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samedi, 18 février 2012

Die Freundschaft zwischen Carl Schmitt und Ernst Jünger

Die Freundschaft zwischen Carl Schmitt und Ernst Jünger: Beredtes Schweigen im stillen Bürgerkrieg      


Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke   

 

Ex: http://www.blauenarzisse.de/

 

„Carl Schmitt ist in meiner und ich bin in seiner Biographie unvermeidlich“, schrieb Ernst Jünger in sein Tagebuch. Die beiden gegensätzlichen Epochendenker verband eine jahrzehntelange Freundschaft, die erst nach Kriegsende zerfiel. Mit Hitler begriff der Künstler Jünger, nichts in der Politik verloren zu haben. Er vermied folglich jedwede Konzession ans dritte Reich. Der Jurist Schmitt glaubte an seinen gestalterischen Einfluß und wollte den Staat von innen vor der „Bewegung“ retten. Wohlwollend ließ er sich also von Göring zum preußischen Staatsrat ernennen. Martin Tielke setzt dieses widersprüchliche Miteinander in Der stille Bürgerkrieg. Ernst Jünger und Carl Schmitt im dritten Reich ins Verhältnis und beläßt es nicht bei der rein biographischen Betrachtung. Kenntnisreich bringt er die historische Situation mit den sich beeinflußenden Geistern von Jünger und Schmitt in Verbindung.

Der Konservative ist nicht nazifizierbar

Das galt trotz ihrer unterschiedlichen Rollen im dritten Reich gleichfalls für Jünger und Schmitt. Letzterer glaubte sich mit seiner Staatsratswürde am Beginn einer aussichtsreichen Karriere und entschied sich darum für einen aufgesetzten Opportunismus, ein lautes und überspanntes Mitmachen, um den inneren Widerwillen gegen den NS-Staat zu kaschieren. Doch selbst die tumben Nazis erkannten das irgendwann: Die Karriere endete ruckhaft 1936, noch ehe sie begonnen hatte. Von da an sprach man von Schmitt offiziell im Präteritum. Die folgenden knapp zehn Jahre befand er sich im inneren Exil in Berlin, veröffentlichte sporadisch und nichts Konkretes. Als Lebensmotto wählte er das alte Philosophenwort vom bewußten Schweigen des Denkers in gefährlichen Zeiten. Tielke vermutet dabei, Schmitt verdankte sein Leben einzig seinem Staatsrats-Titel, den er bis zum Kriegsschluß behielt.

Auch Jünger wählte den Weg nach innen und verstummte zu Kriegbeginn. Als Angehöriger der Wehrmacht in Paris stationiert, war seine komfortable Unterbringung alles andere als ungefährlich. Schmitt sollte das später sehr entscheidend mißdeuten und zum Vorwurf gegen ihn nutzen. Noch stärker als er war Jünger der Bespitzelung ausgesetzt. Der Denunziant wohnte in Paris Tür an Tür.

Tielke entwirft ein bedrückendes Bild des NS-Terrors, des stillen Bürgerkriegs und beschreibt, wie sich die beiden Denker um dessen Charakter und Auswirkungen stritten. Was Schmitt schon früh vorausgesagt hatte, trat nun ein. Unter dem asymmetrischen Krieg, also einem Krieg ohne erkennbares Feind-Freund-Verhältnis, sollte Jünger als Hauptmann besonders leiden. Der Frontverlauf war nicht mehr erkennbar, der Feind stand überall. Der Pour le Mérite-Träger Jünger stand aber für eine ritterliche Kriegsmoral und wich dem zuletzt unerträglichen Druck 1942 mit seiner Versetzung an die Kaukasus-Front aus. Nach Kriegsende verweigerte er sich genau wie Schmitt einem Entnazifizierungsverfahren. Beide stehen deshalb bis heute unter gutmenschlichem Generalverdacht. Auch hier greift Tielke ein und liefert viele schlagende Argumente zur Verteidigung beider.

„Der Gegensatz zwischen dem kühl analytischen Juristen und dem bildverhafteten Augenmenschen“

Bis 1945 bestand zwischen Jünger und Schmitt Konsens über die Ablehnung des dritten Reiches. Man kommunizierte im Verborgenen, nicht selten auf Latein, lebte so unauffällig wie möglich und pflegte die Konspiration zusammen mit Jüngers Frau Gretha, der Schmitt sehr zugetan war. Zum Knackpunkt wurde später erst beider schriftstellerische Auseinandersetzung mit dem dritten Reich – besonders Jüngers Roman Heliopolis und Schmitts Werk über Thomas Hobbes Leviathan. Jünger entschlüsselte Schmitts esoterisches Werk nach Tielkes Meinung falsch und sah dessen Position zu seiner vergangenen Gefahrensituation nicht endgültig geklärt. Schmitt hingegen erschien Jüngers mythische und ungeschichtliche Position in Heliopolis zu vage, schwammig und abstakt. In Briefen und Gesprächen verspannte sich die Lage zwischen beiden zunehmend.

Anhand dieses exemplarischen Widerspruchs weißt Tielke nach, daß beider Verhalten nicht unbedingt den historischen Umständen entsprang, sondern dafür vielmehr die gegensätzlichen Denkmuster die Begründung lieferten. Während die Ausnahmesituation des dritten Reiches ihnen noch mit existenziellen Fragen darüber hinweghalf, brach der Widerspruch in der Entspannung nun vollends auf und wurde unüberbrückbar. War beider Interesse für Heraklit, Tocqueville und Bloy im Laufe vieler freundschaftlich verbundener Jahre in ihrem Werk auskristallisiert, stand der rationale und dogmatische Gelehrte nun dem immer aufs Neue stauend die Welt betrachtenden Künstler Jünger unversöhnlich gegenüber. Der im dritten Reich zu waghalsige und gescheiterte Schmitt konnte sich mit dem idealistischen und unbeugsamen Jünger auf keine gemeinsame Position zur Vergangenheit einigen. Diese Situation dauerte an bis zu Schmitts Tod.

Ein Musterstück handwerklichen Könnens

Martin Tielke vollbringt mit seinem Buch Der stille Bürgerkrieg. Ernst Jünger und Carl Schmitt im dritten Reich eine enorme Leistung. Die nur 140 Seiten müssen das Extrakt jahrelanger Recherche gewesen sein: Tielke hat dabei wirklich jeden nur denkbaren Schnipsel gelesen, der das Thema zu erhellen vermag. All das packt er in eine gefällige und aufrichtige Sprache, ordnet es logisch und übersichtlich.

Dabei ist sein Essay kein reines Fachbuch für Kenner, das unendliches Fachwissen voraussetzen würde. Über die zusammenaddiert knapp 200 Lebensjahre von Jünger und Schmitt sind schon weitaus entlegenere Bücher verfaßt worden. Tielke wird Kennern und Einsteigern gerecht: Ersterem wird die hohe Recherchetiefe Wegweiser für eigene Forschungen sein können. Dem Einsteiger bietet Tielkes Arbeit einen soliden Überblick über die während der Freundschaft entstandenen Werke von Jünger und Schmitt einerseits und über ihr Denken und Handeln andererseits. Tielke erweist sich dabei als ebenso fähiger Historiker wie Biograph.

Martin Tielke: Der stille Bürgerkrieg. Ernst Jünger und Carl Schmitt im dritten Reich. Gebunden mit Schutzumschlag. Berlin: Landt Verlag, 2007. 12 Euro.

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