Ok

En poursuivant votre navigation sur ce site, vous acceptez l'utilisation de cookies. Ces derniers assurent le bon fonctionnement de nos services. En savoir plus.

jeudi, 31 janvier 2013

Entkommunifizierung - Das undurchführbare Projekt in Kroatien

Entkommunifizierung

Das undurchführbare Projekt in Kroatien

http://www.neue-ordnung.at/ 

Neue Ordnung (Graz), IV/2012

vonDr. Tomislav  Sunic

 Nach dem Ende des Kalten Krieges und der kommunistischen Gewaltherrschaft gab es ein weitverbreitetes Bedürfnis nach einer Entkommunifizierung des öffentlichen Lebens in großen Teilen der Bevölkerung Osteuropas. Bürger, die früher Opfer des Kommunismus in Osteuropa waren, verwenden das Wort ‚lustracija’ – eine lateinische Ableitung, die häufig falsch ins Englische als ‚lustration‘ [dt. Reinigung] übertragen wird, die allerdings nicht jene Konnotation einer politischen Säuberung hat wie in englischsprachigen Ländern. Im Kroatischen, Serbischen oder Tschechischen bezeichnet ‚lustracija’ den starken Wunsch und das Bedürfnis, die frühere kommunistische Obrigkeit – von deren Mitgliedern noch immer viele als öffentliche Angestellte, Diplomaten oder Korrespondenten aktiv sind – aus ihrer Position zu entfernen oder zur Rechenschaft zu ziehen.

su3758129066.pngZur Kennzeichnung der gegenwärtigen juristischen und politischen Debatte in Osteuropa lautet der beste Begriff ‚dekomunizacija‘ (Entkommunifizierung), da er in spezifischer Weise das erlittene Unrecht der früheren Opfer des Kommunismus benennt, wobei er gleichzeitig auf die immer noch präsenten kommunistischen Kader und ihre Mitläufer fokussiert. Verstehen läßt sich das Konzept der „lustracija“ bzw. Entkommunifizierung in Kroatien sehr leicht. Die rechtliche Umsetzung ist jedoch beinahe unlösbar. Warum ist das so?

Der Wunsch vieler kroatischer Opfer des Kommunismus nach der Absetzung ex-kommunistischer Bürokraten basiert teilweise auf den abscheulichen Entdeckungen zahlloser Massengräber kroatischer und deutscher anti-kommunistischer Soldaten und Zivilisten, die 1945 und später von den siegreichen jugoslawischen Kommunisten ermordert worden waren.

Die Befürworter der Entkommunifizierung in Kroatien zitieren oft die Europaratsresolution 1481 vom 3. Februar 2006, in der frühere kommunistische Verbrechen scharf verurteilt werden. Diese Resolution ist jedoch rechtlich nicht bindend, und ihre Annahme war weit entfernt von einer generellen Übereinstimmung (99 Abgeordnete stimmten dafür, 42 dagegen).

Es gab eine Menge inoffizieller Kritik in Bezug auf den Wortlaut der Resolution, besonders in Rußland, wobei jedoch auch in Westeuropa insbesondere von vielen linkslastigen Politikern und Journalisten ebenso scharfe Kritik geübt wurde.

 Die kroatische Identität: politische Schizophrenie

Die kleinen Nationen, die nach dem Ende des Kommunismus auf der Landkarte erschienen, fällt es schwer, sich ihrer eigenen Identität bewußt und sicher zu sein. Eine von diesen Nationen ist Kroatien. Noch vor jedem etwaigen Beitritt zu einer supranationalen Gemeinschaft, sowie zur stark herbeigesehnten EU oder NATO, ist es notwendig, daß das offizielle Kroatien seine Identität findet. Sollte es diese im Rahmen antifaschistischer oder antikommunistischer Grundsätze begründen?

In Kroatien deutet die gegenwärtige politische Debatte auf ein schizophrenes Land. Einerseits zementiert die kroatische Verfassung die antifaschistische Hinterlassenschaft des Landes – während gleichzeitig jede Erwähnung des antikommunistischen Erbes peinlich vermieden wird. Andererseits haben Kroatien und seine Politiker über die ganze Zeit seit der Wiedergeburt des Landes im Jahre 1990 lautstark die antikommunistischen Insignien und Abzeichen präsentiert und sogar Sprachfiguren verwendet, die dem Diskurs des früheren antikommunistischen, profaschistischen und pronazistischen Kroatien aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges ähneln (Währung, Medaillen, einige archaische Ausdrücke usw.).

