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vendredi, 27 juin 2014

Die komplexe Wahrheit

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Die komplexe WahrheitEx: http://www.national-zeitung.de

„Fragt man deutsche Jugendliche danach, wann der Zweite Weltkrieg begann, dann kann man schon froh sein, wenn sie nicht 1914 sagen“, erregt sich die FAZ vom 6. Juni. Als ob jene Jugendlichen schuld wären, die einfach lieber dicht machen, als sich eine vorgestanzte Phrase nach der anderen anzuhören, in der immer eine Seite die Rolle des Helden und die andere die des Bösewichts hat. Wie man Geschichte in ihrer Gegensätzlichkeit vermittelt, zeigt der 1946 in Bologna geborene Zeichner Vittorio Giardino mit seinem Comic „No pasarán“ über den Spanischen Bürgerkrieg der Jahre 1936 bis 1939, das in Italien ein großer Verkaufserfolg ist. Die Wahrheit, so heißt es im Vorwort, „ist für manche unangenehm und für alle komplex und widersprüchlich, und sie kann auch nicht anders sein, denn so ist das Leben“.

no-pasaran-giardino-vittorio-9781561633135.jpgSpanischer Bürgerkrieg, Ebrofront, Sommer 1938: Leutnant Ritt wird zur Erschießung geführt, nachdem der „Genosse Kommissar“, Kusic, ihn wegen „Feigheit“ formlos zum Tode verurteilt hat. Ritts „Verbrechen“: Er hat nach vier Stunden unter dem Feuer von Franco-Truppen mit seinen Leuten den Rückzug aus deckungslosem Gelände angetreten, als bereits mehr als die Hälfte gefallen war. Ritts Frage, ob er seine Männer bis zum letzten hätte massakrieren lassen sollen, beantwortet der kommunistische Politkommissar ungerührt: „Jeder Offizier, der seine Position ohne schriftlichen Befehl verlässt, wird erschossen. Führt ihn ab!“ Die letzte Zigarette ist geraucht, die Gewehre des Erschießungskommandos sind durchgeladen, als Major Guido Treves gerade noch rechtzeitig eingreift, Ritt freilässt und dadurch in eine heftige Auseinandersetzung mit dem Kommissar gerät. Der zeigt den Retter Treves bei der Kommunistischen Partei an, für die der Fall klar ist: „Wir können es nicht zulassen, dass auf der Autorität eines Politkommissars herumgetrampelt wird.“

Statt eines Kriegsgerichtsverfahrens gegen Major Treves entschließt man sich für eine Alternative. Rubizov, offiziell nur „Korrespondent der Prawda“, fasst die Entscheidung in die Worte: „Es gibt tausend Wege, Treves zu neutralisieren, und die schnellste und wirksamste ist immer die beste. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ Einige Monate später, im Kapitel „Ohne Illusion“, löst der Held der Geschichten von Vittorio Giardino, Max Fridman, das Rätsel des spurlosen Verschwindens des widersetzlichen Majors. Fridman gelangt zu Treves' Leiche, die zusammen mit anderen Opfern kommunistischen Terrors in einem Garten in Barcelona vergraben wurde.

Übrigens werden in dieser in den Details fingierten, aber minutiös in den historischen Kontext eingebetteten Geschichte der aufständische General Franco und seine Verbündeten keineswegs verherrlicht. Drastisch stellt Giardino etwa einen Bombenangriff der nach Spanien entsandten italienischen Luftstreitkräfte dar.

Wer Giardinos Comic gelesen hat, wird die gängige Sichtweise „böse Franquisten, gute Republikaner“ in Frage stellen. Er wird beginnen oder darin bestärkt, kritisch und damit überhaupt geschichtlich zu denken. Und er wird nicht aus allen Wolken fallen, wenn er erfährt, dass 2007 Papst Benedikt XVI. 498 spanische Geistliche als Märtyrer selig sprach, die während des Spanischen Bürgerkriegs von Republikanern ermordet worden waren. Was wiederum nichts daran ändert, dass, zum Beispiel, auf Francos Seite stehende Falangisten im August 1936, kurz nach Ausbruch des Bürgerkriegs, den Schriftsteller Federico García Lorca erschossen. So komplex ist die Wahrheit. Nicht nur in Spanien.

KD