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mercredi, 17 février 2010

Islamfundamentalismus, öl und angelsächsische Weltmächte

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Robert STEUCKERS:

 

Islamfundamentalismus, Öl und angelsächsische Weltmächte

 

Auszug aus einer Rede - Gehalten in Bayreuth für die Gesellschaft für Freie Publizistik (April 2006)

 

Eine erste Idee, um das Thema „Sturm auf Europa“ hier einzuleiten: Dem Rest der Welt gegenüber, sagen einige falschen Propheten Europas, sollte man die Strategie des Igels wählen. Das könnte zwar eine gute Idee sein, um seine Kräfte zu versammeln, ohne messianisch wie die VSA, anderen Völkern unsere Prinzipien oder politischen Modellen aufpropfen zu wollen und dabei unsere Grenzen zu verriegeln, um eine gefürchtete „Umvolkung“ zu vermeiden. Aber gezwungen sind wir alle doch, festzustellen, dass es dem Igel an Bewegungskraft fehlt. Genauso wie Admiral Tirpitz und der Geopolitiker Ratzel einst sagten, brauchen die Kontinentalmächte schwimmen zu können, also sich der Weite der Weltozeanen zu öffnen. Jetzt brauchen sie auch fliegen zu können, d. h. ihre Luftwaffekapazitäten zu entwickeln, und eben auch sehr hoch zu fliegen, bis zu den stratosphärischen Ebenen, da Gesamteuropa strategische Trabanten ziviler und militärischer Nützlichkeit braucht, um in der künftigen Welt konkurrenzfähig zu werden.

 

Eine zweite Idee, um das heutige Thema nochmals einzuleiten: Die Notwendigkeit, die Sachlage kühl, sachlich, ohne Floskelngefühle jeder Art zu analysieren. Die Hauptfrage zu beantworten kann wirklich ohne Panik oder Schadenfreude passieren. Es genügt zu fragen: Wie funktioniert dieser „Sturm“? Die Antwort sollte aus Sachen, Fakten und ohne fromme Wünsche bestehen.  Hier ein Paar Beispiele:

-          Die Immigration aus afrikanischen bzw. arabisch-islamischen Ländern ist zwar ein Problem ungeheueren Umfangs, sie bleibt trotzdem ein Problem zweiten Ranges, da sie nicht als ein Phänomen an sich betrachtet werden sollte, sondern als das effizientste Instrument des Hauptfeindes. Darf man also wie Samuel Huntington von einem Gegeneinanderprallen von Kulturen sprechen? Meine Antwort ist : Jein! Gegen diejenigen, die Huntington banalisieren oder vulgarisieren, sage ich, dass ein solches Gegeneinanderprallen der Kulturen immer schon da war, und hat, was Europa und den Islam betrifft, fast ein Jahrtausend gedauert. Nur diejenigen, die kein historisches Gedächtnis mehr haben, werden der „Clash“ Huntingtonscher Prägung, als eine Neuheit empfinden. Gegen diejenigen, die Huntingtons Hauptthese total im Namen des politisch-korrekten Universalismus ablehnen und als „neo-Spenglerisch“ oder als „neokonservativer Parafaschismus“ bestempeln, sage ich, dass es eben Amerika ist, die diesen „Clash“ heute inszeniert, um Europa und Russland der islamischen Welt gegenüber zu schwächen. Ich will hier einen Mittelweg suggerieren: Der Begriff des „Clash of Civilizations“ zwischen Europa oder Russland einerseits und der islamischen Welt andererseits, ist zwar eine nicht zu leugnende Wirklichkeit, aber der Ursprung dieses Konfliktes heute befindet sich nicht im Islam selbst sondern wird von Pentagon-Strategen ferngesteuert. Der Islam ist ein Feind Europas und Russlands heute geworden, aber nur indem er ein Bundgenosse des Hauptfeindes Amerika ist.

