jeudi, 19 avril 2012
Über den Spontaneismus
Über den Spontaneismus
Werner Olles
Ex: http://www.catholica.presse.fr
[Gespräch im Oktober 2008. Französisch erschienen in der Ausgabe 102 (Winter 2008-2009)]
Während das westliche System am Ende ist, dann befinden wir uns gegenwärtig in einer Übergangszeit, deren Ausgang aus einem Komplex von mannigfaltigen Rekonstruktionsvorgängen hervorgehen sollte, worüber es zweckmässig wäre, nachzudenken. Andererseits sollte man in diesem Zusammenhang die Erstellung einer Alternative erwägen. Zu diesem Zeitpunkt stellen sich zweierlei Fragen : einerseits die der Ziele (wodurch das bestehende System ersetzen ?), andererseits die der zu erwägenden Aktion, um den Übergang zu erleichtern.
Erstere ruft ein Problem hervor, das mit der Mannigfaltigkeit der Meinungen und deren möglichen Kakophonie zusammenhängt. Eine solche Situation deckt die Zerstörungskraft der geistigen Ordnungsgrundlagen bei denen auf, die sie natürlicherweise aufrechterhalten sollten, sowie die Fähigkeit zur unparteiischen Suche nach der Wahrheiten der Sozialordnung. Es herrscht in diesem Bereich ein Gemisch aus Überalterung und Korrosion durch die Grundprinzipien des herrschenden Systems, das auf die Bedeutung des Problems hinweist.
Die zweite Frage verweist uns auf die Theorie der Aktion, die einem ordentlichen Gesellschaftsaufbau vorangeht. Sie ist umso wichtiger als sie den Stolperstein ist, der die Pietisten oder Quietisten (einer deren schärfsten Kritiker Günter Rohrmoser ist) von allerlei Reformisten, welche sich darüber einig sind, dass sie Einfluss auf die öffentliche Meinung durch Lobbying und Unterwanderung ausüben können, und Spontaneisten, welche für den hiesigen und jetzigen Aufbau von befreiten, sich mutmasslich erweiternenden Zonen, trennt. Die letzten zwei Kategorien gehen über die Links/Rechts Spaltung hinaus, obwohl beide Begriffe von der Linken herkommen, was nicht unbedeutend ist. Es würde sich lohnen diese Themen zu untersuchen, vor allem durch die Analyse geschichtlicher und theoretischer Vorgänge. In diesem Bereich verfügt die Linke über ein bedeutendes Erbgut, insoweit sie sich durch die revolutionäre Theorie dafür interessiert hat. Im Hinblick auf den Ausmass der Problematik, werde ich mich auf die Analyse dessen beschränken, was ich Spontaneismus genannt habe, der so aussieht, als wäre er die allerletzte Zuflucht von all den Enttäuschten des Aktivismus. Einige Fragen darüber :
1.
Sicher ist, dass sich der Linksspontaneismus auf der Basis einer Reaktion dem Leninismus gegenüber entwickelt hat, der einer Erbschleicherei der Revolution zugunsten einer Elite von Berufsrevolutionären beschuldigt wurde. Wie sich aus dem oben zitierten Artikel herausstellt, hat die Frankfurter Schule, in die Fusstapfen Trotskis und anderer Denker der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wie Anton Pannekoek oder Georg Lukacs tretend, dazu beigetragen, keinem der beiden –dem Staatskapitalismus sowjetischer Prägung und der freien Marktwirtschaft/dem Liberalkapitalismus– Recht zu geben, indem sie beide dessen beschuldigt hat, dass sie Herrschaftsstrukturen aufrechterhalten. In dieser Nachfolge wird die kommunistische Revolution als « bourgeois » kritisiert, weil sie weder die Produktionsverhältnisse noch den Unterschied zwischen Unterdrückern und Unterdrückten abgeschafft hat. Sich dazu beschränkend, eine herrschende Klasse (das Bürgertum) durch eine andere (die Parteibürokratie) zu ersetzen, führt sie zur Aufstellung eines Staatskapitalismus. Inwieweit kann der Verruf der leninistischen Vorstellung der von Berufsrevolutionären geleiteten Revolution die Entwicklung