Es gibt noch Licht im Dunkel der Mainstreampresse: Torsten Riecke, Handelsblatt-Korrespondent in Zürich, stellte sich unlängst die Frage, was die Gründe dafür sind, dass sich die EU immer wieder selbst in die Krise führt. Er machte dabei sieben Todsünden aus, die ich dem Leser nicht vorenthalten möchte:
1. Verdrängung
Die meisten europäischen Politiker und Staatschefs beschwichtigen und sehen die Krise als vorübergehende Finanzklemme schwacher Euro-Länder, obwohl sie wissen, dass es gerade die Banken finanzstarker Staaten sind, die sich in jenen Ländern besonders engagiert haben.
2. Illusion
Als man in Brüssel den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm aufspannte, glaubte man, allein dieses Hilfsversprechen werde die Märkte für immer beruhigen. Doch dies erwies sich als Irrtum, denn die internationalen Finanzakteure sind sich sicher, dass der Rettungsschirm die Probleme nicht einmal bis zu seinem Ablaufdatum 2013 verschiebt. Der De-facto-Staatsbankrott Irlands ist das beste Beispiel hierfür.
3. Übermut
Die Europäische Zentralbank (EZB) stützt die Schuldnerländer nicht nur mit Anleihekäufen, sondern hält deren Banken auch noch mit ständigen Liquiditätsspritzen über Wasser, was die Grenzen zwischen Fiskal- und Geldpolitik aufhebt und die Preisstabilität gefährdet.
4. Kommunikation
Bundeskanzlerin Merkel hat die Krise durch unbedachtes Handeln zweimal verschärft: Zuerst schwieg sie im Falle Griechenlands zu lange, dann redete sie im Falle Irlands zu vorschnell über eine etwaige Beteiligung privater Gläubiger.
5. Planlosigkeit
Weder in den europäischen Hauptstädten noch in der EU-Zentrale in Brüssel gibt es Pläne, wie man die angeschlagene Währungsunion auf Dauer stabilisieren will. Der Rettungsschirm verspricht lediglich eine Atempause und der angedachte Krisenmechanismus ist noch lange nicht verabschiedet.
6. Unehrlichkeit
Man kann die Währungsunion in der jetzigen Form nicht zusammenhalten, wenn man zugleich eine Transferunion zwischen armen und reichen Ländern ablehnt. Hier muss der Öffentlichkeit klarer Wein eingeschenkt werden.
7. Führungslosigkeit
Durch seine wirtschaftliche Stärke wäre Deutschland eine »natürliche« Führungsmacht in Europa. Doch es fühlt sich dieser Rolle noch nicht gewachsen und fällt immer wieder durch Inkompetenz auf.
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Quelle:
Handelsblatt vom 19.11.2010
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