 

-          Hauptfeind bleibt noch immer Amerika, als Seemacht, als neues Karthago, wie Carl Schmitt so treffend analysiert hat. Warum? Weil Amerika noch stets Territorien oder Seeräume in Europa besetzt. Weil Amerika Satelliten im Weltall schickt, um unsere militärische und zivile Tätigkeiten zu beobachten und zu spionieren.  Weil Strategien der Charakterwäsche noch immer in Deutschland wie überall in Europa angewendet werden, wie damals Caspar von Schrenck-Notzing sie meisterhaft entlarvt hatte. Die weltweite Medienmanipulation macht es unmöglich, einen unabhängigen Blick auf die Weltereignisse zu werfen. Die Mediendominanz Amerikas, mit CNN und andere mächtige Presseagenturen, erlaubt die einzig gebliebene Supermacht, Greuelpropaganda zu verbreiten, damit spontan die Ziele Washingtons als das Gute schlechthin angenommen werden. Beispiele gibt es in Hülle und Fülle: Die Massaker von Timisoara/Temeschburg zur Zeit des Ceaucescu-Sturzes, wo die gezeigten Leichen aus den Kühlschränken des Uni-Krankenhauses oder aus frischen Gräbern kamen; die Flüchtlinge, die im Kosovo ständig vorbeipassierten und die eigentlich immer die gleichen Bilder und Menschen waren, die aus anderen Winkeln technisch-filmisch aufgenommen wurden; die von serbischen Schergen angeblich gegrabenen Massengräber, die kein medischer UNO-Ausschuss je gefunden hat; die Säuglinge, die die Soldaten Saddam Husseins in Kuweit angeblich massakriert hätten, indem sie die elektrischen Stecker der Brutinstrumente ausgerissen hatten. Die Liste ist selbstverständlich hier weit unvollständig. Solange solche Manipulationen inszeniert werden oder bloss möglich bleiben, um die Interessen Europas oder Russlands zu torpedieren, bleiben unsere Völker unfrei, ihr weiteres Schicksal zu gestalten. Die europäischen Staaten sind unfähig, ihre eigene Ziele und Interessen ihren eigenen Bürgern in einer eigenen Mediensprache deutlich zu machen. Deshalb, und solange eine solche Sachlage herrscht, kann man kühl und sachlich feststellen, dass ihr Status den Status von Marionnetten-Staaten ist. Wir sind die Hampelmännchen und -frauen von Marionnetten-Staaten und keine Bürger von normal funktionierenden Staatswesen.

 

-          Die Energiepolitik der Vereinigten Staaten zielte immer darauf, eine Maximisierung des Öl-Konsums zu erreichen. Man kann es die „Politik des Nur-Öls“ nennen. Diese Option hat als Ursprung das blosse Fakt, dass das konsumierte Öl in der Welt bis 1945 hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten kam. Die VSA waren also die Hauptlieferanten dieses Rohstoffes in der Welt und verstanden daraus, dass dieser Rohstoff ihr besseres Instrument werden könnte, um allerlei strategische Vorteile zu gewinnen. Lange Zeit haben die Vereinigten Staaten ihr eigenes Öl als Reserve bewahrt, um strategische Trümpfe im Falle von Weltkriegen zu halten. Ziel der Propagandafeldzüge jeder Schattierung wurde stets, es zu vermeiden, dass andere Mächte solche Reserven oder Reserven anderer Art aufstapelten. Die „Nur-Öl-Politik“ Washingtons war gegen jede energetische Diversifikation gerichtet. Wenn Völker ihre Energie-Quellen vervielfachen, schaffen sie die Bedingungen einer Unabhängigkeit, die die Vereinigten Staaten nicht tolerieren können, da sie für immer Hauptlieferanten auf dieser Erde bleiben wollten. Jetzt stellt sich die Frage über die reale oder angebliche Ölknappheit in der heutigen Welt. Werden wir bald einen „pick“ erleben, nachdem die Reserven sich allmählich ausschöpfen werden? Gibt es Reserven etwa in Mittelafrika oder in Alaska, die die Wichtigkeit der saudischen Reserven bald relativieren wurden? Die Frage bleibt selbstverständlich offen. Sicher ist aber das die Amerikaner so viele Ölfelder in den Händen ihrer eigenen Ölgesellschaften sehen wollen, um Meister dieser Rohstoffsquellen so lang wie möglich zu bleiben und die Wirtschaftslage der trabantisierten Völker zu kontrollieren und, wenn nötig, zu erdrosseln. Würden diese Völker energetisch durch Diversifikation unabhängig und frei, wäre eine solche Erdrosselung nicht möglich.