des revolutionären Spontaneismus, der behauptet, dass die Revolution aus der spontanen Aktion der sich ihrer Entfremdung bewusst werdenden Massen hervorgeht, verständlich machen ? Was ist über die Entwicklungsetappen der spontaneistischen Ideologie von der Rätetheorie bis zur Arbeiterselbstverwaltung zu bemerken ? Welche sind die psychologischen Triebkräfte, die diese Entwicklung erklären ? Indem er diese Spannung zwischen Organisation und Spontaneität hervorruft, die in Frankreich viele Diskussionen ausgelöst hat, insbesondere innerhalb der Gruppe « Socialisme ou barbarie » ( Claude Lefort trat für die Spontaneität ein und Cornelius Castoriadis für die Erhaltung eines organisierten Pols), entwickelt der Spontaneismus einen inneren selbstzerstörerischen Widerspruch. Ausser dem Fall von kleinen Gruppen, die sich aufgrund der beschränkten Anzahl ihrer Mitglieder einzeln organisieren können, liegt das Problem in der spontanen Organisierung der Massen, die nach der Aufstandsphase um der Dauerhaftigkeit willen Strukturen und eine nicht-spontane Organisierung voraussetzt. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob der utopische Träger des Spontaneismus nicht etwa im Vorbild einer automatischen und ungezwungenen Sozialharmonie liegt, die auf Adam Smiths « verborgene Hand » verweist, sowie auf die fourierische Utopie oder auch auf die Soziobiologie. In disem Zusammenhang wäre nicht der Wesenszug des Linksspontaneismus die radikale Ablehnung jeglicher Herrschaftsform, wie sie durch den Leninismus kräftig und unberechtigt aufrechterhalten wurde ?
Das andere Charakteristikum des Spontaneismus besteht in einer Form der Ungeduld. Die Leninisten halten sie für den Wesensmerkmal des Linksextremismus und dessen revolutionären Ungestüm (Mao). Der Spontaneismus zielt auf zügige, konkrete Ergebnisse und gibt deswegen unmittelbar erkennbaren Teilerrungenschaften vor der glücklichen Zukunft den Vorzug. Was für eine moralische und psychologische Schwäche tritt dadurch zutage ?
Antwort zu 1.:
Im Laufe der Durchsetzungsgeschichte der kapitalistischen Warengesellschaften wurden immer wieder ursprüngliche Emanzipationsbewegungen mit entschieden systemoppositionellem Anspruch als Wegbereiter neuer Entwicklungen historisch wirksam. Von der alten Arbeiterbewegung bis zur studentischen Revolte von 1967/68 haben sie letztlich dem zum Durchbruch verholfen, was den Erfordernissen warengesellschaftlicher Modernisierung entsprach. Weil die antikapitalistisch gesinnten Protagonisten den nächsten energischen Schritt hin zur Verallgemeinerung der Warenform permanent mit der drohenden Aufhebung kapitalistischer Herrschaft verwechselten, konnten sie ihre immanent vorwärtstreibende Rolle nur gegen den erbitterten Widerstand der Verteidiger des Staus quo spielen. Die mühsam erkämpfte Anerkennung als legitime soziale Bewegung markierte dann jeweils den Punkt, an dem die linke Opposition vom Outlaw zum Teil der reorganisierten und modernisierten warengesellschaftlichen Ordnung mutierte und ihre überschüssigen leninistischen Momente abzustreifen begann.
In dieser Situation trat der Links-Spontaneismus auf den Plan und wich vom diesem vertrauten Muster entscheidend ab, in dem er eindeutig klarstellte, daß der nostalgische Rekurs auf eine bereits abgeschlossene Epoche eben keinen neuen Entwicklungshorizont eröffnet und beim besten Willen auch nicht mehr mit einem Hinausgehen über die kapitalistische Ordnung zu verwechseln ist, wie es bei dem großen, wesentlich aus dem Kampf der alten Arbeiterbewegung miterwachsenen Etatisierungsschübe der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts noch der Fall war.
