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dimanche, 20 mars 2011

Nicht nur Libyen brennt : Islamistische Gewalt in Ägypten und Tunesien in beängstigendem Ausmass

 

Nicht nur Libyen brennt : Islamistische Gewalt in Ägypten und Tunesien in beängstigendem Ausmass

Geschrieben von: Robin Classen 

Ex: http://www.blauenarzisse.de/  

 

GaddafiDie Ereignisse in Nordafrika überschlagen sich, der Überblick droht für den Westeuropäer immer mehr verloren zu gehen. Die Volksaufstände, die ihren Ausgang in Tunesien fanden, haben sich nach der erfolgreichen ägyptischen Revolution nun auch auf dutzende andere arabische Staaten ausgebreitet. Selbst ölreiche Staaten wie Saudi-Arabien, die ihre Bevölkerung seit Jahrzehnten mit „Brot und Spiele“ bei Laune halten, haben bereits prophylaktische Demonstrationsverbote und ähnliche repressive Anordnungen erlassen. Am stärksten wütet der Volkszorn der arabischen Welt momentan jedoch in Libyen, dem seit Jahrzehnten vom Gaddafi-Clan in diktatorischer Art und Weise geknechteten nordafrikanischen Nachbar von Tunesien und Ägypten.

Seit Wochen sind sowohl Printmedien als auch Fernsehen und Internetmagazine voll von Meldungen über den Stand der Kämpfe in Gaddafis Staat, so dass die Entwicklungen in Ägypten und Tunesien völlig ins Hintertreffen geraten. Die befürchtete islamisch-religiöse Dimension der Konflikte scheint sich dort derweil zu bestätigen. In Tunesien, dem wohl liberalsten nordafrikanischen Land, wurden die Rotlichtviertel in Tunis von Islamisten abgebrannt und ein polnischer Priester enthauptet.

Noch dramatischer ist die Lage in Ägypten, welches momentan bereits an der Schwelle zum islamistischen Gottesstaat steht. Die schon während der Revolution auftretenden Berichte über Angriffe auf koptische Kirchen und Kloster haben sich verdichtet. Die imposante Kirche des Heiligen Georg in Rafah wurde beispielsweise komplett ausgebrannt und geplündert. Als die koptische Gemeinde wenigstens die Kirchturmglocke reparieren wollte, rief dies einen 3000-Mann starken islamischen Mob auf den Plan, der mit Macheten bewaffnet das koptische Heiligtum stürmen und komplett zerstören wollte. Außerdem wurden christliche Kloster von der ägyptischen Armee beschossen, die Mauern mit Bulldozern eingerissen und Priester in den heiligen Gemäuern mit Maschinenpistolen hingerichtet.

Verdrehte Freund- und Feindbilder in den westlichen Medien

Berichtet wurde über diese Vorkommnisse in den Medien so gut wie gar nicht, was wohl daran lag, dass man eine solche Entwicklung der arabischen Revolution schon zu Beginn hätte erahnen können, aber nicht hat wahrhaben wollen. Wie verdreht die Freund- und Feindbilder der westlichen Medien schon bei den ersten Demonstrationen in Ägypten waren, zeigte sich bereits an der Vergewaltigung der amerikanischen Journalistin Lara Logan. Diese dachte offensichtlich im neuen, angeblich demokratischen Ägypten in westlicher Kleidung auftreten zu können. Während sie von Anhängern der „Demokratiebewegung“ geschlagen, getreten und letztlich einer Massenvergewaltigung zum Opfer fiel, waren es die „Schlägerbanden“ und „Mörder“ Mubaraks, die die Frau aus den Händen des islamistischen Mobs retteten.

Interessant ist, dass nach dem Rücktritt Mubaraks die Berichterstattung in den westlichen Medien praktisch ausgesetzt, in den arabischen Medien aber erst richtig angefangen hat. Die Information, dass eine der größten Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz erst nach dem Sturz-Mubaraks stattgefunden hat, wurde in Tagesschau und Heute-Journal mit keiner Silbe erwähnt, wohingegen der islamische Sender Al-Jazeera seinem Publikum Live-Bilder sendete. Die Versammlung auf dem Tahrir-Platz, von der die Rede ist, war anlässlich einer Ansprache des islamistischen und radikal-antisemitischen Fernsehpredigers Yusuf al-Qaradawi, der nach Jahrzehnten des Exils – Islamisten waren unter Mubarak in Ägypten unerwünscht – wieder in seine alte Heimat zurückgekehrt ist.

Zusammen mit mehreren Millionen Zuschauern stimmte der Islamist Sprechchöre an, die die Zerstörung Israels und die Fortsetzung der islamischen Revolution forderten. „Oh Allah, nimm diese unterdrückende, tyrannische Bande von einem Volk [...] nimm diese unterdrückende jüdische Zionistenbande von einem Volk [...] lasse nicht einen einzelnen übrig. Oh Allah, zähle sie und töte sie, bis zum allerletzten von ihnen”, tönte der Hassprediger bereits in der Vergangenheit.