 

-          Sehr früh, sofort es sicher war, dass die Ölreserven der arabischen Halbinsel die umfangreichsten der Welt waren, hat die amerikanischen Führung unter Franklin Delano Roosevelt ein Bündnis mit dem saudischen König Ibn Saud geschmiedet. Der US-Präsident und der arabische König trafen sich am Bord des US-Kriegsschiffes USS Quincy im Roten Meer. Dort wurde schon vor der deutschen Niederlage eben dieses Bündnis mit einem fundamentalistisch-wahhabitischen Königreich Wirklichkeit. Die geistige Lage in diesem Königreich war ganz anders als im mehr oder weniger islamisierten oder schiitischen Persien oder als im Ottomanischen Reich. Beide Reiche waren alte staatliche Strukturen, die religiös bunt waren und die auch Elemente aus anderen Quellen als aus denjenigen arabisch-islamischer Herkunft eingebürgert oder Formen des Islams wie der Sufismus oder die Mystik entwickelt und gefördert hatten. Für die wahhabitischen Saudi-Araber waren alle diese Beimischungen zoroastrisch-persischer, byzantinisch-griechischer oder schamanisch-zentralasiatisch-türkischer Herkunft ketzerisch oder unrein. Diese kulturtragenden Beimischungen wurden durch den Wahhabismus abgelehnt, zur Gelegenheit zerstört oder systematisch als Ketzerei abgetan. Nach Roosevelt und Nachfolger, sei dabei doch ironisch erwähnt, hätten alle Völker der Erde die Menschenrechte volens nolens übernehmen sollen (besonders in ihre spätere San-Francisco-Verfassung des Jahres 1948), nicht als tatkräftige eingewurzelte Rechte historischen Ursprungs sondern als auflösende Keime gegen jede geschichtlich gewachsene nicht amerikanisierte Institution (dieser letzte Terminus benutze ich hier im Sinne Arnold Gehlens); diese Menschenrechte sollten in einer zweiten Stufe dazu dienen, in aller Ecken der Welt eine amerikanisierte nicht heimatliche Pseudo-Demokratie zu stützen, und diese sollte überall gelten, nur nicht in Saudi-Arabien. Der Fall zeugt von einer evidenten Doppelmoral: Die amerikanische Führung glaubt nicht an den Menschenrechte als ob diese eine Art ziviler Ersatzreligion wären, sondern benutzen diese Ideologie, um feindliche oder konkurrierende Staaten zu schwächen, und tolerieren die grobsten Kränkungen dieser Menschenrechte, wenn ihre Interessen damit gedient werden.

 