Sollte sich Kroatien dafür entscheiden, antikommunistische Klauseln in die Verfassung aufzunehmen, wie es viele Bürger nunmehr öffentlich befürworten, so wäre die gesamte politische Klasse Kroatiens mit internationaler Isolierung konfrontiert. Im heutigen neoliberalen, globalen System ist es äußerst erwünscht sich „antifaschistisch“ zu nennen, nicht aber „antikommunistisch“.

Es ist offensichtlich, daß die beharrlichsten Unterstützer des Antikommunismus in ganz Europa die Faschisten und profaschistischen Intellektuellen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren. Trotz ihres hastig angenommenen neo-liberalen Standpunktes und ihrer proisraelischen und proamerikanischen Reden stehen die kroatischen Politiker unter genauer Beobachtung der EU und den wachsamen Augen diverser jüdischer Gruppierungen mit Basis in Amerika und Israel. Diese Gruppierungen werden es nie müde, die kroatische, herrschende Klasse davor zu warnen, in einen „rechten Nationalismus“ abzugleiten.

Das veranschaulicht die bemerkenswerte Tatsache – die häufig erwähnt wird – daß in den Augen der Eliten, welche die westliche Politik beherrschen, ein ethnischer Nationalismus zwar für Juden und viele weitere Menschengruppen legitim ist, nicht jedoch für Europäer.

Aus deren Sichtweise kommt sogar ein Ans-Licht-Bringen der Abscheulichkeiten des Kommunismus einer Verteidigung von Kroatiens faschistischer Vergangenheit nahe. Deshalb ist es nicht überraschend, daß die neue kroatische politische Klasse in diesen Fragen versucht, metaphorisch gesprochen päpstlicher zu sein als der Papst. Jedoch erschweren solche Einstellungen die Entkommunifizierung und führen lediglich zur weiteren Verharmlosung der von jugoslawischen Kommunisten verübten Verbrechen.

Eine ähnliche Geisteshaltung herrscht auch in Deutschland vor, wenngleich in weit massiverem und subtilerem Sinne. Weil der Nationalsozialismus zum ultimativen Symbol des Bösen wurde, glaubt sich Deutschland gezwungen, permanent seine demokratische Glaubwürdigkeit beweisen zu müssen, indem es alle etwaigen Zeichen eines Wiederauflebens des Faschismus attackiert.

Auf der heutigen internationalen Bühne wird zu den Verbrechen des Kommunismus wenig gesagt. Während des zweiten Weltkrieges waren die kommunistischen Partisanen in Osteuropa Hauptverbündete der Westalliierten im Krieg gegen den Nationalsozialismus und Faschismus. Beim postmodernen viktimologischen Geschacher verschiedener Ethnizitäten und Rassen würde allerdings jedwede Erwähnung kommunistischer Massenverbrechen in Osteuropa rein quantitativ die diesbezüglich führende der jüdischen Opfer Rolle in den Schatten stellen. Zudem würde es den quasi-religiösen Kult um das Wort „Antifaschismus“ zweifelhaft werden lassen. Das gilt besonders für Kroatien mit seinen starken Verbindungen zu Deutschland während des Zweiten Weltkrieges.

Darüber hinaus würde eine kritische Untersuchung des Kommunismus auch die überproportionale Anzahl jüdischer Intellektueller ans Licht bringen, die eine bedeutende Rolle bei der geistigen Legitimierung des Kommunismus spielten (siehe Johannes Rogalla von Bieberstein, „Jüdischer Bolschewismus.“ Mythos und Realität, 2003).

Politik: Die Kunst des Zufalls

Die antifaschistischen Säuberungen bzw. „Lustrationen“ haben nicht unter den siegreichen Sowjets begonnen, sondern wurden von den westlichen Alliierten noch vor dem offiziellen Ende des zweiten Weltkrieges in die Wege geleitet. Im Spätsommer 1944 fing die amerikanische provisorische Militärregierung in Frankreich an, unterstützt von der französischen kommunistischen résistance, drakonische Gesetze zu diktieren gegen Schriftsteller, Journalisten, Professoren und in der Öffentlichkeit bekannte Intellektuelle, die der Kollaboration mit dem besiegten pro-faschistischen Regime von Pétain-Laval verdächtigt wurden.

