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lundi, 21 mars 2011

Bomben im Namen der Humanität

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Bomben im Namen der Humanität

Michael Wiesberg

Aus: http://www.jungefreiheit.de/

Seit dem Wochenende bombt nun eine neuerliche „Koalition der Willigen“; vorgeblich um in Libyen im Namen der Menschlichkeit eine Flugverbotszone durchzusetzen („Operation Odyssey Dawn“). Das geschieht just in dem Moment, in dem sich die Waagschale zugunsten Gaddafis zu neigen begann, der mit seinen Truppen bereits vor der Rebellenhochburg Bengasi stand, dem Ausgangspunkt der Revolte.

Damit steht die konkrete Gefahr im Raum, daß der zum „Menschheitsfeind“ hochgeschriebene Gaddafi an der Macht bleiben könnte. Die Prognose in meinem letzten Blog, nämlich daß sich der Westen in eine Lage manövriert hat, die nur noch eine militärische Intervention zuläßt, wenn Gaddafis politisches Überleben droht, hat sich damit bereits einige Tage später als zutreffend erwiesen.

Umfassende militärische Intervention

Den Luftschlägen vorausgegangen war in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag eine Resolution im UN-Sicherheitsrat, die vornehmlich von Frankreich, den USA und Großbritannien – Staaten also, die noch vor ein paar Monaten um die Gunst des Gaddafi-Clans gebuhlt haben – betrieben wurde.

Diese Resolution, die mit zehn Ja-Stimmen bei fünf Enthaltungen, darunter auch Deutschland, angenommen wurde, sieht indes nicht nur die Durchsetzung einer Flugverbotszone vor; sie eröffnet überdies die Möglichkeit einer umfassenden militärischen Intervention, wenn in ihr die Rede davon ist, daß „alle notwendige militärische Gewalt“ einzusetzen sei, „um Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete vor Angriffen zu schützen“. Wann das der Fall ist, darüber entscheiden die Gutmenschen der „Koalition der Willigen“.

Die deutsche Stimmenthaltung

Daß sich Deutschland vor diesem Hintergrund der Stimme erhalten hat, ist aufgrund der weitgehenden Implikationen dieser Intervention nachvollziehbar. Entsprechend erklärte der deutsche UN-Botschafter Peter Witte, daß die Anwendung militärischer Gewalt „die Wahrscheinlichkeit von hohen Verlusten an Menschenleben“ erhöhe. Nicht ausgeschlossen werden kann weiter, daß es irgendwann doch zum Einsatz von Bodentruppen kommen wird, um das apostrophierte Ziel zu erreichen, nämlich Gaddafi aus dem Amt zu treiben.

Dessenungeachtet nahm unter anderem der sattsam bekannte Transatlantiker Richard Herzinger, der hier pars pro toto aus der Schar humanitärer Bellizisten herausgehoben sei, die deutsche Stimmenthaltung zum Anlaß für einen Angriff auf Bundesaußenminister Westerwelle, der angeblich „unser Land blamiert“ habe.

Keinerlei „belastbare Informationen“

Deutschland habe sich, so Herzinger, in eine Reihe „mit Rußland und China gestellt“, die er als „notorische Blockierer“  abqualifiziert. Es zeigten sich unter Westerwelle „Symptome einer Regression in die nationalpazifistische Borniertheit“. Herzinger ist indes nicht präzise genug: Deutschland hat sich, um es genau zu sagen, in eine Reihe mit den BRIC-Staaten gestellt, die gemeinhin als Herausforderer der westlichen Führungsmacht USA angesehen werden.

Hier liegen die Frontlinien im Sicherheitsrat und hier liegt der eigentliche Skandal für Richard Herzinger, der als Obergutmensch gerne den publizistischen Herold der „westlichen Wertegemeinschaft“ mimt. Wenn er schon die Argumente Rußlands und Chinas nicht gelten lassen will, sollte er zumindest die indische Begründung für die Stimmenthaltung im Sicherheitsrat studieren. Der indische UN-Botschafter Hardeep Singh Puri erklärte nämlich, der Sicherheitsrat handle, obwohl er über keinerlei „belastbare Informationen“ über die „Lage vor Ort“ verfüge. Überdies gebe es keine Klarheit in Hinsicht auf eine Reihe anderer relevanter Parameter der Intervention. All das sind beste Voraussetzungen für eine neuerliche „Schlacht der Lügen“ mit ihren bekannten propagandistischen Nebelwänden.

Chinas Interessenpolitik

Bleibt die Frage, warum sich China der Stimme enthalten hat, das bei einem politischen Überleben Gaddafis mit Sicherheit zu den Profiteuren gehören würde, weil es einen privilegierten Zugriff auf die Erdölressourcen des Landes in Aussicht gestellt bekommen hat. Der chinesische Botschafter verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung der Arabischen Liga, vom UN-Sicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone zu verlangen.

Mit anderen Worten: China vertritt nach Abwägung aller Argumente offenbar die Auffassung, eine Blockade der Resolution könnte womöglich eine Schädigung chinesischer Geschäftsinteressen im arabischen (und westlichen) Raum zur Folge haben und entschied sich deshalb für eine Stimmenthaltung. So hat jede Seite ihre Gründe. Nur eines ist bei diesen Gründen mit Sicherheit nicht ausschlaggebend, nämlich die Durchsetzung von „Frieden und Demokratie“ für die „Menschen in Libyen“. Genau das aber versuchen, um in der Diktion zu bleiben, bornierte Wertegemeinschafts-Bellizisten wie Herzinger e tutti quanti glauben zu machen.

Michael Wiesberg, 1959 in Kiel geboren, Studium der Evangelischen Theologie und Geschichte, arbeitet als Lektor und als freier Journalist. Letzte Buchveröffentlichung: Botho Strauß. Dichter der Gegenaufklärung, Dresden 2002.

 

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