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jeudi, 15 novembre 2007

Der antibürgerliche Evola

Der antibürgerliche Evola

Junges Forum Nr. 6: Evola von links! Metaphysisches Weltbild - Antibürgerlicher Geist

Mit Beiträgen von Alexander Dugin, Julius Evola, Falk Liepe;

56 S., geheftet. Regin Verlag: Straelen 2006.

Achtung, Vorsicht! Evola von links! Nein, ich kann Sie beruhigen, der Baron ist kein Geisterfahrer. Er ist das, was er immer war, ein antibürgerlicher Rechter, zwischen Tradition und Idealismus, Avantgarde und Reaktion. Auf dem Cover prangt seine Karikatur als feister Bourgeois, aber das ist natürlich ein Irrtum. Denn er hat seine Antibürgerlichkeit in keiner Phase seines Lebens verleugnet. Der im Heft auch abgedruckte Aufsatz "Unsere antibürgerliche Front" steht ja bei weitem nicht alleine, und von allen Vorwürfen die man an Evolianer richten kann, wäre der am unbegründetsten, das man dies nicht erkannt hätte. Im Gegenteil: man hat eine äußere Attitüde daraus gemacht, genauso wie man "heidnischen" Rahm von seinem Werk abzuschöpfen versuchte, ohne sein Fundament, die Tradition, zu verstehen. Falk Liepe, der den längeren Aufsatz "Revolution und Tradition" in diesem Jungen Forum verfaßt hat, können diese Vorwürfe nicht gemacht werden. Er "entdeckt" nicht nur das, was es nicht zu entdecken gibt, sondern höchstens zu begründen – damit nicht die Antibürgerlichkeit selbst zum spießbürgerlichen Assecoir wird (*) - , da es zu offensichtlich ist, sondern erspart uns auch nicht die Kritik Evolas am Nationalismus und am Naturalismus, die der hiesigen "Rechten" vielleicht unangenehm sind, deswegen aber noch lange nicht links (im Gegenteil!) Sein Aufsatz ist jedoch keine Evola-Exegese. Wer vom Titel her, ein Heft über Evola erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht sein. Bis auf den sehr kurzen Text aus Alexander Dugins nationalbolschewistischer Epoche, das dem Heft den Titel gegeben hat, und tatsächlich über Evola und auch auf dessen Rezeption von links reflektiert, ist es vielmehr ein Heft im evolianischen Rahmen (und teilweise am Schluß auch darüber hinausgehend oder auch –schießend), das auch z.B. Edgar Julius Jung als Referenz heranzieht, aber auch Karl Marx als Kapitalismuskritiker, aber es ist ein "Marx von rechts", insofern nicht Evola der marxistischen Analyse unterworfen, sondern Marx (bzw. manche seiner Aspekte) in eine sich als evolianisch verstehende Perspektive eingemeindet wird. (**)
Liepe schreibt: "Die Perversität der kapitalistischen Logik müßte auch dem letzten Nationalisten einleuchten", und das wird sie wohl tatsächlich. Nicht unbedingt zu erwarten ist jedoch, unserer Erfahrung nach, daß er weiß, daß diese Logik nicht idealistisch überwunden werden kann, also indem man richtige Prinzipien der falschen Wirklichkeit entgegenhält – und das scheint auf längere Strecken auch die Schwäche des Textes zu sein, bevor sich der Autor dann natürlich noch dessen bewußt wird, dazu später mehr -, und es wird ihm vielleicht nicht einleuchten, daß der Kapitalismus und der Nationalismus historisch nicht nur gleichzeitige Erscheinungen sind, sondern der Nationalismus auch aus der ersten, konstitutiven Phase der Kapitalakkumulierung, in der der bürgerliche Nationalstaat zum Schutz der Kapitalisten erforderlich wird und daher gegen den traditionsgebundenen "wahren" Staat von Thron und Altar durchgesetzt wird, stammt, und seine historische Funktion in den entwickelten Staaten in der nächsten Phase, der Globalisierung, verloren hat. Liepe trägt dem Rechnung, indem er sich mit seiner Studie dem Eurasien-Gedanken anschließt. Er geißelt auch die "Rechte", die immer sein Bezugsrahmen bleibt, auch für die Islamfeindlichkeit, und insgesamt schließt sich dieses Heft schön an die beiden früheren Nummern des "Jungen Forums" an, die "Eurasien über alles!" und "Der Islam und die Rechte" betitelt waren. Den Lesern sei deren ergänzende Lektüre empfohlen.
Und jetzt kommen wir zu der Schwäche des an sich sympathischen Ansatzes des Autors. Eine Schwäche, die auch den nicht in das System integrierten Linken bewußt sein dürfte, sofern diese sich nicht mit dem Dreschen alter Phrasen begnügen. Die Revolution ist schön, ihre Prinzipien klar und das Ziel deutlich – na ja, vielleicht weniger deutlich, aber irgendwie doch – vor Augen. Wer macht´s? Vom Standpunkt der Tradition kommt hier natürlich noch ein entscheidender, vom Autor anscheinend nicht reflektierter, jedenfalls nicht verbalisierter, Einwand hinzu, denn man will und kann ja nicht ex nihilo die Tradition neu erschaffen. (***) Liepe widmet sich der Frage nach dem "revolutionären Subjekt" sozusagen, in seinem Epilog und formuliert: "Es wäre in jedem Fall zu begrüßen, wenn sich die Unterklassen ihrer absurden Situation bewußt werden, revolutionäre Qualitäten entwickelten und die herrschende Elite absetzten." Also ob begrüßenswert oder nicht, so ist es wohl unmöglich, denn die