Ein Jahr später waren die ersten, die in Deutschland ins Fadenkreuz der amerikanischen Militärregierung gerieten – noch vor den Prozessen der nationalsozialistischen Würdenträger beim Nürnberger Tribunal – die Lehrer, Journalisten und Professoren, die verpflichtet waren, spezielle Fragebögen auszufüllen. Millionen von Menschen, insbesondere hochgebildete Deutsche, verloren ihren Arbeitsplatz – nur um zu Beginn des Kalten Krieges im Jahre 1948 schleunigst wieder eingesetzt zu werden (siehe Caspar von Schrenck-Notzing, Charakter-Wäsche, 1963).

sun_dub_2011.jpgWährend des Kalten Krieges waren die Amerikaner intelligent genug, das Wannseeinstitut des SD anzuzapfen, ein auf höchster Ebene angesiedeltes Spionagebüro, das mit der SS verbunden war. Das Institut wurde von dem jungen Rechtsanwalt Major General Walter Schellenberg (1910-1952) geführt. Während des Zweiten Weltkrieges nutzte Schellenberg die Fähigkeiten vieler hochqualifizierter europäischer Akademiker, deren Aufgabe es war, die kommunistische Mentalität zu analysieren. In späterer Zeit, nach dem Kriege, waren viele sich mit Sowjetologie und Kremlforschung befassende US-basierte Denkfabriken weitgehend nach dem Muster der nationalsozialistischen, deutschen Einrichtung Wannseeinstitut SD strukturiert.

Ähnliche Methoden der Durchführung von „Fragebögen“ und „Untersuchungen“ über frühere pro-faschistische Verdächtigte wurden von den siegreichen kommunistischen Autoritäten in Jugoslawien gegen Ende von 1945 angewandt, und das auf sehr viel repressiverem Niveau. Es resultierte in Massenhinrichtungen kroatischer Spitzenakademiker und Intellektueller, die der Kollaboration mit den Nationalsozialisten verdächtigt wurden. (Siehe Zoran Kantolic, Review of Croatian History, 2005, # 1).

Heute jedoch ziehen die Vereinigten Staaten und die Europäische Union den Umgang mit kommunistischen Apparatschiks vor, die sich in „liberale Beamte“ verwandelt haben und nun von den baltischen Staaten bis hin zum Balkan – darunter Kroatien – führende Stellen besetzen. Den Politikern in Washington und Brüssel fällt es leichter, mit früheren jugoslawischen Kommunisten zu kooperieren, als mit unberechenbaren serbischen und kroatischen Nationalisten, die sprichwörtlich nicht gut aufeinander zu sprechen sind.

Hypothetisch betrachtet kann man sagen, daß Amerika – wäre der Kalte Krieg 1989 in einen heißen Krieg zwischen den USA und der UdSSR umgeschlagen – alle verfügbaren antikommunistischen und nationalistischen Kräfte ausgenutzt hätte, um den Kommunismus zu besiegen. Wäre dies geschehen, so hätte alle früheren kroatischen Kommunisten und ihre Meßdiener in den Medien, den Universitäten und der höheren Bildung ein ähnliches Schicksal ereilt, wie die Mitglieder der Baath- Partei Saddam Husseins im Irak 2002: sie hätten entweder ihren Kopf oder ihren Arbeitsplatz verloren.

So hätte es nur eines Zufalles der Geschichte bedurft, und es wären die rechtsorientierten Intellektuellen und Akademiker an der Macht gewesen.

Die Phänomenologie zufälligen Geschehens und des Zufallsfaktors in der Geschichte wurde vom ersten kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman in seinem Buch The Wasteland of Historical Reality (1989) beschrieben. Jedoch ist Tudjman aufgrund seiner revisionistischen Schriften in westlichen Regierungsstellen zur persona non grata geworden, und Kroatien ist in den Verdacht geraten, ein paläo-faschistisches und antisemitisches Land zu sein. In der Geschichtsbetrachtung wandelt sich ein Held oft zum Schurken.

 Die Psychologie des Homo iugoslavensis.

