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dimanche, 24 janvier 2010

Erik M. Ritter von Kuehnelt-Leddihn: Garantiert unmodern

Garantiert unmodern

Ex: http://www.deutsche-stimme.de/

Immer noch lesenswert: Randnotizen zum 100. Geburtstag von Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn

kuehnelt-leddihn
Rechts, aber nicht unbedingt
»konservativ«: Kuehnelt-
Leddihn (1909 – 1999)

Der am 31. Juli 1909 geborene Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn zählt zu den  beinahe vergessenen Geistesgrößen des vergangenen Jahrhunderts – Grund genug, sich seiner zum 100. Geburtstag wieder zu erinnern.

Gebürtiger Steirer, studierte Kuehnelt-Leddihn, schon in jungen Jahren tiefkatholische Anhänger der Reichsidee altösterreichischer Prägung, in Wien und Budapest, unternahm 1930 im Alter von 21 Jahren seine erste Rußlandreise, über die er für eine konservative ungarische Zeitung berichtete, und lehrte von 1937 bis 1947 an verschiedenen Kollegs in den USA.

Zu dieser Zeit hatte er auch bereits seine ersten zeitkritischen Romane veröffentlicht, die stets den Glauben einbezogen. Kuehnelt-Leddihn betrachtete sich als Mann der äußersten Rechten und war ein Gegner der modernen, sich von der Französischen Revolution herleitenden kollektivistischen Ideologien; die Französische Revolution stellte für ihn überhaupt die Urkatastrophe der neueren Geschichte dar. In ihrem Gefolge griff sowohl die Demokratie mit ihren – für Kuehnelt weder theologisch, philosophisch noch anderweitig begründbaren – Prinzipien der Gleichheit aller Menschen und der Richtigkeit von Mehrheitsentsåcheidungen und ihrer Neigung zur Unterdrückung von völkischen und sozialen Minderheiten sowie Eliten Platz als auch der logisch an die Demokratie anknüpfende egalitäre Sozialismus und der ebenfalls auf der Demokratie gründende »identitäre«, d.h. gleichmacherische Nationalismus.

Den Nationalsozialismus betrachtete er als Synthese beider und verortete auch ihn auf der »linken« Seite des politischen Spektrums. Hier ist der bei Kuehnelt-Leddihn zuweilen besondere Gebrauch der Begriffe zu beachten: »Identitär« bedeutet ihm so viel wie »übereinstimmend«; einem solchen Prinzip stellte er das »diversitäre« gegenüber, d.h. ein die gewachsene Vielfalt achtendes. Den »Nationalismus« betrachtete er als »identitär«, der Gewachsenes in ein Prokustesbett zwängen möchte, wie es beispielsweise auch in der Französischen Revolution der Fall war.

Demokratische Sentimentalisierung

Die Ursache für die Katastrophen der Moderne sah der Ritter, der sich nach seiner Rückkehr Ende der vierziger Jahre in Tirol niederließ, im großen Abfall vom Christentum seit dem 18. Jahrhundert und im damit verbundenen Machbarkeitswahn eines sich selbst überschätzenden Menschentums. Er gab einem übervölkischen, traditionalen Reichsgedanken den Vorzug, einem nicht auf »Blut«, sondern »Boden« bezogenen Patriotismus sowie dem freiheitlichen Rechtsstaat und wandte sich gegen die demokratische Sentimentalisierung und Unsachlichkeit, die er in den Wahlkämpfen mit ihrem Stimmenfang und im parlamentarischen Betrieb ausmachte.

In seinem 1953 erschienenen Werk »Freiheit oder Gleichheit« vertrat Kuehnelt unter Bezug auf zahlreiche Denker des 19. Jahrhunderts die These, Freiheit und Gleichheit seien unvereinbar, und beschäftigte sich ausführlich mit den Grundideen von Monarchie und Demokratie und mit politischen Prinzipien. Er unterschied vier Phasen des Liberalismus, wobei er die dritte Phase – den relativistischen Altliberalismus – nicht als im wirklichen Sinne liberal betrachtete, während er für den entstehenden Neuliberalismus, für den u.a. Röpke und Müller-Armack standen, Sympathien hegte.

Als Alternative zur Liberaldemokratie, die an ihrem inneren Gegensatz scheitern und zu Chaos oder totalitärer Tyrannei führen müsse, wie mehrfach geschehen, plädierte Kuehnelt für ein unparteiisches, professionelles Beamtentum, einen unabhängigen Gerichtshof, dem auch Theologen angehören sollten, und eine monarchische Spitze samt Kronrat. Ständische und regionale Volksvertretungen sah sein grober Entwurf ebenfalls vor.

Aktuelle Warnung vor der Linken

Zeitlebens warb Kuehnelt, der 1957 mit alljährlichen ausgedehnten Weltreisen begann, für die Formulierung einer konservativen oder rechten Ideologie, die theistisch und transzendental ausgerichtet und »personalistisch« sein, Vernunft und Gefühl in Einklang bringen, Tradition und Erfahrung achten, die gewachsene Vielfalt des Menschengeschlechts wertschätzen und Staat und Kirche in ein geordnetes Verhältnis bringen solle.

