Zwei Mark waren als Verkaufspreis festgesetzt. Jeder sollte dieses seltsame Buch besitzen können. Es erlebte innerhalb kürzester Zeit 40 Auflagen ‒ damals ein ungeheurer Erfolg. 1945 hatte der Beststeller eine Gesamtauflage von 250.000 Exemplaren erreicht. Das Buch wurde seinerzeit zum Tagesgespräch. Mit steigender Auflage verschärfte sich auch der antisemitische Gehalt dieses Buches.
Es begann das große Grübeln darüber, wer es wohl geschrieben habe: Paul de Lagarde? Friedrich Nietzsche? Wer wagte es, derartig schroff an der damaligen Lebens– und Geistesführung Kritik zu üben? Wer zweifelte an der von Gott gegebenen Auffassung deutscher Wissenschaft und Politik, an den hehren Begriffen von Anstand und Sitte? Wer warf den Deutschen ungeheure Dinge wie „abgestandene Massenbildung“ und „Brutalisierung in vielen Lebensbereichen“ vor?
Die Forderung: Selbstbesinnung für die Deutschen
Es war ein Autor, der ernstes und selbstständiges Denken erwarten musste. Er appellierte an die aus seiner Sicht „ernstdenkende Minderheit“. Julius Langbehn (1851−1907) hieß der, der jenes Unbehagen aufgriff, das im zweiten Deutschen Reich viele wahrnahmen. Zweifelsohne, es war auch eine Zeit des militärischen und politischen Erfolges, Deutschland hatte u. a. den Krieg gegen Frankreich gewonnen. Zugleich aber sorgte der spürbare Schub an Schaffenskraft und wohl auch Übermut im Lande sowie die Industrialisierung für die Entwurzelung des Einzelnen und für die Bildung einer zunehmend nicht ständisch gebundenen, potenziell revolutionären Masse.
Die Gründerepoche und die daraus resultierende Überschätzung materieller Güter folgten. Langbehn selbst stellte schon früh fest: „Jena habe die Deutschen sittlich mehr gefördert als Sedan“. Damit meinte er wohl den Deutschen Idealismus, der dem bürgerlichen Erfolgsdünkel nach der Reichseinigung 1871 überlegen gewesen sei.
Die Frage: Veränderung durch Revolution oder Kultur und Bildung?
Es war Karl Marx, der die soziale Aufspaltung der Gesellschaft als Ergebnis der industrialisierten Welt kennzeichnete und als Ausweg nur die Revolution sah. Der neue politische und soziale Träger dieser Umwälzung sei der Arbeiter, der entwurzelte Proletarier. So trug Marx seinen historischen Materialismus, sein Geschichtsverständnis mit den sechs Stadien Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus und Kommunismus vor und verkündete es fälschlicherweise als Endurteil der Geschichte. Im Gegenzug aber suchten bürgerliche Theoretiker nicht die Lösung der sozialen Frage in dem Problem von Besitz und Herrschaft, sondern in der Forderung nach Kultur und Bildung.
Prozesse wie die Individualisierung durch Zerstörung der Stände und überlieferten Gemeinschaften, die Vermassung durch die Annahme standardisierter Verhaltensweisen und die Versessenheit auf Produktivität, Wachstum und Profit sollten vom Geistigen her, nicht vom Materiellen her bekämpft werden. Der Geist und die Erkenntnis sollten den Menschen befreien, der noch unter der Fuchtel riesiger Herrschafts– und Entscheidungsmechanismen stehe, gegenüber denen die Freiheit und die wirkliche Bildung rein formell bleibe.
Zwischen Friedrich Nietzsche und Arthur Moeller van den Bruck
Für dieses Bestreben stehen unter anderem die frühen Schriften Friedrich Nietzsches (1844−1900) in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen (1874), ebenso wie später das Werk Arthur Moeller van den Brucks (1876−1925). Zu derselben Strömung zählt auch Julius Langbehn, der über Nietzsche schrieb, man dürfe Nietzsche nicht mit seinen Nachläufern und Nachschreiern verwechseln, von denen es ab 1900 genügend gab. Der schon als Kind als egozentrisch und impulsiv bezeichnete Langbehn nahm 1870⁄71 am Feldzug gegen Frankreich teil und wurde als Leutnant der Reserve entlassen. Seine Dissertation schrieb er 1881 über die Flügelgestalten der ältesten griechischen Kunst, die als ausgezeichnet beurteilt wurde.
Julius Langbehns Mannestat
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