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mercredi, 28 mai 2014

Aktenzeichen RAF ungelöst

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Aktenzeichen RAF ungelöst

von Gereon Breuer

Ex: http://www.blauenarzisse.de

Die RAF-​Terroristin Ulrike Meinhof wurde in der Wohnung von Fritz Rodewald verhaftet. Er ist untrennbar mit der letztlich unverarbeiteten Geschichte der RAF verbunden.

An Fritz Rodewald scheiden sich noch immer die Geister. Der Mann, dessen Hinweis am 15. Juni 1972 zur Verhaftung von Ulrike Meinhof führte, ist rechts wie links nur ungern gesehen. Die Linke hat ihm den „Verrat“ bis heute nicht verziehen. Die Konservativen sehen es ihm nicht nach, dass er die Belohnung für die Meinhof-​Verhaftung an die „Rote-​Hilfe“ spendete – zwar anonym, aber trotzdem.

Fluchthelfer verrät Terroristen

Zunächst die Fakten: Fritz Rodewald wird am 14. Juni 1972 gegen Abend von einer Frau aufgesucht, die ihn bittet, zwei Personen – einem Mann und einer Frau – am nächsten Tag Unterschlupf zu gewähren. Das ist für Rodewald nicht ungewöhnlich, denn er ist engagierter „Fluchthelfer“ für desertierende US-​Soldaten, die vor ihrer Dienstpflicht nach Schweden fliehen. Bei ihm sind oft Personen zu Gast, die er nicht kennt. Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass es sich bei den beiden Personen, die bei ihm unterkommen sollen, um Ulrike Meinhof und Gerhard Müller handeln wird – zwei europaweit gesuchte Topterroristen, Schwerverbrecher von linkem und damit ganz besonderem Kaliber.

Rodewald bespricht die Sache zunächst mit seiner Frau, die als erste den Verdacht hegt, es könne sich bei den beiden Personen um Angehörige der RAF handeln. Am nächsten Tag bespricht sich Rodewald mit einem Freund, der ihm rät, zur Polizei zu gehen. Beim Landeskriminalamt in Hannover nimmt man ihn nur mäßig ernst, will seinem Hinweis aber nachgehen. Als Fritz Rodewald am Abend des 15. Juni von einem Schulausflug zurückkehrt – Rodewald war Volksschullehrer – da wird er in seiner Wohnung unter anderem von zwei Polizisten mit Maschinenpistolen erwartet. Ulrike Meinhof und Gerhard Müller sind zu diesem Zeitpunkt schon in Haft, obgleich noch niemand genau weiß, wer dort festgenommen wurde. Erst eine Röntgenaufnahme von Ulrike Meinhofs Schädel leistet ihre zweifelsfreie Indentifizierung: Aufgrund einer Tumor-​Operation wurde ihr eine Silberklammer in den Schädel eingesetzt und – Ironie der Geschichte – am Tag ihrer Festnahme trug sie eine Ausgabe des Spiegel bei sich, in der mit Bildbeweis von dieser Besonderheit berichtet wurde.

Er lehnt Ehrungen ab – die Linken lehnen ihn ab

Rodewald, der für seinen maßgeblichen Beitrag im Kampf gegen den linken Terrorismus alle Ehren verdient, lehnte alle Ehren ab – so unter anderem das Bundesverdienstkreuz. Als Verräter gebrandmarkt schaffte er es kaum, im Anschluss an die Verhaftung der beiden RAF-​Terroristen ein normales Leben zu führen. Mit dem Tode aus dem linken Milieu bedroht, musste er lange Zeit untertauchen. Noch mehr als dreißig Jahre nach der Festnahme schaffte er es nur unter Schwierigkeiten, in einern Hannoveraner Boule-​Club aufgenommen zu werden. Viele der dortigen Mitglieder, bei denen es sich zu einem großen Teil um ehemalige Angehörige der Sponti-​Szene handelt, wollten den „Verräter“ Rodewald nicht in ihren Reihen haben.

So ist Fritz Rodewald untrennbar mit der letztlich unverarbeiteten Geschichte der RAF verbunden. Sein Bruder Bernd Rodewald arbeitete in einem Vortrag fundiert heraus, dass eine Aufarbeitung der Geschichte der RAF bis heute weitgehend unterblieben sei. Insbesondere der schulische Geschichtsunterricht vernachlässige das Thema konsequent. Offene Fragen hat das Thema RAF indes genug. So ist etwa bis heute ungeklärt, durch wen Ulrike Meinhof zu Tode kam. Niemand weiß, warum der Vorsitzende Richter des Stammheimer Prozesses ihr Angebot zur Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden am Vortag ihres Todes ablehnte und ob hier ein Zusammenhang besteht.

Viele Antworten schlummern noch in den Archiven

Eine ähnliche Unwissenheit herrscht bezüglich der Verantwortlichen für die meisten Opfer der RAF. Schleyer, Buback, Rohwedder, von Braunmühl, Herrhausen – um nur einige zu nennen. Wer war es, der sie ermordete und warum? Niemand weiß es mit Sicherheit zu sagen. Wo aber wären Antworten auf diese Fragen zu finden, wenn man sie denn wirklich finden wollte?

Ein Ansatzpunkt könnten etwa die CIA-​Akten aus der Zeit der Teilung Berlins aus den 70er-​Jahren sein. Deren Sperrfrist läuft nun Jahr für Jahr aus. Es könnten sich darin Erkenntnisse finden, etwa über die genaue Beteiligung des SED-​Regimes an Organisation und Finanzierung der RAF. Auf eine Auswertung dieser Akten zu dringen wäre weitaus produktiver, als in der Causa NSA in Washington zu Kreuze zu kriechen – auch und besonders für Angela Merkel. Zudem hätte dies den unschlagbaren Vorteil, den seit Jahrzehnten ins Kraut schießenden Verschwörungstheorien in Sachen RAF endlich einen Riegel vorzuschieben. Vorausgesetzt natürlich, dass das seitens der Bundesregierung überhaupt gewollt ist.

Bild: Ulrike Meinhof als junge Journalistin