-          Die Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und dem Saudi-Islamismus basiert sich auf einer „Insurgency-Strategie“. Mit saudischen Geldern werden Erhebungen islamitischer Ideologie veranstaltet sowie im Afghanistan gegen das Regime, das die Sowjets damals unterstützten, oder in Bosnien und Kosovo, zur Zeit Clintons und Albrights, um Unruheherde in Europa permanent zu schaffen, oder in Tschetschenien, um Russland im Gebiet des Nordkaukasus auszuschalten. Jedesmal gab es saudische Gelder, um die afghanischen Mudschahiddin oder Talibane, die bosnischen Verbände oder die UCK-Milizionäre oder die tschetschenischen Terroristen zu finanzieren. Auf jedem Kampfgebiete fanden Beobachter saudische Kriegsherren oder Freiwilligen. Die Ziele dieser Insurgency-Kämpfe entsprachen immer die geopolitischen Stossrichtungen die Washington sich wünschte. Die islamfundamentalistische Gefahr entspricht also schlicht ein Instrument des US-Imperialismus. Ohne amerikanische Deckung des saudischen-wahhabitischen Systems, hätten diese Erhebungen nie stattgefunden. Afghanistan wäre ein Trabant der Sowjetunion bzw. Russland geblieben. Serben und Kroaten hätten sich Bosnien geteilt. Der Kosovo-Krieg hätte nie stattgefunden. Tschetschenien und Daghestan wären ruhig geblieben. Bin Laden war letztes Endes  ein Söldner Amerikas; deshalb vielleicht konnte er so einfach verschwinden, derweil sein Mitkämpfer der Mullah Omar mit einem Motorrad entwischen konnte, ohne dass die Satteliten der amerikanischen Streitkräfte oder der allwissenden NSA-Agentur, die uns hier alle sehen können, dieses verdammte Motorrad mit dem bösen Mullah drauf entdecken konnten! Vielleicht eine unerwartete Panne, eben am diesen Tag!

 

Bin Laden, der Mullah Omar, der Bassajew in Tschetschenien und die vielen anderen treiben also was man im militärischen Jargon seit Lawrence of Arabia eine „Insurgency“ auf abseitigen Gebieten um den Hauptfeind zu destabilisieren. Die Immigration innerhalb der europäischen Staaten heute dient dazu, und nur dazu, einen künftigen Insurgency-Krieg im Herzen unseres Kontinents zu leiten. Die breiten Massen entwurzelten junge Muslims, die hier ohne Arbeit herumlaufen, machen es möglich, dass eine solche „Insurgency“-Strategie hier künftig inszeniert werden könnte. Die These wird ganz au sérieux in Frankreich genommen und der Hauptreferent in dieser Sache ist der französische Politikwissenschaftler algerischer Herkunft Ali Laïdi. Dieser stellt ganz sachlich fest, dass die aufgehetzten Köpfe in den Randstädten rund Paris, Lyon oder Marseille, systematisch von Geistlichen fanatisiert werden, die irgendwie von saudisch-finanzierten Gremien abhängen. Solche Geistlichen predigen überhaupt nicht die Integration, sondern einen rückwärtsorientierten Islam, wobei weite Teile dieser arabisch-mahomedanischen Bevölkerungsgruppe der Leitkultur völlig entfremdet und, schlimmer noch, ihr tiefer und tiefer befeindet werden, sowie die fanatischen wahhabitischen Krieger der arabischen Halbinsel die kulturreiche Islam-Synthese Persiens oder des Ottomanischen Reiches entfremdet wurden. In dieser verschwächten Bevölkerungsgruppe herrscht von jetzt ab ein Misstrauen, wobei alles was man als Europäer sagt, stillschweigend oder vehement abgelehnt wird. Intoleranz taucht inmitten eines langweiligen Toleranz-Diskurses.

 

 

Geschichte des Islamfundamentalismus

 

◊ 1. Erklärung der Begriffe

 

Der sogenannte Islamfundamentalismus hat seine Wurzeln in verschiedenen Denkschulen, die im Laufe der Geschichte in islamischen Ländern entstanden sind. Die heutigen Strömungen des Islamfundamentalismus finden ihre Quellen eben in diesen Denkschulen. Es scheint mir deshalb wichtig, diese fundamentalistischen Richtungen und ihre Folgen zu kennen. 

