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samedi, 26 novembre 2011

Zweimal um die Welt mit Peter Scholl-Latour, eine Nachlese.

Zweimal um die Welt mit Peter Scholl-Latour, eine Nachlese.



Geschrieben von: Christoph Rothämel   

 

Ex: http://www.blauenarzisse.de/

 

O_1000_680_680_scholl-latour.jpgPeter Scholl-Latours Wahlspruch lautet „Rem ante oculos ponere“ (den Gegenstand vor die Augen setzen). Diesem bleibt er in seinen Aufsatzsammlungen Der Weg in den neuen Kalten Krieg und Die Angst des weißen Mannes. Ein Abgesang. treu. Er lässt den Leser in eine Mischung plastischer Schilderungen fremder Länder und Menschen, politischen Brandherden und lehrreichen Anekdoten eintauchen.

Den Weg des Westens in einen neuen Kalten Krieg dokumentiert Scholl-Latour über die Jahre 2001 bis 2008, von Nine Eleven bis zur Wahl Barack Hussein Obamas als neuen US-Präsidenten in das Weiße Haus. In Die Angst des weißen Mannes verfolgt er das Schicksal der Weltregionen, die sich geraume Zeit nach ihrer formellen Befreiung aus kolonialer Vormundschaft zusehends auch materiell von der Dominanz ihrer einstigen Herren lösen.

Scholl-Latour sieht einen neuen Kalten Krieg aufziehen

Scholl-Latour ist davon überzeugt, dass die unumschränkte US-amerikanische Vorherrschaft, wie sie sich dem politischen Betrachter nach dem Ende der Blockkonfrontation in den 1990ern darstellen mochte, unumstößlich ihrem Ende entgegengeht. Im Rahmen der Weltbewegung auf einen multipolaren Zustand hin sind ihm drei Phänomene von besonderer Relevanz: So erzeugen erstens die Rückkehr Russlands auf die politische Weltbühne, zum Zweiten der rasante ökonomische wie militärische Aufstieg Chinas zur dominanten Macht Asiens, sowie das Erstarken revolutionär-islamischer Kräfte im „Moslemgürtel“ von Marokko bis nach Indonesien eine Reihe potenzieller Konfliktlinien, die eine strategische Anpassung seitens des von den USA hegemonial geführten „Westens“ notwendig machen.

Russland, dessen Territorium sich mit dem Ende der Sowjetunion um etwa 1000 Kilometer nach Osten verschoben hatte, sieht sich weiterhin einer Einkreisungspolitik durch NATO und EU-Osterweiterung ausgesetzt. Unter Putins Ägide aus dem Trümmerfeld Jelzins wieder aufgerichtet, ist es infolge seines erfolgreichen Rohstoffexports in die Weltpolitik zurückgekehrt und verfügt nach wie vor über immense militärtechnologische Sprengkraft. Auch die Bedrängnis, die US-Ökonomen ob des chinesischen Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger nationaler Kontrolle seitens eines autokratischen Regimes empfinden müssen, versteht sich im Grunde von selbst.

Die Konfliktlinien heute sind multilateral

Scholl-Latour bleibt aber bei dieser Analyse nicht stehen, sondern bettet den russischen und chinesischen Einfluss in die globalen Aktionen der NATO im Kampf gegen den islamischen Terrorismus nach den Anschlägen auf das World Trade Center seit dem Jahr 2001 ein. Der Krieg in Afghanistan, der Irakkrieg, aber auch die Spannungen mit Iran und die Labilität Pakistans sind unweigerlich infolge der taktisch notwendigen militärischen Präsenz der USA und ihrer Verbündeten in Zentralasien an die Machtsphären Russlands und Chinas angeschlossen. Auch der wachsende Einfluss islamischer Minderheiten in Europa birgt zukünftig Potential für diplomatische Verstimmungen mit deren Herkunftsländern, wie auch zwischen den NATO-Partnern selbst, die neben ihren Bündnispflichten zum Teil höchst unterschiedlich in die internationalen Konfliktlinien einbezogen sind.

