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vendredi, 15 mai 2015

Pulverfass Mazedonien

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Pulverfass Mazedonien

von Frank Marten

Ex: http://www.blauenarzisse.de

Am Wochenende lieferten sich mazedonische Streitkräfte mit albanischen Separatisten Feuergefechte. Mazedonien droht ein neuer Bürgerkrieg. Balkan-​Experte Frank Marten zu den historischen und ethnischen Hintergründen.

Die Vergangenheit scheint den kleinen Balkanstaat fest im Griff zu haben. 22 Tote, Dutzende Verletzte und zahlreiche zerstörte Bauten gab es am Wochenende – das erinnert an scheinbar längst vergangene Zeiten. Der Zwischenfall vor einigen Tagen im mazedonischen Städtchen Kumanovo könnte ein schlechtes Omen für die Zukunft Mazedoniens sein.

Der Vielvölkerstaat Mazedonien

Wer diesen Konflikt verstehen will, muss die ethnische Zusammensetzung des Landes betrachten. Die Bevölkerung der Republik Mazedoniens ist heterogen aufgeteilt: Knapp 64 Prozent sehen sich als slawische Mazedonier, die vor allem im Süden, im Westen und im Zentrum des Landes ansässig sind. Rund 25 Prozent der in der kleinen Republik lebenden Bevölkerung sind dagegen Albaner, die vor allem im Osten des Landes und an den Grenzen zum Kosovo und der Republik Albanien leben. Als politisches und kulturelles Zentrum dieser großen Minderheit gilt die Stadt Tetovo im Nordwesten des Landes an der Grenze zum Kosovo. Es handelt sich um die drittgrößte Stadt Mazedoniens.

Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass gerade dort die Idee der Separation albanischer Gebiete von Mazedonien die meisten Anhänger findet. Beflügelt von dem Erfolg der „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UCK) gründete sich um die Jahrtausendwende ein mazedonischer Ableger. Dessen Ziel war die Lossagung der albanisch besiedelten Gebiete Mazedoniens und der Anschluss dieser Gebiete an Albanien. Besonders umkämpft waren 2001 die Gebiete rund um Tetovo und das Grenzgebiet zum Kosovo sowie zur Republik Albanien.

Die UCK im Kosovo

In den knapp sechsmonatigen Kämpfen zwischen albanischen Separatisten und mazedonischen Sicherheitskräften begingen beide Seiten schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber der anderen Ethnie und ihren sakralen Bauten. Denn die Mehrheit der albanischen Mazedonier sind Muslime. Beendet wurde der Aufstand durch den Vertrag von Ohrid vom August 2001. Dieser gab den Albanern mehr Rechte als jemals zuvor in der mazedonischen Geschichte. Beispielsweise wurde die albanische Sprache nun als Kommunalsprache anerkennt. Gebieten mit eine überwiegend albanisch sprechenden Bevölkerung wurden im Rahmen des Abkommens mehr Selbstverwaltung und Entscheidungsgewalt eingeräumt.

Das Abkommen beendete zwar das Blutvergießen, nicht jedoch das durch den Aufstand ausgelöste Misstrauen zwischen den Ethnien. Der frühere mazedonische UCK-​Chef Ali Ahmeti gründete nach dem Aufstand die albanische Partei „Demokratische Union für Integration“, die die drittgrößte Partei im Land darstellt. Sie hat sich die Ausweitung der Rechte der Albaner auf die Fahnen geschrieben. Dennoch sei angemerkt, dass Ahmeti zu den eher moderaten Kräften gehört und auf Wahlen anstatt Blutvergießen setzt.