 

-          Die erste Denkschule ist der Hanbalismus. Gründer dieser Schule sind Achmad Ibn Hanbal (780-855) und später, in einer zweiten Stufe der Entwicklung dieser Schule, Taqi Ad-Dinn Ibn Taymijah (1263-1328). Die vier Hauptgrundrichtungen dieses Denkens sind : 1) Eine Reaktion gegen die Verwendung philosophischer Begriffe griechischer oder persischer Prägung im Raum des Islams.  Die Reaktion ist also anti-europäisch; 2) Eine buchstäbliche Interpretation des Korans, wobei keine Innovationen toleriert werden; 3) Der Muslim darf keine persönliche Urteilskraf und keine theologische Spekulationen entwickeln. Opfer dieser strengen Restriktion wurde der Mystiker Ibn Arabi, einer der gründlichsten Denker unseres Mittelalters (wobei der Begriff ‘Mittelalter” für den Islam überhaupt nicht passt); 4) Die Feindschaft gegen den Sufismus, d. h. gegen breitdenkenden Schulen, die ihre Ursprung im iranischen Raum fanden.

 

-          Der zweite Denkschule ist der bekanntste Wahhabismus, von Muhammad Ibn Abd Al-Wahhab gegründet. Al-Wahhab wurde ungefähr 1703 in Naschd-Provinz in der Arabischen Halbinsel geboren. Die Merkmale seines rigoristischen Systems sind: 1) Er ist unmittelbar ein Anhänger der hanbalistischen Tradition; er will deren Strengheid im späteren saudischen Raum wieder erwecken; 2) Al-Wahhab behauptet, der Kultus sei unrein geworden, weil zuviele Devotionalien den reinen Geist des Islams besuddeln; er will jeden Rückkehr zu vorislamischen Riten bekämpfen, da diese Riten im arabischen Halbinsel wieder üblich geworden waren, weil das Land weit von den Zentren des islamischen Hauptkultur entfernt war; 3) Al-Wahhab rechtfertigt die systematische Anwendung von Terror gegen Andersdenkenden, wie, zum Beispiel, Schiiten oder andere “Abweichler”. Terror wird Mittel zum Zweck; 4) Al-Wahhab behauptet auch, daß das Besuchen von heiligen Stätte ketzerisch sei; Objekte wie Rosenkränze, das Rauchen, die Musik, das Tanzen werden also verboten; Männer sollten immer auch Bart tragen.

 

-          Die dritte Denkschule ist die Ichwan-Bewegung. Nach eine langen Zeit des Wirrens, erobert der Neschd-König Ibn Saud die arabische Halbinsel. Seine Truppen —die Ichwan-Verbände—  werden von den Wahhabiten fanatisiert. Ibn Saud, ein schlauer König, weiss aber, daß das Nomadentum die Araber der Halbinsel schwächt. Er will sie seßhaft machen und militarisieren. Deshalb gründet er eine Bewegung von Soldaten-Kolonisten, die streng wahhabitisch erzogen werden. Diese Militarisierung durch Religion ist eine Grundtendenz des heutigen Fundamentalismus und hat, u.  a. Bin Laden inspiriert. Die Geschichte der Ichwan-Bawegung, d. h. die Bewegung der Bruderschaft, zwingt uns, die Geschichte Saudi-Arabiens besser zu kennen und zu verstehen.

 