Vorrangig war für ihn die Wahrung von Freiheit, Recht und Ordnung. Er war überzeugt, daß die Rechte ohne eine solche zusammenhängende Schau und nur mit reinem Pragmatismus der Linken – der östlichen wie der westlichen oder auch einer möglichen Neuauflage des Nationalsozialismus – und ihren profilierten Ideologien nicht entgegentreten könne, worin er sich beispielsweise mit Gerd-Klaus Kaltenbrunner einig sah.

Mit diesem Thema befaßte sich Kuehnelt u. a. in den Aufsätzen »Der Anti-Ideologismus« (Criticon 120, 1973), »Ideologie und Utopie« (in: »Rechts, wo das Herz schlägt«, Graz, 1980) und »Die Krise der Rechten« (in: »Die recht gestellten Weichen«, Wien, 1989). Seine Vorstellungen einer Rechtsideologie stellte er ausführlich im 1982 in den USA erschienenen »Portland-Manifest« dar.

Die Selbstverortung vieler Konservativer als in der Mitte stehend erschien Kuehnelt als mutlos, den Begriff »konservativ« lehnte er ab, da dieser nicht besage, was zu erhalten sei. 1985 erschien eine Generalabrechnung mit der Moderne, »Die falsch gestellten Weichen. Der rote Faden 1789-1984«, in welcher Kuehnelt-Leddihn die neue Geschichte seit der Französischen Revolution aus seiner Sicht kenntnisreich, zuweilen, wie es ihm oft beliebte, im guten Sinne polemisch, darstellte, »eine Anti-Festschrift, die es in sich hat«, wie sich Caspar von Schrenck-Notzing in seiner Besprechung in Criticon ausdrückte.

Trotz der Ereignisse der Jahre 1989-1991 besteht auch heute noch, wenngleich vielleicht in geschwächter Form, das von Kuehnelt festgestellte Ideologiemonopol der Linken. Die Vormachtstellung der Linken bedeutete für Kuehnelt die Herrschaft der Halbgebildeten über die Ungebildeten in Medien und Schulen, Die wahrhaft großen Geister hätten stets rechts gestanden, äußerte er in einem Criticon-Aufsatz 1991.
1995 warnte er unter dem Titel »Die Linke ist noch nicht am Ende« in »Theologisches« die Rechte vor der Unterschätzung der vermeintlich geschwächten Linken. Diese sei »ihre zwei größten Hypotheken losgeworden: den Köhlerglauben an den Staatskapitalismus (der richtige Name für den Sozialismus) und die friedensbedrohende UdSSR mit ihren Gulags und anderen Greueltaten.«

»Panoptikum für unmoderne Menschen«

Sie sei gegen Bindungen und wende sich nun neben der Kirche vor allem gegen die Familie, ihr Programm sei »nicht mehr die Götterdämmerung marxistisch-leninistischen Charakters [...] sondern die Verschweinung der Völker, die zum Schluß womöglich nur mehr aus Hurenböcken, Dirnen, Urningen, verwahrlosten Kindern, Drogensüchtigen und Aids-Kranken bestehen, eine wahrhaft ›marcusische‹ Vision!« An der Richtigkeit dieser Anmerkungen kann heute kaum noch ein Zweifel bestehen. Die nach 1990 aufkeimende Hoffnung, mit linker Utopie und daraus hervorgehenden, von Lüge begeleiteten Experimenten sei es vorbei, hat sich noch nicht erfüllt.

Seinen Lebensabend verbrachte Kuehnelt-Leddihn weiterhin studierend, schreibend und lehrend. Über Kindheit und Jugend sowie seine ausgedehnten Bildungs- und Vortragsreisen schrieb er sein letztes, erst posthum im Jahre 2000 erschienenes Buch »Weltweite Kirche«. Die Theologie hatte er immer als Kern seiner Beschäftigung betrachtet. Am 26. Mai 1999 starb Erik von Kuehnelt-Leddihn in Lans/Tirol.

Manfred Müller hatte schon 1981 in Nation & Europa in seiner Besprechung des bereits erwähnten Aufsatzbandes »Rechts, wo das Herz schlägt. Ein Panoptikum für garantiert unmoderne Menschen« geäußert, man treffe »heute selten auf einen so belesenen und weitgereisten Schriftsteller wie Kuehnelt-Leddihn«, und er biete »auch Nationalisten vielfältige Anregung zu fruchtbarer geistiger Auseinandersetzung.« Und der im Januar dieses Jahres verstorbene Freiherr von Schrenck-Notzing, welcher den Ritter gut gekannt hatte, bezeichnete ihn 2006 als »Fundgrube, die noch der Erschließung harrt.«

Über Erik von Kuhnelt-Leddihn erscheint voraussichtlich Ende des Jahres eine von Marco Reese, Marius Augustin und Martin Möller  herausgegebene Monographie.

Marco Reese

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