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mardi, 05 février 2013

Martin Mosebach entdecken

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Martin Mosebach entdecken,

Teil I

von Frank Marten

Ex: http://www.blauenarzisse.de/

 

 

Der Sammelband „Stilleben mit wildem Tier“ beinhaltet 13 Erzählungen des Georg-​Büchner-​Preisträgers (2007) Martin Mosebach. Äußerst lesenswert, findet BN-​Autor Frank Marten.

Um vorab Klarheit zu schaffen: Die Genialität des Buches Stilleben mit wildem Tier basiert nicht auf dem Inhalt der Kurzgeschichten. Diese werden aus der Perspektive eines dem Leser unbekannten Protagonisten in der Ich-​Form erzählt. Sie handeln beispielsweise von der Beerdigung einer Baronin („Tote begraben“), vom Besuch auf einem Weingut („Weinprobe“) oder schlicht von einem einzigen Zimmer („Sein Zimmer“).

Mosebach wirft erzählerische Fangnetze nach dem Leser aus

Wenn der Fokus jedoch nicht auf dem Inhalt ruht, wo dann? Wo manifestiert sich der Geist des Autors? Mosebachs Schaffen beruht auf der einfachen wie genialen Beschreibung des Alltäglichen, das heißt, auf den Handlungen und Gegenständen, welche unser Dasein tagtäglich prägen und dessen Sein wir des Öfteren nicht wahrnehmen. Ein Paradebeispiel stellt eben die Erzählung „Sein Zimmer“ dar: In dieser beschreibt der Ich-​Erzähler ein vollkommen normales, durch nichts auffallendes Zimmer, wie es in jeder Wohnung vorzufinden ist. Doch nach kaum zwei Seiten intensiven Lesens ist der Leser in der Lektüre gefangen, die Buchstaben und Sätze bestimmen seine Umwelt, die Wortkonstellationen lassen in ihm ein Gefühl des Beschenkt-​werdens aufsteigen – kurzum, der Leser versinkt in der Erzählung.

Nach dem Ende der Erzählung wird der Leser sein Zimmer und dessen Räumlichkeit einerseits im neuen Licht der Offenbarung wahrnehmen und andererseits wird er es beginnen zu lieben. Nun ist es sein Zimmer, sein persönliches Eigentum und dementsprechend höchster Ausdruck seiner Individualität. Neben den im Text herausstechenden Wortkonstellationen, die das Herz des anspruchsvollen Lesers höher schlagen lassen und Mosebachs tiefsinnigen Beschreibungen der unterschiedlichsten Objekte, besticht das Sammelwerk Stilleben mit wildem Tier ferner durch seinen Humor und seine Ironie. So wird ein 14- ​jähriger Knabe in der Geschichte „Weinprobe“ von den Inhabern des Weingutes zur Weinverköstigung motiviert und in der Erzählung „Tote begraben“ zerstört der Neffe der Toten deren Marmorurne und zerstreut ihre Asche in alle Winde. An dieser Stelle sei jedoch der intellektuelle und tiefgreifende Humor des Schriftstellers betont, welcher sich vom „proletarischen“ Witz der deutschen Massenmedien durch seine Weisheit und Flexibilität abhebt. Große Kunst also.

Ein neuer Thomas Mann

Martin Mosebach wird zu Recht als neuer Thomas Mann gefeiert. Anhänger und begeisterte Leser des aus Lübeck stammenden Schriftstellers werden auch die Erzählungen Mosebachs lieben. Aber auch all denjenigen, die auf der Suche anspruchsvollen Büchern und Erzählungen sind und sich in den geschriebenen Geschichten verlieren möchten, sei dieses Sammelbuch ans Herz gelegt. Durch die Ich-​Perspektive fühlt sich der Leser als integraler Teil der Erzählungen, es kommt ihm so vor, als wäre er selbst der Hauptprotagonist. Durch die herausragenden Fähigkeiten des Autors verfliegt die Zeit beim Lesen der Lektüre wie im Fluge. Gerade dies kennzeichnet einen großen Schriftsteller aus, zu denen der Leser Martin Mosebach nach der Lektüre von Stilleben mit wildem Tier definitiv zu zählen wird.

Martin Mosebach: Stilleben mit wildem Tier. 176 Seiten. Bloomsbury Verlag, 2012. 8,99 Euro.

Martin Mosebach entdecken,

Teil II

von Kaplan Thomas Jäger

 

 

Warum Martin Mosebachs Buch so erfolgreich wurde und heute zum traditionell-​katholischen Standardwerk gehört, liegt daran, dass hier kein Priester und Theologe schreibt, sondern ein Laie.