-          Die vierte Denkschule ist die Bewegung der Islam-Bruderschaft oder Muslim-Bruderschaft in Ägypten. Gründer der Bewegung war Hassan Al-Banna, der sie Ende der 40er Jahre ankurbelte. Hauptidee war, daß die arabisch-muslimischen Völker den Westen nicht knechtisch nachahmen sollten. Er plädierte für eine allgemeine Reislamisierung und gründete deshalb auch eine paramilitärische Organisation, die Kata’ib (die Phalange).  Al-Banna wurde 1949 in offener Strasse von ägyptischen Polizisten erschossen, nachdem Demonstranten englische Soldaten gelyncht hatten. Es ist merkwürdig zu notieren, dass am Anfang seiner Laufbahn Al-Banna ein liberaler verwestlicher Intellektuelle war. Er hatte in den Vereinigten Staaten studiert. Nach seiner Rückkehr nach Ägypten, lehnte er die westlichen Ideen ab und wurde streng islamitisch. In der ersten Phase der Bewegung, unterstützte Al-Banna die “Freien Offiziere” Nassers, aber danach, entstand eine totale Opposition gegen Nasser mit Hilfe der Kommunisten. Die Tätigkeiten der Islam-Bruderschaft hat systematisch das Nasser-Regime geschwächt. Insofern har die Bewegung die Amerikaner und Israelis geholfen, Ägypten als auftauchende Macht innerhalb der arabischen Welt auszuschalten, besonders nach der Niederlage von Juni 1967. In 1955, wurde die Bewegung für das erste Mal von den ägyptischen Behörden aufgelöst und verboten. Die ersten Hinrichtungen von Bruderschaftsaktivisten finden statt. Sayyib Qutb (1906-1966) wurde dann der Nachfolger Al-Bannas. Er entwickelte die Bewegung weiter und gab sie eine islamistisch-sozialistische Orientierung, wiederholte und rekapitulierte die hanbalistische Dimension seiner Islamsvision; die eigentliche Neuheit war, dass er den Dschihad, den heiligen Krieg, gegen ungenügende, zu tolerante oder ketzerische muslimische Regierungen. Zwischen 1954 und 1964, flog er manchmals ins Gefängnis. 1966 wird er endlich hingerichtet.

 

Die geschichtlichen Kenntnisse sollten auch mit geographischen Kenntnissen erweitert werden. Die Bühne, wo alles entstanden ist, ist selbstverständlich das heutige Territorium Saudi-Arabiens. Mohammed in seiner Zeit war ein kluger Geopolitiker: Er hat die Halbinsel geeinigt und der Netz der Karawanen-Straßen gegen alle Einflüsse von ausserhalb der arabischen Halbinsel sichergestellt. Nichts läßt vermuten, daß er weitere  Länder erobern wollte. Aber einige Jahre nach seinem Tod, war der Kontext völlig anders. Mohammed wurde im Jahre 570 geboren, also im sogenannten Huluban-Jahr oder Elefanten-Jahr, wenn abyssinische Truppen im Dienst des byzantinischen Reiches Arabien vom jemenitischen Süden erobert hatten, um die Perser von den Ufern des Roten Meeres fernzuhalten. Mohammed wollte es nicht, dass die Halbinsel und die Karawanen-Straßen Bühne eines Krieges zwischen raumfremden Mächten wurde. Nach seinem Tode, kämpften Perser und Byzantiner weiter, mit als Verbündeten die semitisch-aramäiche Stämme des heutigen Jordaniens und Iraks. Die Nachfolger des Propheten zerschlugen unerwartet byzantinische Verbände im Raum Südjordaniens und Palästinas. Später werden auch persische Truppen zerrüttet. Die semitisch-aramäischen Völker, die von diesem ständigen Krieg müde waren, bekehren sich zum Islam. Die Zeit war gekommen, um ein riesengrosses Islam-geprägtes Reich zu gestalten.

 

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Die arabische Halbinsel bestand und besteht noch heute aus hauptsächlich vier Hauptgebieten : Das Hedschas-Gebiet, das Neschd, das Assir und die Hassa-Provinz.

 

Das Hedschas-Gebiet wird von nicht-wahhabitischen Sunniten beherrscht und ist der Ort der heiligen Stätte des Islams, wo die Pilger sich begeben. Im 1916-17, organisiert der britische Offizier Lawrence die Hedschas-Stämme rund dem Häuptling Hussein, der damals ein Feind Sauds war. Die Hedschas-Stämme sind Bundgenossen der Briten, die Stämme unter der Führung Sauds aber den Briten gegenüber sehr misstrauisch und spâter Amerika-hörig.

