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jeudi, 12 novembre 2009

"Walkaways" - Nomadentum als neue Gesellschaftsstruktur in den USA

Still_victors_IMG_2390.jpg»Walkaways« – Nomadentum als neue Gesellschaftsstruktur in den USA

Niki Voigt / ex: http://info.kopp-verlag.de/

Die Medien in den USA vermelden erfreut, dass die Anzahl der Zwangsvollstreckungen auf dem Immobilienmarkt bis zu 20 Prozent rückläufig sei. Das deute auf eine deutliche Erholung hin und sei ein Silberstreif am Horizont. Regionale Websites und Lokalblätter in den USA zeichnen im Gegensatz zu diesen scheinbar so positiven Zahlen ein ganz anderes Bild: Der Rückgang der Zwangsvollstreckungen und Versteigerungen ist nur die Folge davon, dass selbst die vorgesehenen Strukturen der geordneten Abwicklung eines Immobilienmarktzusammenbruches erodieren.

Man lässt zunehmend einfach alles stehen und liegen, sowohl vonseiten der Hauseigentümer als auch vonseiten der Kreditgeber. Ein Hauseigentümer, der sein Eigenheim für beispielsweise 300.000 Dollar gekauft und voll finanziert hat, muss natürlich die hohe Abzahlungsrate für die Kaufsumme weiterhin bezahlen, obwohl die Immobilie nicht einmal mehr ein Drittel des Wertes hat. Da der Kreditvertrag mit der Bank oft mit der Rückgabe des belasteten Objektes gekündigt werden kann, ziehen immer mehr Hauseigentümer aus der teuren Immobilie einfach aus, schicken den Hausschlüssel an die Bank und verschwinden auf Nimmerwiedersehen in einen anderen Bundesstaat.

In den Staaten gibt es keine Meldepflicht wie in Deutschland. Zieht der säumige Kreditnehmer einfach leise, still und heimlich aus, ist er nur durch aufwendige Suche auffindbar. Bei den Größenordungen, in denen das Phänomen mittlerweile auftritt, ein aussichtsloses Unterfangen für die Banken.

Manche der weglaufenden Hausbesitzer können mit einer relativ geringen Summe, die man aus den nicht gezahlten Raten zusammensparen konnte, sogar an einem anderen Ort ein Haus in einer Zwangsversteigerung nun billig und schuldenfrei erwerben.

Nicht selten merkt die Bank bei heimlichem Wegzug erst nach Monaten und mehreren Anschreiben, dass in der teuer finanzierten Immobilie keiner mehr wohnt. Die Holzhäuser fallen schnell dem Vandalismus und dem Zerfall anheim. Dann steht die Bank vor einem wertlosen Trümmerhaufen, der nur noch Kosten brächte, würde sie ihn übernehmen.

Das übliche Vorgehen, eine Zwangsvollstreckung anzumelden und die Immobilie dann in einer Zwangsversteigerung zu verkaufen, wird deshalb von den kreditgebenden Banken immer weniger durchgezogen. Mittlerweile wird dieses Verfahren immer öfter mittendrin abgebrochen oder überhaupt nicht angefangen.

Die Diskrepanz zwischen der Anzahl Hypothekenkündigungen und der Zahl der Zwangsversteigerungen gibt einen kleinen Anhaltspunkt dafür, wie viele Häuser einfach von allen Beteiligten aufgegeben werden. Genaues weiß aber niemand, eine Statistik gibt es nirgends.

Die Dayton Daily News nannte den dramatischen Rückgang der Hausversteigerungen »sehr, sehr angsteinflößend«. Über 20 Prozent sind die Zwangsversteigerungen zurückgegangen, berichtet das Blatt, und beschreibt dann, welche Probleme sich daraus ergeben, dass viele der Eigenheime schlicht dem Zerfall überlassen werden.

In Montgomery County würden nur noch etwa 40 Prozent der geräumten Häuser auch von der kreditgebenden Bank in Besitz genommen, schreibt eine regionale Website.

John Carter, der »housing inspector« der Stadt Dayton, erzählt, dass die Leerstände von Häusern immer weiter zunehmen. Aber die Hälfte der Häuser, die er mit Bretterverschlägen vor Vagabanden und Vandalen schützen muss, haben noch laufende Hypothekenverträge und sind nicht einmal zur Zwangsvollstreckung angemeldet. Die kreditgebenden Banken haben kein Interesse daran.