Kurz nach dem Erscheinen des Buches 2002 lud ich den Schriftsteller Mosebach, den ich durch mein Studium in Frankfurt kannte, zu einer Lesung auf unser Verbindunghaus der KDStV Badenia ein. Die Akademiker unserer Verbindung waren mit der Thematik der lateinischen Liturgie nur peripher vertraut, so dass ich froh war, dass selbst ein Pater und Dozent unserer Jesuitenhochschule den Weg aufs Haus fand.

Mosebach tritt für eine traditionelle Liturgie ein

Mosebachs Buch, das in Kennerkreisen nur kurz „Die Häresie“ genannt wird, ist eines der wenigen, nach dessen Lektüre ich ohne schlechtes Gewissen sagen konnte, dass ich mich im Innersten meiner Seele verstanden fühlte. Aber noch wichtiger war mir die Vertrautheit mit der Einstellung der Umwelt zu einem „Tradi“ (also einem Gläubigen, der die Messe im ausserordentlichen lateinischen Ritus bevorzugt), die der Büchner-​Preisträger von 2010 erlebt und beschreibt hat: „Diese Messe sei ein besonderes seelsorgerisches Entgegenkommen für einen eher problematischen Kreis von Gläubigen. Der normale Katholik gehöre da nicht hin.“

Zum Glück hat unser Papst Benedikt XVI. mit seinem Motu Proprio, das die Feier der lateinischen Messe wieder uneingeschränkt zulässt, gezeigt, dass diese Messe zum katholischen „Normalsein“ dazugehört.

Das Buch polarisiert

Der meistgemachte Vorwurf, den Mosebach zu seinem Buch zu hören bekommt, ist der, dass er Ästhetizist sei. Hier hat bereits Michael Karger in der Tagespost vom 2. August 2012 klare Worte gegen die Rezension des Buches durch die Literaturwissenschaftlerin Claudia Stockinger gefunden, die in den Stimmen der Zeit (8÷2012 Herder Verlag Freiburg) erschien.

Mangels theologischer Kompetenz und in einer Reihe mit anderen „Häresie“-Kritikern, unterstellt Stockinger Mosebach, dass er die Liturgie der Kirche unter dem Gesichtspunkt ihrer Schönheit verteidigt und sich zugleich gegen den Vorwurf des Ästhetizismus zur Wehr setzt. Wobei es sich doch nach Ansicht von Stockinger beim Thema Liturgie so verhält, „dass theologisch gesehen, die Liturgie Instrument des Gottesdienstes ist, für sich selbst aber nichts gilt“.

Zur Stützung dieser merkwürdigen These wird nun der heilige Benedikt herangezogen: “Nichts soll dem Gottesdienst vorgezogen werden, heisst es in der Regel des heiligen Benedikts, auch nicht die Liturgie.” Würde diese rein spiritualistische Interpretation der Benediktsregel tatsächlich gelten, müsste man sich fragen, warum überhaupt noch jemand in der Morgenfrühe zum Stundengebet erscheint, wenn man doch den Gottesdienst auch vollziehen kann, ohne am Gottesdienst teilzunehmen. Mit dieser dialektischen Argumentation macht die Verfasserin jede liturgische Handlung zum Ästhetizismus überflüssig.

Mosebach: „Ich bin Animist.“

In ähnlich dilettantischer Weise versucht Frau Stockinger dem Autor der „Häresie“ noch Animismus zu unterstellen, was dieser wohl auch gar nicht leugnen würde, sondern ja selbst bekennt „… höre ich das Lied der Amsel am Abend, das bekanntlich gar kein Lied, sondern eine die Evolution begünstigende Geräuschentfaltung ist, und den fernen Klang der Kirchenglocke, bei der eine Maschine den Klöppel auf ein Stück Bronze haut, als eine mir bestimmte, wenn auch unentschlüsselbare Nachricht.“ Daraus folgert Mosebach: “Ich stehe auf der tiefsten Stufe der Menschheitsgeschichte. Ich bin Animist.“

Wie sich die Mittelaltersehnsucht der Romantiker nicht auf eine reale Geschichtsepoche bezog, sondern auf die Wiedergewinnung all dessen, was mit der anbrechenden Moderne verloren zu gehen drohte, so ist das Anliegen dieses „parakatholischen Eleganzphänomens Mosebach“ (Peter Sloterdijk), die Kirche auf schwerwiegende Verluste aufmerksam zu machen, die seiner Meinung nach ihr Wesen und damit ihre Sendung in der Welt gefährden. Es wäre fatal, würde die Kirche – und hierzu gehört nicht nur die sogenannte „Amtskirche“, sondern die Gemeinschaft aller Getauften – nicht auf diese wichtige aufweckende Stimme Mosebachs hören. Es gilt hier mehr denn je, sich wieder auf die altehrwürdige Messe – mehr noch – auf die Tradition der katholischen Kirche in Wort, Ritus und Selbstbewusstsein zu besinnen.

Martin Mosebach: Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind. 248 Seiten, DTV 2012. 9,90 Euro.


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