 

Das Neschd-Gebiet ist das zentralgelegene Gebiet der Halbinsel, aus dem die Anhänger des Wahhabismus und später die verbündeten Stämme des Sauds ihre Eroberungszüge anfangen werden. Im berühmten Buch des ehemaligen Vichy-Minister und Historiker des deutschen Militärwesen Benoist-Méchin, wird das Neschd-Gebiet sehr genau beschrieben. Die eigentliche Urheimat der semitischen Völker befindet sich im heutigen Jemen und Assir-Gebiet, die bis spät ein eher reiches und furchtbares Land mit sesshaften Stämmen, die eine effiziente Landwirtschaft entwickelt hatten. Die Römer sprachen von „Arabia felix“, d.h. „Glückliches Arabien“. Es ist also falsch zu behaupten, dass die semitischen Völker alle ursprünglich Nomaden waren. Wenn das fruchtbare Land Jemens zu viele Kinder erzeugte, mussten die notgezwungen nordwärts auswandern, und eine kriegerische nomadische Kultur im Neschd-Gebiet zu schaffen. Im dürren Norden entstanden also nach einem langen Voklswerdungsprozess eben diese Krieger-Stämme, die den Islam und viel später den Wahhabismus ihre ersten Impulse gaben. Wir finden deshalb im Kern der arabischen Halbinsel die übliche Dialektik Zentrum-Peripherie, wobei das dürre unfruchtbare Zentrum nicht das zeitlich erste Element des dialektischen Prozesses ist, sondern das Produkt einer reichen Peripherie, die später nach einer mehr oder weniger langen Reifungsprozess das Entstehungsgebiet einer eigenartigen geistigen Revolution geworden ist. Dieses Modell ist nicht einzig in der Geschichte des Islams: Auch das dürre steppische Zentralasien als Urheimat oder als Sprungbrett der Türkvölker in Richtung der bunten Reichsgebiete des sogenannten „Rimländer“ (Persien, Byzanz und das indische Gupta-Reich) kann als eine Zentrum zweiter dialektischen Hand betrachtet werden.

 

Das dritte Gebiet der Halbinsel ist das Assir, das von Jemeniten bewohnt wird, die stark schiitisch geprägt sind. Assir ist ein Bergland mit feuchterem Klimat. Die Stämme im Assir haben sich immer gegen diejenigen des Neschds gewehrt.

 

Das vierte Gebiet ist die Hassa-Provinz, die sich der Ostküste der Halbinsel entlang befindet, wo die Ölfelder liegen. Die arabisch-semitische Urbevölkerung war dort ursprünglich schiitisch und pflegte enge Bände mit den Schiiten Iraks.

 

Die Geschichte des Wahhabismus

 

Im 18. Jahrhundert, nachdem das Ottomanische Reich und sein Verbündeter der französischen „Sonnen-König“ endgültig durch den Prinzen Eugen im Schach gehalten wurden, war der Islam weltmächtig auf dem Ruckzug. Das türkisch-ottomanische Hegemon konnte sich Europa gegenüber nicht mehr behaupten. In diesem Kontext entwickelte der Geistliche Al-Wahhab in einem abgelegenen Ort im Neschd seine rigoristische Lehre, um den Islam wieder kampffähig zu machen und das türkische Hegemon durch ein neues arabisches zu ersetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, schmiedet er 1744 ein Bündnis mit dem Stammeskönig Mohammed Ibn Saud, Gründer der noch heute herrschenden Dynastie. Die Allianz zwischen dem Geistlichen und dem Krieger erlaubte in einer ersten Phase die komplette Eroberung des Neschd, wo alle Feinde ausgeschaltet bzw. ausgerottet wurden. Während dieser langen Auseinandersetzungen wurde die schiitische Pilgerstadt Kerbala im heutigen Irak erobert und völlig zerstört, weil die Wahhabiten die Reliquien der Martyrer und die Volksfrömmigkeit rund diesen religiösen Überlieferungen als ketzerisch und Götzenanbetung betrachteten. Hier liegt die Wurzel der Erzfeindschaft zwischen Schiiten und Saudi-Wahhabiten, die heute durch die Ereignisse im Irak wieder angekurbelt wird, wobei die amerikanischen Geheimstrategien des „divide ut impera“ (Teile und Herrsche“) eine erhebliche Rolle spielen. Die Kriegszüge Al-Wahhabs und Mohammed Ibn Sauds führten damals auch westwärts mit schweren Angriffen gegen die Hauptkultstätte von Mekka und Medina, wo auch Schreine und Kultortschaften in Namen des religiöse Rigorismus der Wahhab-Lehre zerstört wurden. Hier liegen dann die Keime der späteren Feindschaft zwischen Neschd-Stämmen und Hedschas-Stämme.

