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mercredi, 06 mai 2009

Deutsche Zeichen

Vorabdruck aus "Deutsche Zeichen"

Ex: http://baukasten.karlheinzweissmann.de/

Die Geschichte der politischen Symbolik kennt Phasen der Zuwendung und solche der Abwendung. Man schätzt die Bedeutung politischer Symbole nicht zu jedem Zeitpunkt gleich hoch ein und auch ihre tatsächliche Wichtigkeit unterliegt Schwankungen. Gegenwärtig befinden wir uns ohne Zweifel in einer Phase wachsender Bedeutung. Das hängt mit der faktischen Vermehrung politischer Symbole in den letzten zwanzig Jahren zusammen, die wiederum auf die Zunahme politischer Konflikte zurückgeht. Von den herausgerissenen kommunistischen Emblemen in den Staatsflaggen des Ostblocks bis zur demonstrativen Aufrichtung des Sternenbanners auf Ground Zero nach dem Angriff vom 11. September 2001, vom Streit um das Tragen des Kopftuchs durch muslimische Frauen in der westlichen Welt bis zum Versuch, in der EU ein allgemeines Verbot des Hakenkreuzes durchzusetzen, vom Druck einer französischen Briefmarke aus Anlaß des 200. Jahrestags der Schlacht bei Austerlitz bis zur Forderung eines anglikanischen Bischofs karibischer Herkunt, den Sankt-Georgs-Tag mit Stolz zu feiern, von der „orangenen Revolution“ in der Ukraine bis zu den orangenen T-Shirts der israelischen Siedlerbewegung, von der Debatte um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses bis zur Kampagne „Du bist Deutschland“, immer ging es und geht es um politische Symbole. Und das heißt, immer geht es auch um Symbolkämpfe, deren Intensität dabei nicht nur den Grad der Meinungsunterschiede spiegelt, sondern mit dem Symbolgebrauch selbst zusammenhängt.

Symbolgebrauch ist eine Besonderheit unserer Spezies, die sich nicht aus spielerischen oder künstlerischen Impulsen erklären läßt.Arnold Gehlen hat die Vermutung angestellt, daß seine wichtigste Ursache das Bedürfnis nach und die Stabilisierung von Identität war: „Das handgreifliche Sicherverkleiden oder anschauliche Sichgleichsetzen mit einem Tier … war im prähistorischen Stadium des sich erst entwickelnden Selbstbewußtseins die einzige Möglichkeit, das Bewußtsein einer scharf definierten, vereinseitigten Gruppenzugehörigkeit zu erzeugen – und festzuhalten.“ Alles spricht für die Annahme, daß es sich hier um eine anthropologische Gegebenheit handelt, in der religiöse und – im weitesten Sinn – politische Momente zusammenkommen. Das heißt, jede Gemeinschaftsstiftung hat mit Überzeugungen zu tun und ist darauf angewiesen, diese symbolisch auszudrücken, um die Stabilität der Gemeinschaft nach innen wie nach außen zu sichern. Daß echte Symbole das zu leisten vermögen, hängt mit ihrer besonderen Struktur zusammen.

Es handelt sich nicht einfach um eine Abkürzung oder eine Chiffre, sondern um eine Repräsentation von Macht, und diese Repräsentation bringt oft die ideale Absolutheit eines Machtanspruchs besser zur Geltung, als das Repräsentierte. Dieser auf den ersten Blick seltsam anmutende Sachverhalt wird vor allem an den Insignien der alten Monarchien deutlich, in denen das „Reich“ und die „Herrschaft“ selbst waren: Wer Krone, Lanze oder Schwert besaß, der hatte „Reich“ und „Herrschaft“ tatsächlich inne. Symbol und Symbolisiertes durchdrangen sich vollständig. Eine Vorstellung, die sehr alt ist, aber fast bis in unsere Gegenwart hineinragt.

Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging in Japan die Identifikation des Landes mit dem Tenno und die Identifikation des Tennos mit den ihm zugerechneten Symbolen noch so weit, daß sich die Straßenbahninsassen verbeugten, sobald sie am Palast des Herrschers vorbeifuhren, und daß sie im Fall eines Brandes zuerst die Kaiserbilder retteten; nach der Bombardierung von Hiroshima, wird berichtet, seien die Fliehenden stehengeblieben und hätten sich verneigt, wenn ein Bild des Kaisers vorbeigetragen wurde. Als Hirohito dann die Notwendigkeit der Kapitulation über den Rundfunk verkündete, brach Japan augenblicklich zusammen: hilflose Menschenmassen strömten vor den Palast in Tokio, die Post stellte ihren Dienst ein, Züge blieben auf offener Strecke stehen, weil die Lokomotivführer ihren Platz verlassen hatten, die öffentliche Verwaltung kam zum Erliegen, Mitglieder der alten Samuraifamilien versenkten die Klingen der Schwerter, die seit Jahrhunderten in ihrem Besitz waren, in den Seen, der Kriegsminister und zahlreiche hohe Offizier begingen Seppuku oder erschossen sich. Vergleichbares wäre zu diesem Zeitpunkt in Europa kaum noch denkbar gewesen.

Hier machte sich seit dem Spätmittelalter eine Rationalisierung im Umgang mit Symbolen bemerkbar. Die hatte ein deutlicheres Auseinanderrücken von Symbol und Symbolisiertem zur Folge, mit dem Ergebnis einer, wenn man so will: kalkulierteren, Indienstnahme vor allem für politische Zwecke. Allerdings hat das die Intensität der Empfindungen, die sich an Symbole knüpften, verändert, aber nicht auf Dauer gemindert. Mit der Durchsetzung des modernen Staates und dann des nationalen Prinzips erhielten neuartige Zeichen – vor allem Nationalflagge und Nationalhymne – eine Bedeutung, die ganz wesentlich dazu beitrug, die Integration der Vielen zur Einheit und deren Mobilisierung im Hinblick auf das Erreichen immer weiter gesteckter Ziele zu bewirken. Auch diese Entwicklung war von Zeitabschnitten unterbrochen, in denen man mit Skepsis auf die politische Symbolik sah und sie als einen mehr oder weniger überflüssigen Zierrat betrachtete. Aber der Notwendigkeit, durch solche Mittel Identität zu schaffen oder zu erneuern, entkam man nicht.Direkt bestellen über www.antaios.de

00:12 Publié dans Traditions | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : allemagne, symboles, symbolologie, mythes | |  del.icio.us | | Digg! Digg |  Facebook

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