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mardi, 03 mai 2016

Die irische Rebellion

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Die irische Rebellion

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Ex: http://younggerman.de

800 Jahre Fremdherrschaft

Irische Butter und Kleeblätter – dazu ein paar Kobolde in Goldtöpfchen und ein seit einer halben Ewigkeit anhaltender Kleinkrieg auf Sparflamme. Der Nordirlandkonflikt mag Angesichts der dringenderen Probleme an den Grenzen der EU aus den Medien verschwunden sein. Aber er hat relativ wenig an Aktualität verloren. Irland ist nicht mehr das „Backwater country“ von früher, wo englische Lords über die Massen an Leibeigenen und verarmten Kleinbürgern herrschen konnten. Die Éire hat ihre Unabhängigkeit zumindest teilweise zurückgewonnen und dennoch schwelt unterschwellig der Konflikt zwischen Iren und Briten weiter. Viele Stimmen in der irischen Bevölkerung und in der britischen sind durchaus der Meinung, dass man endlich das Kriegsbeil begraben und die Vergangenheit ruhen lassen sollte. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, wenn man zurückblickt und sieht, dass der Groll der Iren tief sitzt. Für die Briten waren die letzten 800 Jahre ihrer Geschichte eine Abfolge von Siegen und großen Errungenschaften. Über die britischen Könige des Mittelalters, der englischen Vormachtsstellung in Europa und später durch das Empire auf dem ganzen Globus, bis zu den Siegen in den Weltkriegen. Industrielle Revolution, Bürgerrechte und Liberalismus machten aus Britannia die prägende Nation von weltgeltung, die Irland niemals war und wohl niemals sein wird. Iren und Briten haben ein ganz unterschiedliches historisches Gedächtnis. Im Jahr 1169 wird ein weiterer Schritt für die Dominanz Britanniens in den Geschichtsbüchern gesetzt, als die Normannen die irische Insel erobern und die einheimischen Bewohner in die vergleichsweise öden Teile ihres eigenen Landes verbannen. Es beginnt eine brutale Eroberungskampagne, wie damals überall so üblich, welche die katholischen Iren zu unfreiwilligen Untertanen des aufsteigenden englischen Machtzentrums macht. Man fühlt sich automatisch an den alten griechischen Melierdialog erinnert, in welchem die militärisch stärkeren Athener den Meliern folgendes an den Kopf warfen :

„the strong do what they can and the weak suffer what they must“ 

Die englische Insel war der irischen Insel militärisch überlegen und die Konsequenz dieser Überlegenheit war die totale Unterwerfung unter die Herrschaft der Engländer, die bei aller Gerechtigkeit nicht sonderlich besonnen oder feinfühlig mit ihren irischen Nachbarn umgingen. Dies mag jedoch der Moral der Zeit geschuldet sein, welche in den unteren Schichten der Gesellschaft (und dazu gehörten faktisch fast alle Iren) keine sonderlich wichtigen oder schützenswerten Elemente sah. Die Geschichte der Iren ist in den nächsten 400 Jahren eine Abfolge von Repression und Revolution gegen die neuen Herrscher; ein beständiges Aufbegehren gegen die besitzenden Eliten und ihre Militärmacht. Rückständige Clans der irischen Einwohner waren jedoch keine ernstzunehmende Bedrohung für die erstarkende Macht an der Themse. Es ist für die Iren bedauerlicherweise so, dass selbst bei erfolgreichen Revolten im Innern der irischen Insel, mit Regress von Osten zu rechnen war.

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Oliver Cromwell nahm einen solchen Regress an den Iren in seiner berüchtigten Strafexpedition im 17. Jahrhundert. Für die Briten ist Cromwell ein elementarer Teil ihrer durchaus ruhmreichen Geschichte. Für die Iren ist er der Dschingis Khan der grünen Insel, der brutalste Verbrechen an der Bevölkerung dort begang und die Insel nach einer kurzen Revolte dort wieder unter die Herrschaft der Krone brachte. Die an den Iren verübten Gräuel sind für die Zeit relativ dokumentiert und erinnern an die deutschen Ereignisse im Dreißigjährigenkrieg, wo ähnliche Verbrechen an der leidenden Zivilbevölkerung begangen wurden. Überhaupt erinnert Irland an eine Art übergroßes Brandenburg, dass mit ländlicher Rückständigkeit und bäuerlichem Charme besticht. Eben Brandenburg ohne ein Preußen und daher ohne Glanz und Macht. Irland gehörte auch zu jenen Ländern, die ähnlich wie Brandenburg von der Kartoffel profitieren sollten. Für eine Zeit lang zumindest, bis die Kartoffelfäule 1846 bis 1849 in der Großen Hungersnot gut bis zu 2 Millionen Iren dahinraffte. Und obwohl es sehr besorgte Stimmen im Königreich Großbritannien gab, welche sich für das Leid der hungernden Iren stark machten, geschah von Seiten der Regierung nichts. Tatsächlich hatte sie die Fäule durch die repressive Agrarpolitik mitverursacht und es gab sogar solche Individuen wie Sir Charles Edward Trevelyan, welche in den Iren minderwertige Subjekte sahen. Für ihn war die Fäule und die Hungersnot eine gerechte Strafe Gottes und der Tod von Millionen Iren wurde von ihm sogar begrüßt. Das ist insofern wichtig, da er als Administrator Einfluss auf die britischen Politik ausübte und verhindern konnte, dass Nothilfe die Iren erreichte. Der psyschologische Effekt, wenn ein Viertel der Bevölkerung stirbt, ist dramatisch und sollte den Deutschen sehr wohl bekannt sein. Wir haben im Dreißigjährigen Krieg und vorher mit der Beulenpest ähnliche Gräuel durchgestanden. Für die Iren ist es das prägenste und bis heute wichtigste Ereignis der jüngeren irischen Geschichte. Ähnlich dem Völkermord an den Armeniern von der Dimension. Für viele Iren besteht kein Zweifel, dass die Briten einen Genozid begangen haben. Zustimmung erhalten die irischen Positionen hier vor allem aus Indien, wo während und zwischen den Weltkriegen ähnliche Hungersnöte innerhalb der indischen Bevölkerung zu Millionen Toten geführt haben. Auch hier waren die Briten indirekt oder direkt verantwortlich. Eine Fußnote in der Geschichte des Empires, die weniger ruhmreich ist und von vielen lieber verdrängt wird.

