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mercredi, 29 mai 2013

Dominique Venner – Von „Vorbildern“ und Haltungen

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Ein Gestörter?

von Manfred Kleine-Hartlage

Ex: http://www.sezession.de/

Ich will die Haltung, die der eine oder andere politische Kommentator anläßlich von Dominique Venners Selbsttötung [2]bekundet, nicht gerade zum Gesinnungs-Lackmustest erklären, aber bezeichnend ist doch, wie sich gerade an dieser Tat die Geister scheiden: Was für den einen eine politische Tat ist, die ihre Erklärung in sich trägt und daher der Erläuterung nicht bedarf, erscheint dem anderen als ein Akt bloßer Verrücktheit, als eine „schreckliche und unnötige“, eine „gewaltsame und schlimme Geste eines Gestörten“ [3].

Daß es Ersteren – auch mir – schwerfällt, Letzteren zu erklären, was es mit dieser Tat auf sich hat, hängt auch damit zusammen, daß man es solchen Adressaten im Grunde nicht erklären will.

Ja, man könnte durchaus aufwendig und mit analytischer Gründlichkeit zeigen, daß sie eine politische Wirkung hat, oder daß es doch zumindest nicht abwegig ist, auf eine solche zu spekulieren; schließlich bemißt sich in einer Mediengesellschaft die Wirkung einer Tat an den Schlagzeilen, die sie produziert. Man könnte zum Vergleich die tibetischen Unabhängigkeitskämpfer heranziehen, die regelmäßig durch spektakuläre Selbstverbrennungen auf ihr Anliegen aufmerksam machen, ohne daß irgendjemand sie deshalb als Verrückte abtun würde. Man könnte darlegen, warum die demonstrative Selbsttötung eine Waffe sein kann, die einem (zumal in einer Gesellschaft, die einen am liebsten mundtot machen würde) das letzte Wort sichert. Man könnte das alles tun. Aber es erschiene mir unangemessen, kleinkariert und letztlich sinnlos.

Sinnlos einer Gesellschaft gegenüber, die eine solche Tat nicht versteht, sondern bestenfalls durch sie verstört wird: Sie zu verstören, war ja genau der Sinn der Sache. Diejenigen, die es dann genauer verstehen wollen, werden ihren Weg zum Verständnis schon finden.

Sinnlos aber vor allem den konservativen Kritikern gegenüber, die durch ihre hektische Abwehr unfreiwillig zu verstehen geben, wie genau sie verstanden haben, worum es Venner ging – und die es genau deshalb ablehnen.

Ich habe, als ich von der Selbsttötung hörte, keine Sekunde daran gezweifelt, daß – wer auch immer „wir“ sind – Venner einer von „uns“ ist. Die Tat verstehen heißt nicht ihre Wirkung analysieren, sondern die innere Haltung verstehen und bejahen, der sie entspringt:

Es ist nämlich inkonsequent, dem drohenden Untergang des Abendlandes nicht in einem Geist und einer Haltung zu begegnen, die der Größe dieser Gefahr angemessen ist, deren absehbare Folgen jeden Vergleich mit denen aushalten, die der Untergang des Römischen Reiches nach sich zog.

Dem existentiellen Ernst der Lage, in die die Zustände uns bringen, muß die Ernsthaftigkeit der Opposition entsprechen, und die Radikalität der Opposition muß der Radikalität der Herrschenden wenigstens gleichkommen. Wer dem de facto existierenden politischen Ausnahmezustand mit der Anwendung bewährter Regeln begegnen möchte (bürgerlicher Lebensregeln, die auf den Normalzustand zugeschnitten sind und dort ihren Sinn haben), hat nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil sein tatsächliches Handeln nicht zu seiner theoretischen Wirklichkeitsbeschreibung paßt; er signalisiert, daß seine Opposition dem Gegner und seiner Skrupellosigkeit nicht gewachsen ist und deshalb von diesem nicht ernstgenommen zu werden braucht.

Henning Hoffgaard hat im Blog der Jungen Freiheit die Mentalität dieser Art von Opposition exemplarisch zum Ausdruck gebracht [3]. Nicht sein unbedeutendstes Argument ist die Behauptung, daß

der Historiker seinem eigentlichen Anliegen nur geschadet hat. Die konservative familienbejahende Bewegung steht plötzlich unter dem Verdacht der Radikalität.

