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jeudi, 12 janvier 2017

Die Konvention von Tauroggen - Gehorsamsverweigerung aus Liebe zum Vaterland

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Die Konvention von Tauroggen - Gehorsamsverweigerung aus Liebe zum Vaterland

 

Hunderttausende bluten für Napoleons Russlandfeldzug

Preußens Niederlage bei Jena und Auerstedt markierte das vorläufige Ende der Souveränität des Staates, welcher in kurz darauf vollständig von Frankreich besiegt wurde und unter die Herrschaft von Napoleon kam. Nach dem Frieden von Tilsit wurde das Königreich in seiner Ausdehnung kurzerhand halbiert und die Grande Armée marschierte siegreich durch Berlin, während das Königshaus von Preußen den Rückzug in die beschnittenen Gebiete im Osten antreten musste. Die Demütigungen, wie beispielsweise der Diebstahl der Quadriga vom Brandenburger Tor, enden nicht mit symbolischen Akten. Anders als die Rheinstaaten im Rheinbund, welche auf Napoleons Seite standen und dessen Monarchen von ihm profitierten, leistete Preußen lange Widerstand. Sowohl rhetorischen als auch militärischen. Für diese Impertinenz sollte es büßen, so wollte es Bonaparte.  Für die nationalen Kräfte in den deutschen Landen war die Unterjochung durch Frankreich nicht hinnehmbar. Heinrich Friedrich Karl von und zum Stein, Carl von Clausewitz, Gerhard von Scharnhorst und andere preußische Reformer, die man den aufklärerischen und nationalen Kräften zuordnen könnte, waren wenig angetan von der Unterordnung unter die französische Kaiserkrone. Es folgte die innere Erneuerung Preußens, sowohl die kulturelle als auch die technologische und zivilgesellschaftliche. Nicht alle Ideen der französischen Revolution wurden östlich des Rheins abgelehnt oder für schlecht befunden. Der springende Punkt war der Frondienst, den man als Deutscher plötzlich zu leisten hatte. Gegenüber einem Staat und Kaiser, den man weder kannte noch liebte. Napoleons Streitkräfte schlugen nach Preußen auch die Österreicher und alsbald wandte er seinen Blick auf das gigantische Russland, welches immer noch als die letzte kontinentale Großmacht gegen Napoleon stand. Wenn Russland besiegt worden wäre, gäbe es keine Macht mehr in Europa die dem französischen Kaiser Paroli hätte bieten können. Das französische Imperium würde dann vom Atlantik bis zum Ural reichen. Oder noch weiter.

Im Jahr 1812 überquerten die Streitkräfte Napoleons die Memel. Zu diesem Zeitpunkt bestehen die Truppen des Kaisers nicht mehr nur aus Franzosen, sondern zur Hälfte aus Polen, Deutschen, Italiener, Balkanvölkern und anderen Hilfstruppen, welche er aus allen eroberten Gebieten zusammengerufen hatte. Die genauen Zahlen sind heute Gegenstand der Debatte. Aber etwa ein Drittel der fast 700.000 Soldaten waren deutschsprachige Landeskinder aus Preußen, Württemberg, Bayern, Sachsen, Österreich, Baden und anderen deutschen Landen, wo die Ablehnung gegenüber Napoleon nicht zuletzt wegen der zehrenden Kampagne im Osten immer größer wurde. Man muss das im historischen Kontext betrachten. Preußen und die meisten anderen europäischen Staaten hatten bereits mehrere Jahre Krieg hinter sich und eine ganze Generation von Männern und auch Frauen war im Rahmen dieser Kriege verletzt, getötet oder anders geschädigt worden. Große Teile der mitteleuropäischen Staaten waren von Schlachten verwüstet und vom Durchmarsch der französischen Armee ausgeplündert worden. Napoleons Truppen bedienten sich auf ihrem Weg durch Europa stets im Umland und erpressten, kauften oder plünderten, um sich zu versorgen. Das war eine gängige Praxis zu dieser Zeit und auch in späteren Kriegen. Viele Familien in den deutschen Staaten hatten mehrere Söhne bereits in den Krieg (egal welchen) gegeben und nicht wenige bliebe auf dem Schlachtfeld. Es ist umso leichter die Ressentiments zu verstehen, wenn das Hinterland das französische Heer weiterhin wirtschaftlich unterstützen muss. Vor allem da es gegen Russland ging, den man eigentlich zu den deutschen Verbündeten zählte. Der preußische König schrieb hierzu am Vorabend des Russlandfeldzuges einen Brief an den Zaren mit dem Inhalt : „Beklagen Sie mich, aber verdammen Sie mich nicht. Vielleicht kommt bald die Zeit, wo wir in engem Bunde vereint handeln werden.