Die Städte und Gemeinden sehen sich nun immer öfter vor dem Problem, dass sie ganze Wohnviertel leerstehender Häuser in allen Stufen des Verfalls haben, trostlose Ruinengegenden, in denen allerlei ungebetene Gäste ihr Unwesen treiben. Mit der Abrissbirne wird dem Elend Abhilfe geschaffen. Reparabel sind die Holzhäuser meistens nicht mehr. Die Kosten würden den Wert meist übersteigen, wenn denn überhaupt ein Käufer zu finden wäre.

Die Kosten des Abrisses muss der Eigentümer tragen. Solange die Bank nicht die Prozedur der Zwangsvollstreckung vollzieht, bleibt der Käufer immer noch Eigentümer und muss auch für den Abriss des verlassenen Hauses aufkommen, so man ihn denn findet. Meistens ahnt er noch nicht einmal etwas davon. Für die Städte und Gemeinden türmen sich dadurch immense Kosten und Verluste auf. Denn auch wenn das Haus nicht abgerissen wird: Die anfallenden Steuern und Abgaben laufen weiter und akkumulieren zu gewaltigen Beträgen. In Buffalo haben diese Zustände nach Angaben der Stadtverwaltung mittlerweile epidemische Ausmaße angenommen. Die Stadt verklagte 37 Banken auf Schadensersatz der Kosten, die der Stadt entstanden waren. Die klagende Stadt begründete das damit, dass die Banken durch ihre verfehlte Geldpolitik verantwortlich seien für den Verfall der Häuser. Eine ganze Wohngegend von mindestens 57 verlassenen Häusern wurde in einer Sammelklage als Beispiel vor Gericht angeführt.

Aber auch dieser Verantwortung entziehen sich die Banken geschickt. Oft ist die kreditgebende Bank selbst schon längst bankrott. Oder, falls eine andere Bank übernommen hat, findet diese dann keinerlei Papiere mehr über den Kreditvertrag oder die Immobilie.

Eine Rechtsanwältin aus Kansas, spezialisiert auf Immobilien, stellt auch in dieser Stadt fest, dass solche Bank-Walkaways rasant zunehmen, und die »papertrails« – also die zu einer Immobilien gehörenden Verträge und Papiere – unauffindbar sind.

Die Erholung am Immobilienmarkt, die die sinkenden Zwangsversteigerungszahlen zu signalisieren scheinen, entpuppt sich bei näherem Hinsehen daher als die nächste Stufe des Gesellschaftszerfalls. Durch die rasant steigende Arbeitslosigkeit haben die Menschen einerseits nicht mehr die Mittel, ihre Häuser zu halten, sind aber andererseits auch nicht mehr an den Ort gebunden. Was also liegt näher, als einfach vor den Problemen wegzulaufen? Vielleicht sind die Wiesen ja woanders grüner?

Apropos grün: Amerika ist auch im Zerfall noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Um bei leerstehenden Häusern, die noch einen Wert haben, die Verkaufschancen zu erhöhen, gibt es Firmen, die die vertrockneten und verdorrten unansehlichen Vorgärten wieder auf Zack bringen: Rasen und Grünpflanzen werden mit wetterfester Farbe saftig grün gespritzt. Das trocknet in zwei Stunden und hält drei Monate. Und färbt nicht ab. Dann sieht das Anwesen doch gleich wieder appetitlich und gepflegt aus und erzielt einen weit besseren Preis.

 

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Quellen:

http://www.daytondailynews.com/news/dayton-news/drop-in-foreclosures-called-very-scary-352689.html

http://www.google.de/#hl=de&source=hp&q=drop+in+foreclosures&btnG=Google-Suche&meta=&aq=f&oq=drop+in+foreclosures&fp=12bc3e260a95ecf1

http://youwalkaway.com/ywarecentarticle.php?id=24

 

Mittwoch, 28.10.2009

Kategorie: Gastbeiträge, Wirtschaft & Finanzen, So lügen Journalisten

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00:25 Publié dans Sociologie | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : moeurs contemporaines, etats-unis, nomadisme | |  del.icio.us | | Digg! Digg |  Facebook

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