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mercredi, 28 avril 2010

Carl Schmitt: Auf den Punkt gedacht

Carl Schmitt: Auf den Punkt gedacht

Christoph Rothämel  

http://www.blauenarzisse.de 

 

Carl_Schmitt.jpgMan möchte meinen, Carl Schmitt ist als Autor heute weniger wegen seiner Liaison mit dem Nationalsozialismus als wegen der Klarheit seiner Schriften unbeliebt. Seine unermüdliche juristische und philosophische Grundlagenarbeit, mit einem kühlen Kopf den Wörtern ihren Sinn zurückzugeben, hat sich in ein reichhaltiges Reservoir deutscher Denkkraft verwandelt. Dies erhellt dem Nachdenkenden die Struktur der modernen politischen Ideologien, sofern sie mit Begriffen wie Demokratie, Parlamentarismus, Diktatur, Souveränität, Menschheit hantieren. Der Begriff des Politischen und Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus sind nun bei Duncker & Humblot in neuer Auflage erschienen.

 

Die Lüftung des Schleiers über der Jakobinerlogik

Wenn Schmitt die Demokratie erklärt, wird deutlich, dass ein Parlament dafür keine notwendige Voraussetzung ist. Dass die Existenz eines Parlaments von fast allen Demokraten für den Staat dennoch als solche betrachtet wird, beruht auf dem gemeinsamen historischen Siegeszug von demokratischen Idealen und liberalen Ideen und der damit verbundenen denkerischen Fehlleistung einer automatischen Verknüpfung von Demokratie und Liberalismus. Demokratie selbst hat aber zunächst keinen politischen Inhalt, sondern stellt lediglich eine Organisationsform dar.

Ihr Kerninhalt bleibt das Dogma, dass alle politischen Entscheidungen nur für die Entscheidenden gelten sollen, die Identität von Herrscher und Beherrschten. Die überstimmte Minderheit muss ignoriert werden, was aber nicht schwer fällt, da ja nach Rousseau der Wille der überstimmten Minderheit in Wahrheit mit dem der Mehrheit übereinstimmt. Auch John Locke ist der festen Überzeugung, dass in der Demokratie der Bürger auch dem Gesetz zustimmt, das nicht seinem Willen entspricht. Letztlich ist das Gesetz identisch mit der volonté générale. Und weil - ganz rousseauistisch – der Generalwille der wahren Freiheit entspricht, war der Überstimmte nicht frei.

Da jederzeit die Möglichkeit besteht, dass das Volk mithilfe von Suggestionen betrogen wurde, kann der radikale Demokrat auch die Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit rechtfertigen, wie sie exemplarisch in den Erziehungsdiktaturen der sozialistischen Revolutionen zutage trat. Der echte Demokrat bleibt, weil er an die Demokratie als eigenen Wert glaubt, weiter Demokrat, muss aber, weil die Regierten noch nicht „reif“ sind, die Demokratie praktisch zeitweilig suspendieren ohne sie theoretisch aufzugeben. Der Kernsatz Schmitts dazu lautet: „Es scheint also das Schicksal der Demokratie zu sein, sich im Problem der Willensbildung selbst aufzuheben.“

Da das Volk, das sich zur Willensbildung nicht mehr an der Dorflinde zum Thing treffen kann, auf Ausschüsse zur Repräsentation angewiesen ist, bleibt die Frage, ob nicht auch ein einziger Vertreter den wirklichen Willen des ganzen Volkes in den Händen halten kann? Bejaht man dies, muss man Adolf Hitler als Demokrat und Diktator anerkennen. Er beanspruchte jedenfalls den Willen des Volkes zu kennen und zur Ausführung zu bringen. Auch die DDR war demnach – ganz ihrem Namen nach - ein grundsätzlich demokratischer Staat. Lediglich für oder gegen die Regierung stimmen zu dürfen ist nicht etwa undemokratisch, es ist illiberal! Das Wahlsystem der DDR war genau genommen plebiszitär. Und ein Plebiszit ist nicht undemokratisch. Die Diktatur ist eben nicht der Gegenbegriff zur Demokratie.