Auch im preußischen Offizierskorps war die Stimmung eher gedrückt. Als gute und treue Soldaten fühlten sich Offiziere wie Ludwig York von Wartenburg ihrem Eid und Herren verpflichtet. Dieser war der preußische König, von dem jedoch alle wussten, dass dieser nicht Befehle im Interesse der Deutschen oder Preußens gab, sondern reiner Befehlsempfänger Napoleons war. Der Verlust deutscher und preußischer Souveränität war den Männern im Felde also durchaus bewusst. Preußen war dem französischen Kaiser verpflichtet – gegen seinen Willen und gegen den Willen des Volkes, welches sich in den preußischen, aber auch in den westlich der Elbe liegenden anderen deutschen Ländereien immer wieder gegen französische Besatzungstruppen erhob. Die Zeit von 1807-1812 war durchweg geprägt von sporadisch aufflammenden kleinen Konflikten innerhalb des gigantischen, von Napoleon eroberten Europas. Die teils sehr blutigen Auseinandersetzungen waren kein Geheimnis und nie war die Herrschaft über Europa für Napoleon eine besonders solide Angelegenheit. Dieser Zustand verschlimmerte sich nur, als seine Truppen nach der Erreichung des von den Russen in Brand gesteckten Moskaus den Rückzug antreten mussten. Für den russischen Winter war man nicht vorbereitet. Der Zar nutzte diese Chance um die napoleonische Armee immer wieder in kleine und größere Gefechte zu verwickeln und zu schwächen. Für die Männer im Dienst des französischen Kaisers waren die Monate der Rückzugsgefechte und Eiseskälte demoralisierend, wie wir es uns kaum noch vorstellen können. Während Hunderttausende für Napoleon starben, wurde auch den an ihren Diensteid gebundenen preußischen bzw. deutschen Offizieren etwas klar. Wenn nicht gehandelt wird und keine Befreiung von der Führung Napoleons vollzogen wird, könnte dies das Ende für die eigenen Soldaten und auch für die deutschen Lande bedeuten. Die desaströse Situation, in welcher sich die Grande Armée befand, war nicht mehr zu leugnen und um zu verhindern, dass man mit Napoleons Größenwahn untergehe, fassten einige mutige Männer einen skandalösen Entschluss.