Weil der Spontaneismus, zu dem natürlich auch die reformistischen Globalisierungsgegner von Attc & Co. zu zählen sind, jedoch nicht in der Lage ist, eine radikale Gesellschafts- und Wertkritik, und am allerwenigsten eine Krisentheorie zu formulieren, führt er sich nur selbst hinters Licht. Das Gipfel-Hopping wird sich eher über kurz denn über lang totlaufen, gleichzeitig tummeln sich in der gesamten spontaneistischen Bewegung Heerscharen von Obskuranten, Scharlatanen und Sektierern jeglicher Coleur, und der Nachweis, daß die dürftigen Konzepte des Spontaneismus mit der Marxschen Theorie des Kapitals im Allgemeinen nicht zur Deckung zu bringen sind, ist leicht zu führen. Analyse durch die Demonstration guten Willens und moralische Appelle zu ersetzen, um damit auf die Tittelseiten der Zeitungen zu kommen, beweist letztlich doch nur, wie intellektuell herunter gekommen diese gegen die Fakten und logischen Regeln des Marktes und der Ökonomie argumentierende und agierende Bewegung ist. Doch stellt der Spontaneismus nicht die „Kinderkrankheit des Kommunismus“ dar, wie Lenin dies dem Linksextremismus nicht ganz zu Unrecht unterstellte, vielmehr ist er eine Sonderform des Linksextremismus. Die „Spannung zwischen Organisation und Spontaneität“ liegt dabei sicher auch in den Gegensätzen zwischen einer gewissen marxistischen Orthodoxie, für die es immer eine „gute Seite“ der technischen Entwicklung des Kapitalismus zu retten gilt (mikroelektronische Revolution) und einer gegengesellschaftlichen Praxis, die versucht, sich die vitalen Kräfte des Menschen anzueignen, indem sie die Maschinerie zerstört, die diese paralysiert.
2.
Inwieweit mag 1968 –wenn nicht gar explizit, so doch implizit, im Sinne der Uneinigkeit einer eine Vielzahl von Gruppierungen zusammenführenden Bewegung– als der Höhepunkt des Spontaneismus gelten ? Was verbindet die spontaneistische Durchdringung mit der Tatsache, dass die achtundsechziger Revolution schliesslich zur gesellschaftlichen Integration der Mehrheit ihrer Kader geführt hat ? In seinem Buch L’archéologie d’un échec (Seuil, 1993) hat der französische Sprachwissenschaftler Jean-Claude Milner darauf hingewiesen, dass die Moderne in ihrer Spätphase durch den Verzicht auf die Kompromisslosigkeit und die Übernahme der reformistischen Methode gekennzeichnet wird. Aufgrund seines utopischen Charakters zum Scheitern verurteilt, wäre der Spontaneismus in seiner revolutionären Prägung nur eine Zwischenstation zum allgemeinen Reformismus. Damit wäre das Vermächtnis des Spontaneismus ein Doppelvermächtnis : als Politikum würde es den Weg für den Reformismius frei machen ; als Utopie (eine andere Gesellschaft aufbauen) würde es zur Ghettoisierung und zum Kommunitarismus führen. Auf jeden Fall wird auf das Ziel der sozialen Umgestaltung verzichtet und das Politische abgelehnt. In dieser Hinsicht stellt sich die Frage nach dem Anteil des Spontaneismus an dem sozialen Zusammenbruch und der Entwicklung neuer Formen von Bürgerkrieg. Es sieht alles so aus, als hätte sich das Wesen des Bürgerkriegs gründlich verändert. Die Konfrontation von zwei identifizierbaren Blöcken (Kirche gegen Laizismus, Kommunismus gegen Kapitalismus) wird durch die Vermehrung der Guerrillas und der nicht intensiven Konflikte ersetzt.
Der Linksspontaneismus hat sich neu gestaltet und verzeichnet seit Davos, Seattle und Porto Alegre neue Erfolge mit dem Altermondialismus. Es wäre von Interesse, nach dessen Ursprünge zu forschen –insbesondere die Beziehung zu den vom Neo-Zapatismus des Unterkommandanten Marcos angewendeten Techniken– und nach der Anpassung der blanquistischen Tradition an die Erfordernisse der Weltmedien (anscheinend von denjenigen, die die Attentate vom 11. September konzipiert haben, meisterhaft beherrscht).