Parlamentarismus

Der Parlamentarismus als Ausprägung einer liberalen Auffassung von Demokratie hat Diskussion und Öffentlichkeit zur Voraussetzung. Das Parlament soll Ausschuss des Volkes sein, in dem die überall verteilten Funken der Vernunft über die Diskussion zu einer politischen Willensbildung führen. Dass dieses Konzept durch die Massendemokratie mit all ihren Konsequenzen in Frage gestellt wird, stellt Schmitt meisterhaft heraus. Weder sind die parlamentarischen Diskussionen wirklich öffentlich, noch ermutigt das politische Personal den Wähler dazu, eine gehaltvolle Diskussion neben den Partikularinteressen der Protagonisten überhaupt noch für möglich zu halten. Es ist für den heutigen Leser leicht einsichtig, dass nach den unnormalen Wiederaufbauleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg diese Erschlaffungstendenzen des Parlamentarismus, die Carl Schmitt in der Weimarer Republik beobachte, zurückkehren.

Die Darlegungen Schmitts gehen aber noch viel weiter. Grundlegend zu wissen ist, dass Demokratie immer eine hinreichende Homogenität voraussetzt. Die zunehmende Gleichsetzung von Staat und Volk mit dem Siegeszug der Demokraten ist mithin kein Zufall, sondern die notwendige Bedingung für die Herstellung handlungsfähiger politischer Einheiten auf demokratischer Basis. Man muss daher zwingend den Schluss ziehen, dass die Demokratie durch die Heterogenisierung des Staatsvolkes, wie wir sie gegenwärtig erleben, erheblichen Gefahren ausgesetzt ist.

Unüberbietbar ist seine Feststellung, dass die Krisis des modernen Staates darauf beruht, dass eine Massen- und Menschheitsdemokratie keine Staatsform, auch keinen demokratischen Staat zu realisieren vermag. In Bezug darauf sind die Selbsttäuschungen der Gegenwart wieder enorm angewachsen.

Politische Theologie und Souveränität

Der Glaube, dass alle Gewalt vom Volke kommt, erhält in der Demokratie eine ähnliche Bedeutung wie der Glaube in der Monarchie, dass alle obrigkeitliche Gewalt von Gott kommt. Dieses Phänomen beschreibt Schmitt in einer gleichnamigen Schrift als Politische Theologie. Für ihn deutet sich an, dass das jeweils vorherrschende Weltbild und die Ausprägung der Staatsform in einem Zusammenhang stehen.

Damit verbunden finden sich die Begriffe Souveränität, als die Fähigkeit über den (politischen) Ausnahmezustand zu entscheiden, und das Politische, als die Fähigkeit Freund und Feind zu unterscheiden, wieder. Denn alles dies mündet zwangsläufig auch in die Politische Theologie, insofern das Weltbild maßgeblich die Erkenntnis der Normalität wie die Freund-Feind-Scheidungen determiniert. Angesichts eines offiziellen Kampfes gegen Rechts ist der Standardvorwurf gegenüber Schmittianern, unbilligerweise an Freund-Feind-Denkweisen festzuhalten, eine einzige an Idiotie grenzende Groteske, seitens derer, die als politischen Feind den Nazi samt seinen Wegbereitern überall zu sehen glauben.

Intellektuelle Vorwegnahme der Bundesrepublik Deutschland

Neben den grundsätzlichen Begriffsklärungen, finden sich im Gesamtwerk Schmitts auch Deutungsmuster juristischer Gestaltung imperialer Politik. Am Beispiel der besetzten Rheinlande („Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“ in Positionen und Begriffe, 3. Aufl., D&H) erläutert er, warum Annexionen und Protektoratsbildungen veraltete Mittel der imperialen Machtausübung sind, und wie es dem eingreifenden Staat mithilfe von unbestimmten Rechtsbegriffen wie Schutz fremder Interessen, Schutz der Unabhängigkeit, öffentliche Ordnung und Sicherheit, Einhaltung internationaler Verträge undsoweiter gelingt, die politische Existenz eines vordergründig in die Souveränität entlassenen Staates weiterhin in den Händen zu behalten.

Die herrschende Macht schafft internationale Vertragswerke, deren Auslegung sie kraft ihres Machtstatus letztendlich selbst bestimmen kann. Carl Schmitt hat damit auch die babylonische Gefangenschaft Deutschlands in ihrer heutigen Form lange vorweggenommen. Ein unerschöpflicher Fundus für alle: aber unverzichtbar für Politik- und Jurastudenten.

 

Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien. Broschiert. Duncker & Humblot 2009. 116 Seiten. 22 Euro.

Ders.: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. Broschiert. Duncker & Humblot 2010. 90 Seiten. 18 Euro.

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