Es gibt heutzutage kaum einen kroatischen Nationalisten, der nicht wenigstens einen Cousin hat, der im Zweiten Weltkrieg mit den kommunistischen Partisanen kämpfte. Auf welche Weise sollte also der Prozeß der Entkommunifizierung initiiert werden, wenn das unausweichlich einen Effekt auf die Leben eben jener Menschen bedeutet, die mit diesem Prozeß der Entkommunifizierung beginnen müssten? Die Anzahl der Ex-Kommunisten in der sogenannten konservativen und nationalistischen Partei, der Christlich Demokratischen Partei (HDZ) oder der größten Regierungspartei, der sozialistischen SDP in Kroatien ist enorm.

Die in den höchsten Ämtern befindlichen Diplomaten in Kroatien sind ehemalige kommunistische Journalisten und Diplomaten. Auf den Gängen des kroatischen Außenministeriums kursiert der Spruch, daß „die moderne kroatische Diplomatie ein ideales Refugium für recycelte ehemalige kommunistische Journalisten, Spitzel und Verräter“ sei, oder-- um es poetischer auszudrücken--für „Auslandskorrespondenten“.

sunic-against_democracy_and_equality_the_european_new_right.jpgHeutzutage besteht trotz der scharfen antikommunistischen Rhetorik, die nirgendwo im Westen ihresgleichen hat, in Zagreb ein großer Teil der philosophischen Fakultät und auch der Politikwissenschaften (den Hauptzentren der öffentlichen Meinung) aus Männern und Frauen, deren Eltern eingefleischte Kommunisten waren. Auf welche Weise sollte dort aufgeräumt werden? Es ist recht leicht sie kenntlich zu machen, aber unmöglich hier eine ‚lustracija’ durchzuführen.

Ein beispielhafter Fall: Im Jahre 1984 wurden mein Vater, der frühere katholische Rechtsanwalt Mirko Sunic und meine Schwester, die Professorin Mirna Sunic, zu jeweils 4 Jahren bzw. 10 Monaten Gefängnis verurteilt, gemäß Artikel 133 der Strafgesetzgebung im kommunistischen Jugoslawien – einem Gesetz das „feindliche Propaganda“ unter Strafe stellte. Die Anklagen wurden von dem staatlichen kommunistischen Anwalt Ante Nobilo erhoben. Später wurde Mirko Sunic von Amnesty International und 15 amerikanischen Kongressabgeordneten als politischer Gefangener anerkannt und betreut. Zur gleichen Zeit erhielt ich, während ich in den Vereinigten Staaten lebte, dort politisches Asyl.

Gegenwärtig ist Nobilo ein angesehener  Berater der neuen linksgerichteten kroatischen Regierung, ebenso wie Budimir Loncar, der zu der Zeit, wo mein Vater und meine Schwester eingesperrt wurden, Bundessekretär des Außenministeriums im kommunistischen Jugoslawien war. Nobilo und Loncar spielen häufig die Gastgeber für ausländische NGOs und sind verantwortlich für die Beurteilung von Kroatiens Menschenrechtsbericht und die Toleranz gegenüber nicht-europäischen Immigranten.

Ähnliche Fälle können zu Tausenden aufgezählt werden, wenn nicht gar Hunderttausenden, wenn man die Zeitspanne kommunistischen Terrors von 1945 bis 1990 in Betracht zieht (siehe Mirko Sunic, Moji inkriminirani zapisi, [Meine inkriminierten Schriften], 1996).

Wenn man derselben Logik weiter folgen wollte, so sollte nicht vergessen werden, daß der antikommunistische und revisionistische Präsident, der frühere Franjo Tudjman höchstselbst die hohe Position eines kommunistischen Generals in Belgrad in den späten 1950ern innehatte – der Zeit der schlimmsten kommunistischen Unterdrückung. Wenn er nichts gewußt haben soll von den Massenmorden, die von den Kommunisten verübt wurden, von wem soll man es dann annehmen? Und wie soll man Tudjman dann beurteilen oder seine revisionistische Tätigkeit einschätzen?