Für diese Art Opposition gilt es, bereits den „Verdacht der Radikalität“ – und folgerichtig erst recht die Radikalität selbst – zu scheuen. Nun gut, Menschen sind verschieden, und Radikalität ist nicht jedermanns Sache. Das ist weder verdienstvoll noch verwerflich. Durchaus verwerflich, und zwar nach den von Hoffgaard selbst hochgehaltenen Maßstäben der bürgerlichen Moral, ist es, einem Toten hinterherzuspucken:

Kein Wunder also, daß die Initiatorin der Demonstrationen gegen die Homo-Ehe, Frigide Barjot, auf Distanz geht und von einer „gewaltsamen und schlimme Geste eines Gestörten“ spricht.

Dominique Venner hat keine Bewunderung verdient. Sondern Mitleid.

Der herablassende Gestus ist nicht einfach nur pietätlos (das ist er auch), und der Grund für die kaum verhohlene Aggressivität liegt erkennbar nicht in der Sache. Über Sinn oder Unsinn der Tat Venners kann man mit Argumenten diskutieren; es geht aber eben nicht um die Tat, sondern um die Haltung: um die Haltung Venners und um die seiner Kritiker. Hoffgaard gibt Auskunft:

Besonders verstörend ist die merkwürdige Selbstüberhöhung Venners, die in Sätzen wie „Meine Tat dagegen verkörpert eine Ethik des Willens“ zum Ausdruck kommt. Sie zeugt von Arroganz und erklärt diejenigen, die diesem vermeintlichen „Vorbild“ nicht folgen wollen, zu willenlosen Sklaven.

Tatsache ist, daß Venner dies mit keiner Silbe geschrieben oder auch nur angedeutet hat. Auch dürfte es kaum seine Absicht gewesen sein, einen Werther-Effekt auszulösen oder Gleichgesinnten die öffentliche Selbsttötung als Waffe der Wahl vorzuschreiben. Nicht Venner ist arrogant, sondern Hoffgaard spürt die Größe, die Ernsthaftigkeit, die Unbedingtheit, die Hingabe seiner Haltung und steht ihr befremdet gegenüber.

Ob es dem Verstorbenen bewußt war oder nicht: Sein dramatischer Abgang konfrontiert jeden Einzelnen mit einem Maßstab, dem er gerecht werden kann oder auch nicht. Es ist keine Schande, ihm nicht gerecht zu werden. Es ist keine Schande, mittelmäßig zu sein, zumal es ohne das Mittelmaß als Normalfall so etwas wie Größe gar nicht gäbe. Verachtenswert ist das Mittelmaß erst dann, wenn es sich selbst zum Maßstab erhebt, das Große nicht als solches anerkennt und dem Herausragenden den ihm zustehenden Respekt verweigert.

Dominique Venner – Von „Vorbildern“ und Haltungen

von Martin Lichtmesz

 Um mich dem Kommentar [2] von Manfred Kleine-Hartlage apropos Dominique Venner anzuschließen: die Bedeutung und den Sinn einer solchen „Geste“ versteht man entweder auf Anhieb, oder eben nicht. Mit denen, die sie nicht verstehen, erübrigt sich jeder weitere Dialog. Das ist eine Frage der Haltung, die man je nach Verfassung des Charakters einnehmen kann oder nicht.

Ein Kommentar wie jener von Henning Hoffgaard, [3]bedauerlicherweise auf der Netzseite der Jungen Freiheit erschienen, ist dagegen vor allem eine Frage der Abwehrhaltung, mit anderen Worten eines ängstlichen Manövers, um bloß nicht die Deckung gewisser konservativer Lebenslügen aufgeben zu müssen. Auch das hat selbstverständlich mit Charakter zu tun.

Ich frage mich, ob der Autor auch imstande wäre, sich neben einem Jan Palach [4] oder einem brennenden tibetanischen [5] oder vietnamesischen Mönch aufzustellen, und diesen mit sorgenvoll gerunzelter Stirn, erhobenem Zeigefinger, gerichteter Krawatte und biederer Miene zu belehren, wie unkonservativ und unnötig und generell garstig radikal ein solcher Akt doch sei, im schönsten treuherzigsten Glauben, er würde nun munter aus der Quelle des „gesunden Menschenverstandes“ schöpfen.

Warum „diskutiert“ denn dieser arme, geistesgestörte Mönch nicht lieber mit seinen Besatzern oder geht grundgesetzdemokratisch gegen sie demonstrieren oder warum gründet er keine konservative Partei oder warum geht er nicht nach Hause, läßt friedlich die Gebetsmühle rotieren, damit die Götter alles wieder richten? „Gesunder Menschenverstand“ in diesem Sinne genügt nicht. Man muß auch wissen, wovon man redet, ehe man die Losschwatzsicherung entriegelt.