Skandalös und doch treu – Die Entscheidung von York und ihre Implikationen

Der deutschstämmige Generalmajor Hans Karl von Diebitsch diente Zar Alexander und der russischen Armee. Unerwähnt möchte ich nicht lassen, dass ein nicht unerheblicher Teil der russischen Soldaten ebenfalls zumindest teilweise deutscher Sprache und Abstammung waren, sodass nicht ignoriert werden kann, wie nah sich deutsches Preußen und Russland über die Jahrhunderte hinweg standen. Von Diebitsch war der General, welcher am 30. Dezember in Poscherun (heute Litauen), den preußischen York empfing. Im Vorfeld und im Hintergrund hatten bereits jene Verschwörergruppen, zu denen auch Clausewitz, Seydlitz und andere gehörten, an einem ungeheuerlichen Akt des Verrates gearbeitet. Zumindest empfand es Napoleon als einen solchen Verrat, als York den Waffenstillstand zwischen preußischen Korps und russischer Armee unterzeichnete. Es ist insofern ungeheuerlich, dass ein hoher Offizier, also ein Staatsdiener, es wagt die Außenpolitik seines Staates zu bestimmen. York war sich der Konsequenzen und der illegalen Natur seines Handelns voll bewusst, rechtfertigte sich jedoch auf für uns nicht uninteressante Art und Weise. Im Vordergrund stand zunächst die Rettung der eigenen Soldaten. Denn gegenüber diesen hatte York als Kommandeur eine Fürsorgepflicht, die missachten würde, wenn er sie weiterhin durch den russischen Winter auf französischer Seite trieb, während russische Truppen die seinen von hinten beschossen. Das Leben der eigenen Soldaten zu retten hatte also Gewicht bei seiner Entscheidungsfindung. Danach kommt die Verantwortung vor dem Staat und dem König. York argumentiert so, dass er im erweiterten Sinne des Königs gehandelt habe, der das Bündnis mit Napoleon zutiefst ablehne, aber jetzt aufgrund der Lage nicht anders handeln könne. Da sich die Lage aber an der Front zum Nachteil für Napoleon entwickelt habe, sei nun der Moment gekommen, das Bündnis aufzukündigen und Preußens Unabhängigkeit wiederherzustellen. Er sagte :

„Die Armee will den Krieg gegen Frankreich. Das Volk will ihn, der König will ihn, aber der König hat keinen freien Willen. Die Armee muss ihm diesen Willen freimachen.“

Für ihn ist klar, dass wenn Preußen Napoleon weiterhin folgt, seine Auslöschung als politische und unabhängige Einheit bald darauf eintreten könnte. Dass Napoleon verlieren würde, war also absehbar und ebenso, dass die Sieger über Napoleon darüber bestimmen würden, was mit den Besiegten geschah. Hier erkenne ich einen Dienstethos, der sowohl edel, als auch treu ist.  York erkennt, dass jeder weitere Kampf gegen Russland sinnlos ist und nur mit dem Tod enden kann. Die Freiheit und das Überleben Preußens und damit auch ein Stück deutsche Souveränität sind ihm wichtig. Seine Loyalität gegenüber Napoleon basiert auf einem Kontrakt, den sein König unter Zwang unterzeichnen musste und welcher nicht im Sinne des deutschen Volkes ist. York beruft sich bei seinem Verrat also darauf, dass er eben kein Verräter ist. Zumindest verrät er nicht seinen eigentlichen Dienstherren, das Volk. Ähnlich wie Friedrich der Große, der sich als Erster Diener des Volkes sah. So ist auch York als Staatsdiener nur dem obersten Diener und seinem Träger, dem Volk, verpflichtet. Die Verpflichtung gegenüber Napoleon, einem Fremdherrscher, ist für ihn damit nichtig. Eine Loyalität sticht also die andere aus. Obwohl Napoleon theoretisch sein oberster Befehlshaber gewesen wäre, erkennt er dessen Autorität nicht an, da sie nicht mit dem Willen des eigenen Volkes im Einklang steht.

Der preußische König ist zunächst überrascht, sogar ein wenig erbost über die Anmaßung Yorks. Aber dieses Wagnis ist es, welches in Preußen und dann in ganz Europa die Mühlen einer neuen Erhebung anwirft. Beim Bekanntwerden dieses ungeheuerlichen und unerwarteten Bündnisses zwischen preußischen und russischen Soldaten bricht in Norddeutschland und in Ostpreußen eine nationale Widerstandsbewegung hervor, die nur auf diesen Moment gewartet hat. Zar Alexander kann dieses historische Momentum nutzen um Napoleons Truppen aus Russland heraus zu drängen und mit dem preußischen König den alten Bündnisvertrag mit neuem Leben zu erfüllen. Ein Jahr später stehen dann deutsche und russische Soldaten Seite an Seite in der schicksalhaften Konfrontation bei Leipzig.

19:07 Publié dans Histoire | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : histoire, allemagne, prusse, 1813 | |  del.icio.us | | Digg! Digg |  Facebook