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lundi, 22 septembre 2014

Milieu gegen Gene?

Milieu gegen Gene?

von Ernst Hofer

Milieu gegen Gene?
 

Sozialbiologische Ansätze sind heute nachhaltig diskreditiert. Andreas Vonderach macht sich damit seit Jahren unbeliebt.

Wer aus dem gesellschaftlich „erlaubten“ Schema von Soziologie und Politikwissenschaft ausbricht, riskiert unwiderruflich als Nazi oder Biologist beschimpft zu werden. Dabei verläuft die Entwicklung in den Naturwissenschaften und der Psychologie durch neue Forschungsergebnisse immer mehr in eben diese Richtung. In zunehmendem Maße werden die Erblichkeit und die genetische Determiniertheit bestimmter Verhaltensmuster und Befähigungen erkannt.

Vonderach stellt klar, dass neben biologischen auch soziale Prägungen eine Rolle spielen, aber eben nur in einem bestimmten Umfang. In seinem Buch Sozialbiologie: Geschichte und Ergebnisse geht er der Geschichte der Sozialbiologie und ihren neueren Forschungsergebnissen nach.

Darwin, Galton und der Beginn der Eugenik

An den Anfang stellt Vonderach Charles Darwin. Mit seiner Theorie der Selektion und der dadurch bedingten Artenbildung legte er den Grundstein für sämtliche sozialbiologischen Theorien. Danach muss unweigerlich der Begriff des Sozialdarwinismus folgen und erklärt werden. Unterschieden werden muss zwischen einem rein ökonomischen Sozialdarwinismus im Sinne des Laissez-​faire–Prinzip des Manchester-​Kapitalismus und einem nach außen gewandten Sozialdarwinismus, der den Kampf zwischen verschiedenen Menschengruppen beschwört. Letzterer wurde durch Ernst Haeckel und seinem Fortschrittsoptimismus in Deutschland bekannt.

Begründer der Erblichkeitstheorie von Intelligenz war ein Vetter von Darwin, Francis Galton. Galton war methodischer Vorreiter der Psychologie. Er entwickelte viele Test zur Begabung von Menschen, die heute noch in Gebrauch sind. Seine wichtigsten Erkenntnisse fasste er im Buch Hereditary talent and character von 1865 zusammen. Darin verglich er die Verwandtschaftsverhältnisse von 415 herausragenden Männern der englischen Geschichte. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass die Begabung zu hervorragenden Leistungen mit dem Grad der Verwandtschaft zu anderen Hochbegabten korreliert.

Eugenik in Deutschland

Galton begründete mit der Eugenischen Bewegung auch die pessimistische Variante des Sozialdarwinismus. Nach ihr würden (aus dem damaligen Blickwinkel betrachtet) in einem Jahrhundert die unteren sozialen Schichten die oberen zu 82 Prozent überholt haben. Galton fand mit dieser Hypothese viele Anhänger im gebildeten Milieu.

In Deutschland entwickelte sich in den 1890er-​Jahren unabhängig von Galton unter den Privatdozenten Alfred Ploetz und Wilhelm Schallmayer eine eigene eugenische Bewegung. Die zu befürchtende Degeneration der Bevölkerung schlossen beide aber nur deduktiv ohne empirische Belege aus der darwinschen Evolutionstheorie. 1910 rief Ploetz dann auch eine Gesellschaft für Rassenhygiene ins Leben, wobei Ploetz unter Rasse – leicht missverständlich – keine Großgruppe oder Unterkategorie des Menschen verstand, sondern lediglich die gesamte menschliche Population.

Der Sieg der Milieutheorie

Etwas später entwickelte sich in den USA unter Franz Boas der Kulturrelativismus. Boas war der Ansicht, dass nur das jeweilige soziale Milieu prägend für die Entwicklung eines Menschen sei und die genetischen Grundlagen nahezu irrelevant wären. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg standen sich in der Debatte um genetische Anlage und Umweltbeeinflussung Boas-​Schüler und physische Anthropologen gegenüber. Als Bestätigung galten der Fraktion um Boas explizite Untersuchungen der Boas-​Schülerin Margaret Mead, die Feldforschungen auf der Südseeinsel Samoa durchführte. Ihr Ergebnis, dass die Kinder auf Samoa frei von gesellschaftlichen Konventionen, unbeschwert aufwüchsen, galt lange Zeit als Bestätigung von Boas Theorie.