Anhand von diversen Berichten, Kommentaren und Interviews des Autors aus den Jahren 2001 bis 2008, die die Schlüsselereignisse der Europa- und Weltpolitik betreffen, wird dem Leser dieser Problemkreis aufgezeigt.

Die weltbeherrschende Ära des weißen Mannes geht zu Ende

Das Thema des zweiten vorzustellenden Buches ist zweifelsohne mit dem des ersten verwandt. Die sukzessive Verwandlung der internationalen Politik in ein multipolares Geschehen hängt eng mit dem Umstand zusammen, dass die unumschränkte globale Dominanz der Europäer, die fast 500 Jahre anwuchs, ihren Zenit längst überschritten hat. Nicht nur in den früheren Kolonien auch in den europäischen Kernländern werden „die Weißen“ demographisch überwuchert. Selbst die USA erleben einen massiven anteilsmäßigen Einbruch der White Anglo-Saxon-Protestants zugunsten von Schwarzen und vordringenden Mestizen, den Mischlingen der Indios mit den spanischen Konquistadoren. Der Konsequenz, dass dadurch, zudem begleitet vom Verlust der technologischen Monopolstellung der germanischen Völker, auch eine politische Kräfteverschiebung entstehen muss, spürt Scholl-Latour gekonnt nach. Die Wahl Obamas zum ersten schwarzen US-Präsidenten ist ihm dabei nur das vordergründigste Signal einer Welttendenz.

Die Angst des weißen Mannes ist nicht irrational

In acht Gesängen (Cantos) verschlägt es den journalistischen Altmeister und Weltenbummler nach Ost-Timor, Bali, Ozeanien und Java, um über die Philippinen nach China und Kasachstan in Kirgistan seine Reise zu beenden. Bei dem Durchstreifen von Weltregionen, die einst das Objekt europäischer Kolonialpolitik waren, kann er auf seine lebenslange Erfahrung zurückgreifen und seine teilweise Jahrzehnte zurückliegenden Eindrücke mit den frisch gewonnenen vergleichen. Er demonstriert eindrücklich wie sich Asien mit einer eigenen, von Europäern zunehmend wieder unabhängigen Dynamik verändert, ohne eine Bezugnahme auf Länder zu versäumen, die historisch – wie Brasilien mit Ost-Timor durch das portugiesische Kolonialreich – mit seinem Reiseziel verbunden sind.

Am Ende des Buches wird er dann gar ein wenig schwärmerisch. Sieht er zu Beginn in dem Niedergang weißer Macht noch eine gewisse Tragik, so betrachtet er Brasilien zum Schluss als möglichen Ausgangspunkt künftiger sozialer Evolution, weil hier unter anderem rassebezogene Vorbehalte der Landesgeschichte zum Trotz völlig zu fehlen scheinen. Der in diesen abschließenden Spekulationen durchschimmernde Gleichmut des alten Herrn einer Zukunft gegenüber, der er nicht mehr angehören wird, tut dem Buch im Grundsätzlichen aber keinen Abbruch. Denn immer wieder ahnt man deutlich, dass auch Scholl-Latour nicht von einem bruchlos friedlichen Ablauf dieses Wandlungsprozesses überzeugt ist.

Besonders für Scholl-Latour-Neulinge ein Gewinn

Beide Bücher sind mit zahlreichen Illustrationen ausgestattet. Die gebundene Ausgabe von Die Angst des weißen Mannes kann zudem auch noch mit einer politischen Landkarte Ozeaniens und Zentralasiens aufwarten, die die geographische Einordnung angesprochener Staaten erheblich erleichtern.

Beide Aufsatzsammlungen arbeiten zum Teil mit schon mal veröffentlichtem Material des Autors. Dies könnte denjenigen stören, der die Analysen Scholl-Latours aus früheren Veröffentlichungen bereits kennt. Wer noch nichts oder fast nichts von ihm gelesen hat, kann sie hingegen ungeprüft erwerben und die Welt kennenlernen.

Peter Scholl-Latour: Der Weg in den neuen Kalten Krieg. Ullstein Taschenbuchverlag. 352 Seiten, € 9,95

Peter Scholl-Latour: Die Angst des weißen Mannes. Ein Abgesang. Propyläen Verlag. 464 Seiten, € 8,99

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