Nordirland ist der letzte Brückenkopf

Nun geht es aber um den Konflikt im „Heute“ und man sollte sich gut vorstellen können, warum vielen Iren es sehr schwer fällt, die Vergangenheit zu begraben und einfach „Frieden“ zu haben. Nicht nur wäre dies ein Bruch mit dem seit 800 Jahren andauernden Widerstand gegen die Briten, sondern es gibt einen omnipräsenten Grund in der Jetztzeit. Nämlich Nordirland. Das Stück fruchtbare Land im Nordosten, welches von der Krone nicht zurückgegeben wurde bei Gründung des unabhängigen Irlands. Es ist die letzte Erinnerung an die englischen-protestantischen Kolonialherren, die dort auch heute noch leben. Unionisten, welche lieber beim Königreich verbleiben würden und sich großteils nicht als Iren sehen, wenngleich sie ihr Protektorat mit vielen katholischen Iren teilen müssen. Wenn die Geschichte anders verlaufen und die Iren die dominante Insel gewesen wären und heute einen Teil Englands halten würden, wäre es wohl genau anders herum und die Iren wären die fremdländischen Besatzer. Aber so ist es nicht und die Iren sind die Schwachen in diesem Konflikt. Nordirland exisitiert als beständige Präsenz des für die Iren grausamen Empires und es vereint gleich drei Probleme in einem Land.

Erstens: Die verschiedenen Identitäten; katholisch Irisch oder britisch-protestantisch – für Nordirland ist dieser ethnisch-religiöse Konflikt von immenser Bedeutung, gewinnt er doch durch einen gewissen Klassenkonflikt noch an Intensität.

Zweitens: Nordirland ist ein Teil des Vereinigten Königreiches und gehört zur Krone. Für die Iren ist jedoch die gesamte irische Insel ihre Heimat und sie erheben Anspruch auf den Besitz der ganzen Insel. Dies ist für Irland von brisanter Bedeutung, da Großbritannien die Souveränität der Iren dadurch unterwandert. Eine starke militärische Präsenz durch Briten während des Kalten Krieges brachte auch die Iren in ein gewisses Dilemma, da ihre Insel selbstverständlich zum Ziel wurde für nukleare Schläge im einem Schlagaustausch zwischen UDSSR und USA. Vor allem deshalb, weil die Iren sich sonst verhältnismäßig neutral halten.

Drittens: Ökonomische Ungleichheit zwischen Iren und Briten – obwohl die Verhältnisse längst nicht so dramatisch sind wie noch vor einigen Jahrzehnten, gibt es doch eine Diskrepanz zwischen Briten und Iren was ihren Wohlstand angeht. Für die besitzenden Klassen aus Großbritannien und viele alteingesessene Adlige, besteht ein Interesse am Erhalt von Nordirland da sich dort ihr Besitz befindet. Viele Iren sehen in den wohlhabenden Unionisten jedoch eine Fortführung britischer Elitentradition.

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Es ging immer gegen London

Es ist jener letzter ökonomischer Faktor, welcher die irischen Revolutionäre auch immer wieder in die offenen Arme sozialistischer Ideologien trieb. Katholischer Kommunismus der Iren, gepaart mit einem Nationalismus und einer antiimperialistischen Färbung, streckte oft die Hände aus. Manchmal nach Moskau und manchmal nach Berlin. In beiden Weltkriegen suchten irische Nationalisten/Revolutionäre Hilfe im Ausland – egal wo. Hauptsache es ging gegen die Briten. So halfen deutsche Agenten irischen Nationalisten im Ersten Weltkrieg und auch von Seiten des aufbegehrenden Sozialismus bekamen die Iren immer wieder Hilfe. Bis heute. Es passt auch zur proletarischen Natur und Geschichte der Inselbewohner, die sich nicht als Eliten verstanden haben und auch keine waren. Eine Kritik die man wohl an den Aufständischen äußern muss, ist ihr unkritisches Verhalten gegenüber vermeintlichen Verbündeten im Kampf gegen Großbritannien. Solange der neue Allierte sich ebenfalls im Kampf gegen die Briten betätigt, wird über seine Fehler hinweg geschaut. „Der Feind meines Feind ist mein Freund“. Der Aufstand der Iren ist die Revolte der Schwachen und Kleinen und das war er schon immer.

Die Iren haben in diesem Konflikt ihr Land verloren, ihre ursprüngliche Sprache (das Englische wurde ihnen aufgezwungen) und sie haben Millionen ihrer Angehörigen verloren. Es ist vielleicht die Verzweiflung, welche sie in düsteren Gefilden nach Allianzen suchen lässt.

Ein Spaziergang durch die Straßen Nordirlands erinnert an arabische Städte, wo die Graffities von Märtyrern mit Sturmgewehren an jeder zweiten Hauswand kleben. Wenn die Iren jedoch glauben, in den Palästinsern oder generell in arabisch-islamischen Terroristen Freunde zu haben, weil diese ebenfalls gegen Großbritannien kämpfen, dann irren sie sich. Zwischen Belfast und Beirut liegen eben doch – Welten.