Der Behaviorismus entstand zur selben Zeit auch in den USA. Der Tierpsychologe John Watson schloss aus jahrelangen Rattenversuchen, dass tierisches und menschliches Verhalten nahezu unbegrenzt konditionierbar ist. Der Behaviorismus wurde in der Folgezeit zur wichtigsten Grundlage linker Pädagogik. Nachdem sich die Eugeniker durch die menschlichen Experimente im Nationalsozialismus diskreditiert hatten, wurden der Boassche Kulturrelativismus und der Behaviorismus nach dem Zweiten Weltkrieg zur uneingeschränkten Grundlage aller politischen Entscheidungen.

Die Eugenische Bewegung löste sich selbst auf, ihre Fachzeitschriften benannten sich um oder befassten sich nicht mehr mit dem Thema. Der einzige Wissenschaftler, der sich weiterhin mit eugenischen Maßnahmen auseinandersetzt, ist der nordirische Psychologe Richard Lynn. Die einzige noch verbliebene Fachzeitschrift ist das Mankind Quarterly. Eugenische Maßnahmen finden heute auf freiwilliger Basis auf Zypern und unter orthodoxen Juden in Israel statt.

Neuere Erkenntnisse zur Erblichkeit von Intelligenz

In den 1960er– und 70er-​Jahren gab es wieder eine engagierte Fraktion von Forschern, welche die Erblichkeit von Intelligenz für gegeben hielt. Sie stützten sich dabei auf Zwillings-​und Adaptionsstudien. Danach nähern sich eineiige Zwillinge, die ein völlig gleiches Erbgut haben, in ihrer Intelligenz stark an, auch wenn sie in unterschiedlichen Milieus aufgewachsen sind. Häufig haben sie auch die gleichen Verhaltensauffälligkeiten. In den Adaptionsstudien wurde herausgefunden, dass adoptierte Kinder in Intelligenztests ähnlich den biologischen Eltern abschneiden und nicht ähnlich zu der neuen Familie, in der sie aufgewachsen sind.

Zu dieser Fraktion gehören weitgehend prominente angloamerikanische Psychologen wie Hans Jürgen Eysenck, Richard Herrnstein, Arthur Jensen und Cyril Burt. Als sie in ihren Studien auch den geringen Intelligenzquotienten der afroamerikanischen Bevölkerung thematisierten, sahen sie sich der vehementen Kritik durch Anhänger der Milieutheorie ausgesetzt.

Jede Zeit hat ihre Wissenschaftstrends

Derzeit geht man von einer Erblichkeit der Intelligenz von etwa 80 Prozent aus. Der Rest wird durch das Umfeld geprägt. Einem völligen Determinismus wird also nicht mehr das Wort geredet. Die deutschen Übersetzungen der Bücher von Eysenck, Herrnstein, Jensen und Burt fanden auch die Unterstützung des damaligen Leiters des Wissenschaftsressorts der Zeit Dieter Zimmer. Auch die Ergebnisse des Behaviorismus sind durch die Ethologie von Konrad Lorenz und die Humanethologie von Irenäus Eibl-​Eibesfeldt stark eingeschränkt worden.

Dennoch sieht Vonderach nach wie vor ein starkes Überwiegen der Milieutheorie in der westlichen Politik. Alle Parteien gehen in ihren politischen Überlegungen durchgängig von der Milieutheorie aus und nicht von der Erblichkeit wesentlicher Faktoren, die für den Sozialerfolg wichtig sind. Grundsätzlich ist Vonderachs Buch sehr informativ und gut zu lesen. Man merkt an allen Stellen, dass der Autor von der Materie reichhaltige Kenntnisse besitzt. Jedoch behandelt er die einzelnen Teilgebiete an manchen Stellen zu knapp und stellt den Stoff dann auf zu wenigen Seiten dar. Der Fairness halber muss hier noch angesprochen werden, dass Vonderach im Anhang eine ausführliche kommentierte Bibliographie zu den einzelnen Kapiteln beigefügt und somit eine Grundlage gelegt hat, auf der gezieltes Weiterlesen möglich ist.

Andreas Vonderach: Sozialbiologie: Geschichte und Ergebnisse. 221 Seiten, Verein für Staatspolitik 2012. 15,00 Euro.

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