Antwort zu 2.:
Es ist ein Faktum, daß sich eine linke Gesellschaftskritik, die diesen Namen verdient, in den letzten zwanzig Jahren weltweit zusehends ins Mikrologische zurückgezogen hat. Und dies, obwohl sich das vollmundige Versprechen der Marktideologen, Globalisierung bedeute in letzter Instanz Frieden und mehr Wohlstand für alle, nach zwei Jahrzehnten neoliberaler Offensive gründlich blamiert hat. Daran trägt u.a. die 68er-„Revolution“ ein gerütteltes Maß an Schuld. Zwar war ´68 keineswegs der Höhepunkt des Spontaneismus sondern vielmehr das Datum seiner offiziellen Wiedergeburt, doch weil man sich seitdem auf pure Phantastereien kaprizierte, endeten zahlreiche 68er als Begleitprodukt kapitalistischer Modernisierung und formulieren inzwischen begeistert alternative Regierungsprogramme, die angesichts der laufenden Krisen kein einziges Gramm emanzipatorischen Mehrwirts erwirtschaften. Als Reformer im schlechten Sinne, den dieser Begriff mittlerweile angenommen hat, betreiben diese Leute repressive Krisenverwaltung und beschwören dabei allenthalben eine völlig nebelhaft bleibende „Zivilgesellschaft“ als Träger selbstverantwortlichen Handelns. Die neoliberale Propaganda tut genau dasselbe.
Die „neuen Erfolge“ des Links-Spontaneismus bestehen allerdings unseres Erachtens darin, daß die Attac-Theoretiker Antonio Negri und Michael Hardt mittels ihrer verkürzten und personalisierenden Kapitalismusvorstellung den neuen Elendsunternehmern einreden wollen, ihre „selbständige“ Arbeit sei eine wirkliche Freiheit, weil sie einen Laptop in ihrem Gepäck und keinen Chef nötig haben. In ihrem grundlegenden Werk „Empire“ ist an keiner einzigen Stelle von eigentlicher kategorialer Arbeits- oder Wertkritik die Rede. Als ginge es heute noch um die Arbeitsbedingungen des italienischen Fabrikproletariats der fünfziger Jahre wird dagegen die Marxsche Werttheorie für überholt erklärt und von einer neuen revolutionären Subjektivität als Nachfolgerin der alten Arbeiterklasse schwadroniert. Das ist aufgeklärtes Geschwätz im Endstadium. Rgeression pur. Diese Intellektuellen bewegen sich auf der Ebene vorprogrammierter Arbeitsbienen. Die Zweite Internationale läßt grüßen!
Analog zur Zuckergussvariante dieser verlogenen Öffnungsrethorik, die sich hier einmal mehr als der Weisheit letzter Schluß intoniert und sich dabei selbst ins Delirium versetzt, zeitigt die planetarische Politik des internationalen Terrorismus im Zeitalter der globalen Kulturkämpfe gewisse Erfolge. Da „die teuerste Ware auf dem Weltmarkt nicht Gold oder Diamant, sondern Kultur ist“ (Obi Egbuna, 1970), muß, wer bei kulturellen Bruchlinienkonflikten auch medial Flagge zeigen will, nicht nur den hegemonialen Diskurs der realistischen Theoriebildung und die mediale Klaviatur meisterhaft beherrschen, sondern auch die Kaltschnäuzigkeit besitzen, der Realität eines Westens der Moderne die fremdkulturelle Realität eines Nichtwestens der Vormoderne bzw. Gegenmoderne gewaltsam vor Augen zu führen. Positiv daran ist jedenfalls, daß die imaginierte Verabschiedung des Westens aus der Geschichte als metaphysische Träumerei à la Fukuyama entlarvt wurde, und das Wiederaufleben von ethnischen und religiösen Identitätsbildungen und deren unerwartete Geschichtsmächtigkeit die große Illusion einer Vollendbarkeit der Geschichte endgültig ad acta legten.
3.
