

Trotz vehementen politischen Widerstands aus Polen und anderen Ländern erreichte Schröders Nord-Stream-Projekt in diesem Monat das erste wichtige Ziel, als der erste der beiden Rohrstränge plangemäß in Lubmin das Festland erreichte. Wenn später in diesem Monat auch der zweite Rohrstrang an Land gezogen wird und die Pipeline 2011 den Betrieb aufnimmt, dann wird sie die größte unterseeisch verlaufende Pipeline der Welt sein, die jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas quer durch Europa transportiert. Die unterseeische Route verläuft durch die Hoheitsgewässer und Wirtschaftszonen Finnlands, Schwedens, Dänemarks und Deutschlands, sie umgeht das Gebiet Polens und der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.

Von der Übernahmestation Lubmin aus wird die OPAL-Anbindungsleitung 470 km durch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen bis zur tschechischen Grenze verlaufen. Andere westliche Pipelinerouten werden russisches Gas über eine bestehende Pipeline nach Holland, Frankreich und Großbritannien transportieren, was die Energie-Bindungen zwischen der EU und Russland erheblich stärken wird – eine Entwicklung, die Washington ein Dorn im Auge ist. Die französische GDF Suez, ehemals Gaz de France, hat gerade neun Prozent der Anteile an der Nord Stream AG gekauft, der niederländische Gasinfrastrukturkonzern N.V. Nederlands Gasunie besitzt ebenfalls neun Prozent. Das Projekt ist also in der EU gut verankert – eine große geopolitische Leistung der Regierung Putin-Medwedew angesichts starken Widerstands der USA. Nord Stream verfügt zurzeit über zwei langfristige Verträge über die Lieferung von Erdgas an Dänemark, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Deutschland.

Die Gazprom verfolgt noch ein zweites großes Pipeline-Projekt, die South Stream, über die Gas von der russischen Schwarzmeerküste unter dem Schwarzen Meer hindurch nach Bulgarien und weiter nach Italien transportiert werden soll. Washington hat auf die EU-Länder und die Türkei erheblichen Druck ausgeübt, eine alternative Gaspipeline, die Nabucco, zu bauen, die Russland umgehen würde. Bisher findet Nabucco in der EU jedoch wenig Unterstützung, es gibt auch nicht genügend Gas, um die Pipeline zu füllen. Aus geopolitischer Sicht würde die Fertigstellung von South Stream die Länder der EU und Russland stärker zusammenschweißen – ein geopolitischer Albtraum für Washington. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die Politik der USA darauf gerichtet, Westeuropa zu beherrschen, darum wurde zunächst der Kalte Krieg mit der Sowjetunion angefacht und nach 1990 die NATO-Osterweiterung bis an die Grenzen Russlands betrieben. Ein zunehmend unabhängiges Europa, das sich gen Osten statt über den Atlantik orientiert, bedeutet eine empfindliche Niederlage für die fortgesetzte Herrschaft der »einzigen Supermacht« USA. Damit wird das idyllische Seebad Lubmin im Nordosten Deutschlands de facto zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt des geopolitischen Dramas zwischen Washington und Eurasien – ob sich die Einwohner dessen bewusst sind oder nicht.

 

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