Die Schuld „dem anderen“ zuzuschreiben ist ein typisches Merkmal totalitären Geistes. Es ist lebendig und agil im öffentlichen und geschäftlichen Leben im heutigen Kroatien, ebenso wie in der kroatischen Rechtsprechung. Das gleiche Muster tritt jedoch im gesamten post-kommunistischen Europa auf. Es gibt einen Ausdruck, der den Kommunismus in seiner gesamten Geschichte charakterisiert: „Nein, ich nicht! Der da ist schuldig! Der hat die Schuld! Nicht ich! Der da!“

Es wird oft vergessen, daß der Kommunismus nicht eine Abweichung von der Demokratie war, sondern die Demokratie zu ihrem Extrem gebracht – der „Terror aller gegen alle in allen Instanzen“ (terreur totale de tous contre tous à  tous les instants (Claude Polin, L’Esprit totalitaire, 1977). Die jugoslawischen Kommunisten hatten ihre schlimmsten Feinde nicht in der katholischen Kirche oder den immer sprichwörtlichen kroatischen Nationalisten, sondern inmitten ihrer eigenen Reihen und Kader. Man beachte das ewige gegenseitige Abschlachten innerhalb der Linken anfangend beim Spanischen Bürgerkrieg bis hin zu den unablässigen stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion.

Wer orchestrierte den Kriege von 1991?

Es gibt eine ernsthafte These vorzubringen. Wurde der Krieg von 1991 im ehemaligen Jugoslawien von früheren kommunistischen Kadern Kroatiens und Serbiens orchestriert? Wurde er ausgelöst durch die Fehde zwischen regionalen kommunistischen Geheimdienst-Offizieren? Wie erklärt man die Tatsache, daß sowohl der nationalistische Kroate Franjo Tudjman als auch sein serbischer Gegenspieler Slobodan Milosevic von einer enormen Anzahl früherer kommunistischer Geheimdienst-Offiziere umgeben waren – ganz zu schweigen davon, daß sie beide überzeugte Mitglieder der jugoslawischen, kommunistischen Partei gewesen waren? Wie wäre die Entwicklung im kommunistischen Ex-Jugoslawien verlaufen, wenn sowohl in Serbien als auch in Kroatien hochgebildete nicht-kommunistische Exil-Politiker an der Spitze des jugoslawischen Staates gestanden hätten? Dies ist eine gute Frage für Historiker, Soziologen und Futurologen.

Den größten Fehler begingen die im Exil befindlichen stark nationalistischen und antikommunistischen Kroaten. Genaugenommen machten sie einen tödlichen Fehler. Ihre enorme finanzielle und militärischen Hilfe für Kroatien – im Werte von Milliarden von Dollars – hätte verknüpft sein müssen mit der Entfernung der alten kommunistischen kroatischen Kader und der geschlossenen Rückkehr der Exilkroaten in ihr altes Heimatland. Dies hätte eine günstige soziologische Balance ergeben und auf bedeutende Weise die heutigen Spannungen zwischen kommunistisch erzogenen Kroaten und nationalistischen Kroaten verringert.

Da jedoch diese kroatischen Nationalisten nicht zurückkehrten, scheint jedwede mögliche Entkommunifizierung – oder ‘lustracija’, wie die Kroaten sie nennen – moralisch und logistisch undurchführbar, weil sie große Verwerfungen in der Bevölkerung erforderlich machen und unweigerlich zum Bürgerkrieg führen würde. Dennoch kann dieses sehr gewalttätige Szenario nicht ganz ausgeschlossen werden.

Dieses ganze Phänomen der sogenannten Säuberungen oder „lustration“ ist in der Geschichte nichts Neues. Nach dem Sturz Napoleons hatte der französische König Ludwig XVIII in der Ära der Restauration seine früheren Gegenspieler kooptiert, indem er den meisten napoleonischen Offizieren immer noch einen reduzierten Sold (demi soldes) ausbezahlte, denn er wußte, daß er andererseits in Frankreich mit Chaos und Terrorismus hätte rechnen müssen. Auf ähnliche Art hat der spanische Diktator Francisco Franco seinen früheren Gegnern, den besiegten spanischen Republikanern, klugerweise kleine Pensionen ausgezahlt.

Und dennoch hat das Phänomen der geschichtlichen Zufälle und Launen seine eigenen kosmischen Gesetze, die der menschlichen Analyse unzugänglich bleiben. Der rumänisch-französische Essayist Emile Cioran hat geschrieben, daß man mehr Wahrheit und Gerechtigkeit finde in der Alchemie des Mittelalters oder den Eingeweiden römischer Wildgänse als in dem Geschwafel von Demokratie, Gerechtigkeit, Glück und Wohlstand.

 Dr. Tomislav (Tom) Sunic ist US-kroatischer Schriftsteller, Übersetzer, Professor für Politwissenschaft und ehemaliger Diplomat. Er lebt zurzeit in Kroatien.    www.tomsunic.com

 

Les commentaires sont fermés.