Ich will lieber nicht wissen, wie die Antwort vermutlich ausfallen würde. Und wenn wir schon die Maßstäbe „konservativer“ Wohlanständigkeit und Bedachtsamkeit an eine Ausnahmetat (die selbstverständlich nicht im buchstäblichen Sinne „vorbildhaft“ sein kann) anlegen, dann erstaunt einen doch die gedankenlose Herablassung, mit der hier der Tod und das Selbstopfer eines Menschen bagatellisiert werden.

Daß man einer solchen Attitüde ausgerechnet in einer Zeitung begegnet, die das Andenken an den 20. Juli so grandios bewahrt wie kein anderes Medium in Deutschland, ist schon traurig genug. Wer nun mit dem Einwand kommt, daß wir uns doch im Gegensatz zu Stauffenberg nicht mitten in einem schrecklichen Krieg und in einer offenen Tyrannis oder Diktatur befinden, hat nicht begriffen, daß es hier um grundsätzliche Haltungen geht, und wohl ebensowenig, was das überhaupt ist: eine Haltung.

Das Ausmaß des Mißverständnisses über die Natur des „Konservatismus“ offenbart sich aber erst so richtig in dem letzten Satz, in dem Hoffgaard, zweifellos „gut gemeint“, de facto aber herabschauend und arrogant, zu „Mitleid“ für Venner aufruft. Das ist, wohl unbemerkt vom Autor, fast so ekelerregend wie der höhnische Auftritt einer plärrenden, tittenschwingenden Dummnudel [6] in Notre-Dame kurz nach dem Freitod Venners. „Mitleid“ und Nasenschleim, erst recht von den bien-pensants, ist nun wirklich das Allerletzte, das ein Mann wie Venner gewollt oder gar verdient hätte.

Hoffgaard scheint überhaupt nicht die geringste Ahnung davon zu haben, mit was für einem Mann er es hier zu tun hat, was er indessen auch in der Jungen Freiheit [7] selbst hätte nachlesen können. Die Behauptung, Venner habe „es sich furchtbar einfach gemacht“ ist so unverschämt, daß sie nach Satisfaktion verlangt, nicht nur wegen seines geistigen Kalibers, sondern auch, weil niemand es „sich einfach macht“, der bereit ist, sich sein Leben zu nehmen.

Letzteres ist nichts anderes als ein Kinderpfeifen im finstern Walde, die klassische Ente all jener Arg- und Ahnungslosen, die es nötig haben, ihrer Angst vor gewissen Dingen jenseits des bürgerlichen Sandkastens mit Verharmlosung zu begegnen. Können Leute dieser Art auch verstehen, daß es Menschen gibt, die sich nicht versöhnen und abfinden wollen, die in sich Überzeugungen tragen, die sich nicht kaufen und abkaufen lassen?

Vor allem sprechen wir hier nicht von jemandem, der einen Suizid aus pathologischem Lebensüberdruß begangen hat, genausowenig wie die tibetanischen Nonnen und Mönche. Ob Hoffgaard auch schon mal etwas von Sokrates oder Seneca gehört hat? Venner, ein eingefleischter, europäischer Heide, starb wie ein antiker Stoiker.

Venners Tat sei „kein Vorbild für niemanden“. „Vorbild“, auch das ist ein Ausdruck, der nach dem Fundus pädagogischer Artigkeit schmeckt. Kids, don’t try this at home! [8]  Wer redet eigentlich von „Vorbildern“? Ich will hier nicht darauf eingehen, was für diejenigen, die nun den Hut vor Venner ziehen, wirklich „vorbildlich“ ist und was nicht. Es ist, wie gesagt, etwas, das man entweder auf Anhieb versteht oder nicht. Niemand muß Venners Tat gut, sinnvoll oder „vorbildhaft“ finden. Aber es gibt Grenzen der Besserwisserei, die insbesondere vor dem Grab eines Menschen gezogen werden müssen.

Der Kern dieser schiefen Sicht ist, wie oben angedeutet, wohl eine autohypnotische Fehleinschätzung der Lage. Venner hat nicht, wie vielfach grob vereinfachend berichtet wurde, bloß gegen die von der Linksregierung durchgedrückte „Homo-Ehe“ protestiert (die, nebenbei gesagt, weder mit Homosexuellen noch mit „Ehe“ das Geringste zu tun hat). Seine Abschiedsnoten verweisen deutlich auf eine Lage, in der es um das Ganze Frankreichs und Europas geht.

Wer die Bilder von den Demonstrationen in Frankreich inhaliert wie Opium, gierig nach dem Sauerstoff der Hoffnung, hat noch nicht begriffen, daß die überwiegende Mehrheit der Franzosen ihrem „grand replacement“, wie es der (übrigens offen homosexuelle) Schriftsteller Renaud Camus formuliert hat, also dem großen demographischen „Bevölkerungsaustausch“ im Namen der globalistischen Utopie mit passiver Lethargie gegenübersteht.