Die demographische Landnahme

Der überwiegende Teil der Mazedonier fürchtet eine Übernahme ihres Landes durch die albanische Minderheit. Schon jetzt bekommen albanische Mütter wesentlich mehr Kinder als mazedonische Frauen. Und dieser Prozess scheint sich ohne Unterbrechung fortzusetzen. Das Misstrauen auf beiden Seiten ist hoch. Knapp sieben Jahre nach der Beendigung des Aufstandes wurde im albanisch besiedelten Bezirk der Hauptstadt Skopje das „Museum der Freiheit“ eröffnet. Es sorgte vor allem mit der Zurschaustellung der Erfolge und Symbole der mazedonischen UCK für Furore innerhalb Mazedoniens.

Der Zwischenfall von Kumanovo bestärkte die Mazedonier in ihrem Misstrauen gegenüber den albanischen Nachbarn. Die UCK, die nach dem Aufstand von 2001 von der Bildfläche verschwunden war, taucht nun wie der Phoenix aus der Asche mit einem lauten Donnerschlag wieder auf. Dennoch ist wenig über den Vorfall bekannt: Laut der mazedonischen Regierung sollte es sich um eine Razzia gegen albanische Separatisten gehandelt haben, die vor einigen Wochen einen Grenzposten zur albanischen Grenze für einige Stunden übernommen hatten.

Verschwörungen um Kumanovo

Aus der Razzia entwickelte sich ein Feuergefecht zwischen den Separatisten und den mazedonischen Sicherheitskräften. Laut der mazedonischen Regierung, bestehend aus einer Koalition der christlich-​konservativen VMRO-​DPMNE mit der national-​albanischen DIU, seien diese vom Ausland aus gesteuert worden. Doch dieser Aussage wird sowohl aus dem Kosovo als auch aus Albanien widersprochen. Manche Oppositionelle vermuten hinter dem Vorfall von Kumanovo jedoch ein Ablenkungsmanöver der umstrittenen Regierung.

Denn die steht seit Wochen unter dem Protest der Straße. Grund dafür sei die illegale Abhörung von knapp 20.000 kritischen Journalisten und Oppositionellen gewesen, so internationale Medienberichte. Bauscht die mazedonische Regierung den Vorfall also medial auf, um somit von ihren eigenen Schandtaten abzulenken?

Nachbarstaaten heizen den Konflikt an

Wie dem auch sei – die Antwort der Nachbarstaaten ließ nicht lange auf sich warten. So kritisierten sowohl Albanien als auch das Kosovo die Vorgehensweise der mazedonischen Sicherheitskräfte. Sie forderten die mazedonische Regierung zur Einhaltung der Bestimmungen von Ohrid auf. Bulgarien, das sich als Schutzmacht Mazedoniens sieht, forderte eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls. Diese Forderung teilt auch die Republik Serbien, die nach dem Vorfall bereits Polizeitruppen an der serbisch-​mazedonischen Grenze stationierte. Dort geht die Angst vor einem „Großalbanien“ um. Denn die UCK fordert auch die Angliederung von Teilen Südserbiens an das von ihr angestrebte „Großalbanische Reich“.

Die Angst vor einem erneuten Aufstand der Albaner ist nicht unbegründet: Durch die desolate Wirtschaftslage des Balkanstaates und die um sich greifende Korruption teilen viele Albaner den Wunsch eines geeinigten Großalbaniens unter der Flagge des schwarzen Adlers. Die mazedonische Politik sollte sich nun ihrer desolaten Lage bewusst werden und die Probleme im Land, die sie teilweise selbst zu verantworten hat, mit demokratischen Mitteln bekämpfen: „Nein“ zum albanischen Separatismus, „Ja“ zur regionalen Selbstverwaltung unter dem Schutz des mazedonischen Staates. Das bismarcksche Prinzip von „Zuckerbrot und der Peitsche“ könnte auch im tiefsten Balkan funktionieren. Von einem erneuten Blutvergießen hat niemand etwas – weder die Albaner noch die Mazedonier.

Anm. d. Red.: BN-​Autor Frank Marten hat mehrere Auslandsaufenthalte im Balkan, darunter auch im Kosovo und in Mazedonien, verbracht. Hier berichtet er über seine Reise in den Kosovo.

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