 

Am Anfang des 19. Jahrhunderts im Kontext der Napoleontischen Kriege, wurden de facto die wahhabitischen Stämme in ihrer Feindschaft der Ottomanen gegenüber die Bundgenossen Frankreichs, weil einfach weil die Machtkonstellation damals die folgende war: Das Ottomanische Reich sowie Persien waren die Verbündeten Englands. Wenn aber Napoleon in Russland 1812 besiegt wird, verminderte das Interesse Englands an diesen fernen exotischen Bundgenossen. Die Ottomanen und die Ägypter, unter der Leitung des Albaners Mehmet Alis und dessen Sohn Ibrahim Pascha, versammelten ihre Kräfte, um die Wahhabiten auszuschalten. Das Neschd-Königreich wurde unerbärmlich zerstört, eben die Quellen in diesem Wüstengebiet wurden trocken gelegt, um jede Logistik und jede Bewegung weiten Umfangs zu verhindern. Nach den Racheoperationen Mehmet Alis und Ibrahims, herrschte in der Halbinsel eine Zeit der Wirren, wo sich Stämme gegen Stämme einander bekriegten. Der zweite Ibn Saud (1880-1953) beginnt erneut die Eroberung des Neschd-Zentralgebietes, diesmal mit der anfänglichen Unterstützung Englands. Die Operationen entwickelten sich mit der extremsten Gewalt. Grausame Ereignisse und Ströme Blutes erschütterten Arabien. Wenn der Erste Weltkrieg in Europa ausbricht, versuchen die Briten sofort Verbündeten in der Halbinsel, um die Ottomanen auf ihrer südlichen Flanke einzukreisen. Das Kairo Büro mit Lawrence suggerierte ein Bündnis mit Hussein und Feisal im Hedschas-Gebiet, aber das Bombay Büro mit Shakespear wählte eher Ibn Saud als Verbündeter. Lawrence bekommt die Kredite, ganz einfach weil er schneller die Hedschas-Stämme in Akaba bringen könnte, um eine Küstenstreife frei für eine britische Landung am Endpunkt der Damas-Jerusalem-Akaba-Eisenbahn sicherzustellen,  und auch komischerweise weil er akzeptierte, einen arabischen Kopftuch statt einer Offizier-Mütze europäischer Art zu tragen, was Shakespear immer hartnäckig und schneidig abgelehnt hatte. In seinen Notizen über seine arabischen Feldzüge, spricht Lawrence ausführlich darüber, dass Araber tief davon schockiert und gekränkt werden, wenn Europäer in ihrer Anwesenheit Hüte oder Mützen tragen.

 

In den 20er Jahren, als die Sprösse der Hedschas-Häuptlinge über Jordanien und den Irak mit britischer Unterstützung herrschen, wiederholte der zweite Ibn Saud seine frühere Feldzüge bis er endlich wieder die ganze Halbinsel kontrollierte. Um dieses Ziel zu erreichen, bediente er sich dem Instrument der Ichwan-Bewegung, die er dann, sofort er gesiegt hatte, auflösen liess. Mit der Macht fest in den Händen und nachdem Ölfelder auf seinem Hoheitsgebiet entdeckt wurden, konnte Ibn Saud II. 1945 mit Roosevelt verhandeln und seine britische Feinde im Kampf um das Öl ausschalten. 1953 stirbt der Beduinen-Herrscher nachdem die Bedingungen des Bündnisses mit Amerika fest und endgültig festgelegt wurden. Hier beginnt wirklich die Geschichte der engen Zusammenarbeit zwischen Washington und Riad.

 

(weitere Auszüge später).

 

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