Unterklassen sind nicht natürwüchsig, in der Tradition verwurzelt, aber vielleicht marginalisiert, sondern sie werden vom Kapitalismus hervorgebracht. Ihr Bewußtsein ist das Bewußtsein der Bewußtseinsindustrien, abgestimmt auf die natürliche Triebwelt, die so instrumentalisiert wird, daß sie genügend Befriedigung erhalten, um in der Tretmühle zu bleiben, und soviel Bildung, wie zur Bedienung der Maschinenwelt notwendig ist. Ein Sonderfall sind Migranten, die aus Gebieten mit noch einigermaßen vorhandener Traditionsverwurzelung stammen, in erster Linie aus der islamischen Welt. Aber auch die Frage der Wünschbarkeit stellt sich. Warum sollten die neuen Herrscher besser sein als die alten? Bei Marx ist es der Taschenspielertrick der Hegelschen Dialektik (****), mit dem selben Trick vom selben Meister bedienen die gar nicht so wenigen deutschen nationalistischen Ideologen, um ganz andere Ergebnisse herbeizuzaubern, von dem bürgerlichen Nationalstaat als nicht mehr zu übertreffendes Produkt der Geschichte, über Aufstände des deutschen Geistes, die alle daran kranken, daß sie aus Idealismus Reales erzeugen möchten. Marx hat dies nun angeblich dadurch überwunden, indem er in der Arbeiterklasse den Vertreter des Allgemeinmenschlichen identifiziert, deren Privation durch die Unterwerfung unter die kapitalistische Produktionsweise sie gerade befähigen soll, das System aus der Angel zu heben, und im Sozialismus den im Kapitalismus potentiell vorhandenem Überfluß an alle zu distributieren. Darauf ist er nicht durch die realistischen Schilderungen der Lebensumstände der Arbeiterklasse (wie sie Engels verfaßt hat) gekommen, sondern weil sein Kopf verhegelt war. Die überprüfbare Wirklichkeit ist banaler: der Arbeiter will nicht das befreite Individuum werden, sondern endlich selber Bürger (Besitzender), nur auf die Bildungsbürgerlichkeit verzichtet er gerne. Es kann auch gar nicht anders sein, die Idee daß der Kapitalismus seine eigene Aufhebung hervorbringt, ist eben nur eine Idee, die nicht deswegen real wird, weil sie "vernünftig" ist. Tatsächlich mag der Kapitalismus sein Ende hervorbringen, aber nur als Auslöschung, als Katastrophe der Vernichtung jener technischen Möglichkeiten, die auch – nach Marx – Voraussetzung für den Sozialismus wären. Von rechts her gesehen, gilt es nicht seine Lieblingsklasse zu finden, sondern das System der Klassen durch Kasten zu ersetzen. Dies kann – rein hypothetisch – so funktionieren, daß die bestehenden Klassen in Kasten rückverwandelt werden, dies ist das Ziel des Ständestaates (Spann, Heinrich). Aber genauso möglich wäre es, die Kasten völlig neu zu konstitutieren, eine revolutionäre Lösung. Dies ließe sich von Dugins Behauptung (in "Evola von links betrachtet" in diesem Heft) Evola hätte die Klasse mit der Kaste verwechselt, her entwickeln. Tatsächlich hat Evola die Degeneration der Kasten zu Klassen ja genau beschrieben. Es sind eben alle Klassen heute deformiert, weil die lebendige Verbindung zur Traditionswelt vernichtet wurde, auch und gerade die "Unterklassen" – und im übrigen sind Revolutionen immer nur von aufsteigenden und nicht von absteigenden Klassen durchgeführt worden (dies richtet sich allerdings auch gegen Evolas reaktionären Irrtum, man könnte jetzt die geschichtlichen Revolutionen in umgekehrter Richtung durchlaufen.)
Es gibt nur eine andere Alternative, und die schmeckt den "Nationalisten" genauso wenig wie den meisten heutigen und hiesigen Linken. Nämlich diejenigen Völker zu unterstützen, die noch eine Verbindung zur Tradition haben, und denen der Kapitalismus als Äußeres gegenüber tritt, als Imperialismus. Die antiimperialistische Haltung der "nationalrevolutionären" Rechten in Italien oder Frankreich, die von engstirnigen Nationalisten vor allem in Deutschland als Verrat an der weißen Rasse gesehen wird, ist keine "Drittwelt-Romantik", sondern beruht auf der Vision einer Rückkehr Europas zu den Prinzipien der Tradition, durch Zerstörung desjenigen Imperialismus, der zuerst die europäischen Traditionen weitgehend ausgelöscht und danach die Vernichtung der außereuropäischen Traditionen in Angriff genommen hat. Der Träger des völlig traditionslosen Imperialismus sind die USA und deren in einem traditionsverbundenen System verwurzelte Gegner ist der Islamismus. Jedenfalls in der augenblicklichen historischen Lage gilt: Tertium non datur. Das haben jene antiimperialistischen Linken erkannt, die nach Zögern und mit Zähneknirschen dessen Avantgardefunktion im Befreiungskampf erkannt haben, das haben jene Rechten nicht erkannt, die sich gleich mit den USA und dem Islam anlegen wollen (man kann nie genug Feinde haben) oder als Neutralisten den Kopf in den Sand stecken möchten, in dem sie ansonsten ihre Burgen bauen, Bürger ganz eigener Art.
Voranstehende Ausführungen sollen an die Überlegungen Liepes mehr anschließen als diesen kritisieren, denn sein Text ist in jedem Fall eine anregende Lektüre.