Venner hat eben nicht „vor den nicht in Stein gemeißelten Umständen kapituliert“, wie Hoffgaard vermutet, der sich offenbar nicht einmal die Mühe gemacht hat, die entsprechenden Erklärungen [9] zu lesen. Au contraire:

Ich erhebe mich gegen den Fatalismus. Ich erhebe mich gegen die seelenzerstörenden Gifte und gegen den Angriff individueller Begierden auf die Anker unserer Identität, besonders auf die Familie, der intimen Säule unserer jahrtausendealten Zivilisation. Ebenso wie ich für die Identität aller Völker in ihren Heimatländern eintrete, erhebe ich mich des weiteren gegen das vor unseren Augen begangene Verbrechen der Ersetzung unserer Völker durch andere.

Was Venner nicht geteilt hat, war lediglich die Illusion, daß ein paar „artige Demonstrationen“ („gentilles manifestations“) genügen würden, um das Ruder herumzureißen. Und wie recht er damit hat, bestätigt die Reaktion der „Initiatorin der Demonstrationen gegen die Homo-Ehe“, die es für angebracht hielt, dem Toten ins Grab nachzuspucken, und anbiedernd-konformistisch von der „schlimmen Geste eines Gestörten“ sprach.

Diese „Initiatorin“ tritt übrigens unter einem Pseudonym auf, das offenbar aus einer Transvestiten-Show geklaut wurde: „Frigide Barjot“ [10] ist eine nicht allzu subtile Verballhornung von „Brigitte Bardot“, und heißt soviel wie „frigide Durchgeknallte“. Barjot, die aus dem Show-Biz kommt und auch äußerlich reichlich „durchgeknallt“ (oder gar „gestört“?) wirkt,  ist das weibliche Pendant zu Beppe Grillo, und hat auch mal ein die Bardot parodierendes Lied mit dem Titel „Fais-moi l‘amour avec deux doigts“ (das lasse ich mal unübersetzt), was unter ihren vielen konservativ-katholischen Anhängern sicher ein beliebter Schlager ist.

Fast könnte man hier den Verdacht einer „controlled opposition“ schöpfen. Man kann „Barjots“ Namen kaum zitieren, ohne das Gefühl zu haben, in einer Live-Satire oder einer Szene aus Raspails „Heerlager der Heiligen“ gelandet zu sein. Das gibt auch Hoffgaards Anrufung der Kronzeugin eine nicht umkomische Note. „Venner hat sich erschossen, aber Frigida Ziege  und Lady Gaga finden das gestört und uncool, Klappe zu, Affe tot.“

Im April dieses Jahres bezeichnete „Barjot“ Frankreich übrigens als „Diktatur“ (Wie unter Stauffenberg? Wie in Tibet?), und scheute nicht vor markigen, womöglich radikalismusverdachterweckenden Sprüchen zurück:  „Hollande veut du sang, il en aura ! “ – „Hollande will Blut sehen, und das wird er bekommen!“ Blut? Jenes Blut etwa, das nun tatsächlich vor dem Altar von Notre-Dame geflossen ist?

Und einer solchen Figur läuft die „konservative familienbejahende Bewegung“ Frankreichs hinterher.


Article printed from Sezession im Netz: http://www.sezession.de

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[1] Image: http://www.sezession.de/38913/ein-gestorter.html/220px-notre-dame-de-paris_-_rosace_sud

[2] Kommentar: http://www.sezession.de/38913/ein-gestorter.html

[3] Henning Hoffgaard, : http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5a655a77084.0.html

[4] Jan Palach: http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Palach

[5] tibetanischen: http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article2289544/Erstmals-Selbstverbrennungen-in-Tibets-Hauptstadt-Lhasa.html

[6] Dummnudel: http://www.bild.de/politik/ausland/femen/nach-suizid-in-notre-dame-femen-frau-zieht-blank-gegen-rechts-30502082.bild.html

[7] Jungen Freiheit: http://www.jungefreiheit.de/Archiv.611.0.html?jf-archiv.de/archiv10/201012031955.htm

[8] Kids, don’t try this at home! : http://en.wikipedia.org/wiki/Don%27t_Try_This_at_Home

[9] entsprechenden Erklärungen: http://www.sezession.de/38857/begrundung-fur-einen-freitod-dominique-venners-erklarung.html

[10] „Frigide Barjot“: http://fr.wikipedia.org/wiki/Frigide_Barjot

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