Gaddafi war in der Vergangenheit ein sehr wichtiger afrikanischer Staatsmann

Vor diesem Hintergrund nehmen auch die Kämpfe in Libyen einen ganz anderen Charakter an. Zu Beginn der Ausschreitungen war kaum etwas über Ausmaß und Wahrheitsgehalt der lediglich als Gerüchte auftretenden Berichte bekannt. Gaddafi hatte praktisch das ganze Land von ausländischen Medienvertretern gesäubert und jegliche Verbindung zur Außenwelt gekappt. Trotz der vollkommen unübersichtlichen Lage war auch hier den westlichen Medien in beeindruckender Sturheit klar: Die Demonstranten sind Teil einer Demokratiebewegung.

Zugegeben: Momentan lässt sich weder dies, noch das Gegenteil behaupten, denn anders als in Tunesien und Ägypten handelt es sich bei Gaddafi keineswegs um einen Herrscher, der enge Kontakte zum Westen pflegte und eher dem gemäßigten Lager angehörte. Gaddafi war für die Vertretung afrikanischer Interessen ein gewichtiger Faktor, weswegen sich auch die anderen afrikanischen Staatsmänner bedeckt halten und nicht offen gegen ihn Stellung nehmen. Gaddafi hat in den vergangen Jahren Unmengen in den Aufbau von Infrastruktur in ganz Afrika investiert. Außerdem hat er die „Afrikanische Union“ als starke Interessenvertretung Afrikas in der Welt gegründet und Europa immer wieder mit der Drohung einer Masseneinwanderung von Muslimen und Afrikanern in das christliche Abendland unter Druck gesetzt.

Unvergessen sind seine Ankündigungen, dass Europa noch in diesem Jahrhundert islamisch werde und sein Besuch in Italien, für den er sich hunderte Prostituierte in einen Saal bestellte, um ihnen aus dem Koran vorzulesen. Diese exzentrischen, aber doch bedrohlichen Auftritte brachten ihm in der radikalislamischen Welt viele Sympathien ein und rechtfertigen das Prädikat „Islamist“ für den lybischen Staatschef. Doch wesentlich stärker als Mubarak, vereinigt Gaddafi einige Charaktermerkmale auf sich, die mit der islamischen Lehre nicht in Einklang zu bringen sind.

Der Nationalsozialist Gaddafi: Nicht im Einklang mit islamischer Lehre

Gaddafi ist wohl wie kein zweiter Staatschef selbstverliebt, herrschsüchtig und begreift sich selbst als obersten Herrn auf Erden, als eine Art Propheten. In jeder libyschen Gemeinde liegt deshalb auch das „Grüne Buch“, ein religiös-politisches Ideologiepamphlet, mit welchem Gaddafi Libyen über Jahrzehnte hinweg mit eiserner Faust regierte. Inhaltlich lässt sich die Gaddafi-Ideologie, die eine für Islamisten nicht akzeptable Einmischung und Veränderung der in Koran und Scharia verankerten Prinzipien darstellt, wohl am ehesten als mit islamistischen und spirituell-esoterischen Elementen versehener Nationalsozialismus bezeichnen.

Zu dieser islamischen „Gotteslästerung“ kommt auch noch die Sozialpolitik, die in Tunesien beispielsweise die Proteste erst ins Rollen gebracht hat. Gaddafi lebt als selbsternannter Prophet in persönlichem Reichtum, während sein Volk in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Armut vor sich hin vegetiert. Es ist also, im Kontext der islamistischen Entwicklungen in Ägypten und zum Teil auch in Tunesien, durchaus nicht unwahrscheinlich, dass in Libyen gerade der eine Islamist durch eine Gegenbewegung von anderen, genuinen Islamisten zu Fall gebracht wird. Dies würde auch eine Fernsehbotschaft Gaddafis erklären, in der gerade er davor warnte, dass Libyen in die Hände von Fundamentalisten fallen könnte.

Die Folgen für Europa sind derweil kaum überschaubar, eine Analyse kann daher nur bruchstückhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit erfolgen. Abgesehen von den Drohungen Gaddafis gegen Europa, war er trotzdem bisher ein verlässlicher Partner zahlreicher westlicher Regierungen, insbesondere der italienischen unter Berlusconi, zu welchem er eine eigenartige Männerfreundschaft pflegt. Aus dieser heraus wurde auch ein Abkommen geboren, in welchem Libyen gegen Geld zusichert, eine Masseneinwanderung nach Europa zu verhindern und bereits in Italien gelandete Flüchtlinge aufzunehmen. Außerdem erhielten italienische Firmen Mammutaufträge, wie den des Baus einer 1700 Kilometer langen Autobahn.