(*) Das beliebteste ist natürlich die Denunziation des bürgerlichen Moralismus, dem natürlich Evola – Leben wie Werk - völlig zuwiederläuft. Nun scheint der Moralismus im allgemeinen doch so etwas wie ein toter Hund zu sein, auf den einzuprügeln nicht sehr tapfer ist. Wichtiger ist es, in Bezug auf Evola, hervorzuhaben, daß Evola der Vertreter einer starken und strengen Ethik war, der aristokratischen, heroischen, unzeitgemäßen, "arischen". Und was die Moral betrifft, so bemüht sich Liepe ein bißchen hilflos um eine Erledigung Kants, dessen infantile Formulierung "Was du nicht willst daß man dir tut, das füg auch keinen anderen zu" eigentlich auf Rabbi Hillel zurückgeht. In diesem Zusammenhang interessanter schiene es die Formulierung als "allgemeines Gesetz", gedacht analog zu den Naturgesetzen und damit in Konsequenz des bürgerlichen Bewußtseins auch der ökonomischen Gesetze, aufzugreifen, und dann zeigt sich daß es tatsächlich kein äußerer Zwang ist, sondern die Frage welche meiner möglichen moralischen Entscheidungen universalierungsfähig wäre, und das Widerstandsrecht daher systemintern aus richtigen Gründen abgelehnt wird (was Liepe moniert). Die Kritik an Kant hat nicht zu lauten, daß er der äußeren Autorität folgt, sondern daß er dies nicht tut. Aber das Problem mit der bürgerlichen Moral ist ein viel grundsätzlicheres. Die bürgerliche Moral heißt in ihrer Reinform nämlich ganz anders: Private Laster, öffentliche Tugenden. Der gesamte kapitalistische Werbeapparat beruht darauf, sich auf sämtliche Todsünden einzulassen, da sie den Konsumationsmechanismus antreiben. Den Widerspruch zu den öffentlich verkündeten moralischen Grundsätzen des Anstands hat das Individuum zu (er)tragen, das ist dann seine "moralische Autonomie". Der erwähnte Grundsatz, nachdem man dem anderen nichts antun soll, was man nicht selber erleiden möchte, ist genau derjenige nachdem man im Kapitalismus nicht handeln darf, wenn man die von den Marktgesetzen vorgegebene Konkurrenz überleben will. Er kann daher von den Marxisten zurecht als Vorschein des sozialistischen Humanismus in Anspruch genommen werdne.