Der ursprüngliche Spontaneismus geht auf die französische Revolution zurück (Babeuf), der aber im konterrevolutionären Umfeld immer wieder nachgeahmt wurde. Wenn Joseph de Maistre behaupten konnte, dass « die Konterrevolution keine Revolution in umgekehrter Richtung sondern das Gegenteil von der Revolution » sei, heisst es eben, dass diese Mimesis eine mit der Revolution zeitgenössischen Realität ist. Wenn auch die konservativen, reaktionären, rechtsradikalen Kreise, usw., politisch auf diesem Weg nie bedeutende Erfolge gehabt haben, haben sie nichtsdestoweniger die Mimesis in ihren theoretischen Vorstellungen gehegt. Angesichts der erwarteten Implosion eines zu Ende gehenden Systems, was für ein theorisiertes Aktionsmodell bleibt uns übrig ? Der Spontaneismus hat ausser im Bereich der reinen Abstraktionen kein politisches Ziel sondern nur ein mikrosoziales moralischer und privater Art, –er beansprucht eine gewisse Lebensweise. Der Grund dafür wird wahrscheinlich am besten durch den Immediatismus zutage gebracht : die fehlende Tugend der Seelenstärke (als Unfähigkeit zur Geduld und schliesslich zur Hoffnung ; Kehrseite der Medaille von der utopischen Abstaktion ?).
Antwort zu 3.:
Ein „theoretisertes Aktionsmodell“ sehe ich auf der Rechten nicht. Die Zerrissenheit zwischen Fortschrittsglauben und Dekadenzbewusstsein kennzeichnen zwar die meisten kulturpessimistischen Endzeitdiskurse, bei denen es immer um alles oder nichts geht, aber vorherrschend bleiben die negativen Konnotationen. Als eschatologische Irrealos zwischen Postmodernismus und Lifestyle kann man sich gerade noch eine Ästhetisierung der Krise des Systems leisten. Die Rechte ist, stromlinienförmig ihrer Epoche entsprechend zwar nicht mehr die alte, aber eben auch keine neue. Als Prototyp für den postmodernen Sozialcharakter kann sie auch alles andere als rechts sein. Das erweist sich aber gerade in seiner rechten Variante als eine Mischung aus Selbstbetrug und Rosstäuscherei, die haarscharf an der ersehnten Eleganz vorbeisegelt. Der alte Rechtsradikalismus wird dabei jedoch nicht aufgehoben, sondern zum bloßen Gestus verdünnisiert, bis von ihm bloß noch ein verbiesterter, spießiger und theoretisierender Snobismus übrig bleibt, der mit Begriffen wie „Revolution“ oder „Konterrevolution“ nur noch äußerlich kokettiert, andererseits aber die Orwellsche Sprache des Liberalismus pflegt. Als blühendes Zeitgeist-Talent betet er im hippen Popgewand geradezu das Evangelium der 89er Loveparade-Generation herunter, der peinlichsten Generation, die es je gab: die Verweigerung intellektueller Kritik und bewußtem Widerstand.
Der Aufstieg der chinesischen Macht und die Dynamik des Islam mögen vielleicht die Notwendigkeit eines christlich-konservativen Gegenfundamentalismus begründen, dem stehen jedoch die inneren Fäulnis- und Verfallsprozesse des Okzidents entgegen. Wir haben unsere kulturellen Grundlagen – und das Wesen aller Kultur ist nach Oswald Spengler Religion – ohne jede Not einfach auf dem Müllhaufen entsorgt, dabei steht der Feind schon im Inneren. Aber auch zur innerstaatlichen Feinderklärung fehlt uns angesichts unserer herunterästhetiserten Politik schlichtweg die Kraft. Stattdessen plantscht man in den seichten Gewässern des postmodernen Diskurses und erklärt die lächerliche Verfallsgestalt des monadisierten, handlungsunfähigen und bis zur offenkundigen Ichlosigkeit regredierten Inividuums zur großen Zukunft.
Da wir aufklärerischer als die Aufklärung sein wollten in dem Wunsch Tabula rasa zu machen, im Ikonoklasmus, im Bruch mit allen Traditionen, bleibt einem nur noch der völlige Neuanfang, ohne auf irgendetwas Überliefertem aufbauen zu können. Die „Kehrseite der Medaille der utopischen Abstraktion“ besteht dann womöglich in der gründlichen Abwendung vom geistigen Gesamtmüll einer negativen Ontologie, die in der Geschichtsmetaphysik der Moderne bis zur Bewusstlosigkeit reinkarniert wird.
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