Gaddafi war bisher in der Lage, die ehemalige italienische Kolonie, die sich aus dutzenden, miteinander mehr oder weniger verfeindeten und zerstrittenen Stämmen konstituiert, zu einen und zu stabilisieren. Dass dies nur durch eine beinharte, repressive Politik und durch die Zahlung von Bestechungsgeldern an die Stammesfürsten möglich war, ist die andere Seite der Medaille. Die Zukunft Libyens ist daher ungewiss und lässt eine Spaltung des Landes und einen jahrelangen Bürgerkrieg zwischen verfeindeten Stämmen und Gruppierungen befürchten. Momentan scheint der Osten des Landes zwar vereint gegen Gaddafi vorzugehen, doch wenn erst einmal das gemeinsame Feindbild weggebrochen ist, werden Verteilungs- und Machtfragen für Streit sorgen.

Libyen ist ohne eine Kooperation mit dem Westen nicht lebensfähig

Schon allein die Verteilung der libyschen Ölquellen wird für Rivalitäten unter den Stämmen sorgen, von der von europäischen und amerikanischen Energieunternehmen in Zusammenarbeit mit einem libyschen Staatsunternehmen geplanten Erschließung der gigantischen Gasvorkommen unter der libyschen Wüste gar nicht zu reden. Gerade diese scheint jedoch auch Anlass zur Hoffnung zu geben, denn ohne Kooperation mit dem Westen, zumindest im Bereich des Energiehandels, ist Libyen nicht lebensfähig.

Heute speisen sich rund 60 Prozent der staatlichen Einnahmen aus dem Erdölhandel und Alternativen sind nicht in Sicht. Libyen könnte sich zu einem nordafrikanischen Musterknaben wandeln, sofern die Öleinnahmen endlich gerecht verteilt und in Bildung und Infrastruktur investiert würden. Diese positive Zukunftsvision liegt jedoch noch in weiter Ferne, solange Islamismus und regionale Feindseligkeiten das Bild des Landes bestimmen.

Eine weitere mögliche Entwicklung wäre, dass Gaddafi wider aller Erwartungen die Macht halten könnte. Momentan befinden sich die Rebellen, die den Osten des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben, in der Defensive. Gaddafi bombardiert rücksichtslos sein eigenes Volk. Er heuert immer mehr Söldner aus Schwarz-Afrika an und verfügt noch über zwanzig- bis dreißigtausend absolut loyale Elitetruppen, die notfalls auch die Waffe gegen Zivilisten richten werden. Beistand aus Europa für die Revolutionäre?

Viel Blut in Libyen in den nächsten Monaten. Nach dem Kampf gegen Gaddafi werden innere Verteilungskämpfe folgen.

Außer Lippenbekenntnissen, dem vorsichtigen Vorstoß von Frankreichs Präsident Sarkozy und zaghaften UN-Resolutionen ist bisher nichts passiert, der bisherige, bestenfalls als peinlich, schlimmstenfalls als katastrophal zu bezeichnende Umgang der westlichen Staatsführer mit ihren wackelnden nordafrikanischen Despoten-Freunden wird fortgesetzt. Gaddafis Stuhl wackelt – der Westen könnte ihn zu Fall bringen, doch stattdessen antworten die UN-Papiertiger mit Resolutionen, anstatt der arabischen Welt mit handfester, militärischer Unterstützung zu signalisieren, dass man eben nicht auf der Seite der volksfeindlichen Diktatoren steht.

Sollte das libysche Volk es tatsächlich schaffen, Gaddafi zu stürzen, so wird sich sein Hass danach gegen den Westen richten, der bei den blutigen Massakern mehr oder weniger tatenlos zugesehen hat. Neben der esoterisch-nationalistisch-sozialistischen Ausrichtung vereint Gaddafi noch ein weiterer Umstand mit Hitler: Im Gegensatz zum pragmatisch-säkularen Mubarak wird Gaddafi „bis zum letzten Mann und bis zur letzten Frau“ kämpfen und nicht freiwillig den Rückzug antreten. Diese bereits mehrfach verlautbarte Drohung müsste dem Westen eigentlich umso deutlicher machen, wie notwendig ein militärisches Eingreifen jetzt ist.

Auch die Passivität Ägyptens verwundert, liegt das Land doch direkt nebenan und könnte mit seiner 500.000-Mann Armee dem libyschen Volk zur Seite springen und damit das Fundament für eine langfristige Freundschaft der beiden Völker, aber auch für einen tiefgreifenden Einfluss der ägyptisch-islamistischen Strömungen in Libyen sorgen.

Die beste Lösung wäre wohl ein durch ein UN-Mandat legitimiertes militärisches Eingreifen westlicher Mächte und ein darauf folgender Aufbau eines demokratischen Staatswesens, um die westlichen Energieinteressen und die Stabilität und Modernisierung des libyschen Staates zu sichern. Ob dabei die möglicherweise islamistischen Protestbewegungen jedoch überhaupt mitspielen würden, ist ungewiss. Fest scheint nur zu stehen, dass die nächsten Monate das libysche Volk noch viel Blut und viele Menschenleben kosten werden und dass die Zukunft des Landes, sowie des gesamten arabischen Kulturraums noch in den Sternen steht.

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