(**) Mit der Marxrezeption beschäftigt sich auch eine kurze Buchvorstellung in diesem Heft, betitelt "Fetischismuskritik statt Produktionskult". Liepe ist beizupflichten, daß eine Kritik der Zirkulationssphäre bei unveränderter Produktionssphäre völlig abgehoben von der Realität ist. Eine Durchführung des Zinsverbots im Rahmen des Kapitalismus schafft diesen natürlich nicht ab, aber beschneidet ihn. Wenn der Zins in vorkapitalistischen Gesellschaften keine große Rolle gespielt hat, so eben auch wegen des Zinsverbots in den traditionellen Religionen (im Judentum ist das Zinsverbot nur auf die Stammesgenossen bezogen, die Ausbeutung von Nichtjuden erlaubt). Man kann sich natürlich darüber streiten inwiefern dies die Heraufkunft des Kapitalismus hat bremsen können – oder hätte können, wenn man sich daran gehalten hätte. In jedem Fall ist der Zins schon eine Vorform des Kapitalismus innerhalb der traditionellen Gesellschaften und daher geächtet, insofern auch hier die Geldvermehrung das ausschließliche Ziel ist, ein Ziel dem dann später die Produktionsweise unterworfen wird. Wenn man Marx gegen den Vorwurf der positiven Sicht des Zins verteidigen will, so müßte man doch umgekehrt auch erwähnen, daß Marx den ganzen Kapitalismus und das Bürgertum verteidigt, insofern es erst die Voraussetzungen für den proletarischen humanistischen Sozialismus schafft – und nicht für "neue Hierarchien", sondern das Entstehen neuer Hierarchien unmöglich macht, denn nur mehr der Geldbesitz bemißt den sozialen Stand, und wenn dieses beseitigt oder zumindest gleich verteilt ist, dann... soweit jedenfalls die Theorie.

(***) Evola sah, wie klar aus dem abgedruckten Text über die "antibürgerliche Front" hervorgeht, demgegenüber die "richtige" faschistische Revolution darin bestehend, daß zunächst eine Revolution gegen die Arbeiterklasse, dann eine Revolution gegen das Bürgertum durchgeführt wird, die geschichtliche Abfolge nach rückwärts durchlaufend. Dies ist ein reaktionärer Ansatz, der völlig unverdaulich für einen "Evola von links" ist, aber auch nicht sein letztes Wort in dieser Frage ist, sondern sein Versuch, die unabhängig von ihm existierende faschistische Bewegung zu lenken. Er nimmt damit offensichtlich die am weitesten rechts stehende Position innerhalb des Spektrums des Faschismus ein.

(****) Die sich als Entwicklung des bürgerlichen Bewußtseins ja ganz hübsch zu lesende Dialektik des Denkens wird von Hegel auf das Reale übertragen, in der Tradition, nach der "Sein und Denken dasselbe" sind. Die Dialektik ist keine überzeitliche Gegebenheit, sondern Ausdruck der Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Individuums, worauf wir in Bezug auf die Moral schon hingewiesen haben, es gilt auch für andere Bereiche. Evolas absoluter Idealismus bezieht sich nicht auf Hegel, sondern auf Stirner, Fichte und teilweise Schelling. Der Prüfstein für die "Realität" seiner Theorie ist die Initiation (oder "Magie" wie in "magischer Idealismus"). Ob die traditionelle Initiation als reale Veränderung des metaphysischen Zustandes von Evolas Philosophie korrekt abgebildet wird, ist eine Frage für sich. Guénon hat diese bekanntlich vehement abgelehnt.

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