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mardi, 12 mai 2009

E. J. Jung - Vordenker eines neuen Staates

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Edgar Julius Jung -

Vordenker eines neuen Staates
Geschrieben von Daniel Bigalke   
http://www.blauenarzisse.de/

Der Jurist und politische Philosoph Edgar Julius Jung (1894-1934) ist heute entweder gar nicht mehr bekannt oder wird von den wenigen, die sich seines Namens erinnern und dies mit Abneigung tun, als Vordenker des Nationalsozialismus gewertet. Seine publizistische Tätigkeit in der Weimarer Republik hätte Hitler den Weg bereitet und sei nationalistisch, so schreibt selbst der CDU-Politiker Friedberg Pflüger in einem Buch von 1994. Daß Jung aber als Vordenker einer Theorie von Demokratie und Staat gesehen werden muß, die allein aus dem Phänomen seiner Zeit zu verstehen und mit heutigen Maßstäben von „Demokratie“ nicht zu messen ist und daß er deshalb eines der ersten Opfer des Nationalsozialismus wurde, dies zu benennen ist es höchste Zeit.

Edgar Julius Jung empfand sich als nationalbewußt, nicht als nationalistisch. Er sah sich als übernationalen Kosmopoliten, der dem kulturellen Leben eines jedes Volkes eine Eigengesetzlichkeit zubilligte und auch dem „Reich“ eine sittlich verpflichtende übernationale Größe zukommen ließ. Dies wurde zuletzt einzig in Johann Gottlieb Fichtes (1762-1814) „Reden an die deutsche Nation“ zum Ausdruck gebracht, welche dann die Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft in Preußen 1813 initiierten. Jung schrieb in seinem Hauptwerk „Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung“ (1927): „Die kulturelle Vergewaltigung, die der (…) Nationalstaat im Gefolge hat, ist ihm [dem neuen Staate – Anm. d. V.] fremd, weil auch das kulturelle Leben des Volkes seiner Eigengesetzlichkeit untersteht.“ Gegen den Primat des Nationalstaates stellt er also die Pluralität der je spezifischen Völker und Kulturen, die zu überfallen und mit einem globalen Demokratie-Muster zu vergewaltigen eine pure lebensundienliche Anmaßung sei. Diese läßt sich vielmehr und merklicher heute im Verhalten der USA auf dem südasiatischen Kontinent feststellen. Doch zurück zum Hauptwerk Jungs.

Neue Eliten statt Pseudo-Eliten

Der Jurist und Theoretiker der Jungkonservativen, der auch als Mitglied des Freikorps Epp gegen die Münchner Räteherrschaft agierte und zudem den „Rheinisch-Pfälzischen Kampfbund“ gegen separatistische Bestrebungen im Reiche gründete, veröffentlichte sein Buch, um die Notwendigkeit einer Konservativen Revolution zu verdeutlichen. Damit meinte er die Erhaltung der überindividuellen Werte des Menschen, die Förderung der „Hochwerte“ gegen jene „Werte“, die der Zersplitterung der Gemeinschaft, des Volkes und des dialogischen Solidarprinzips zwischen Ich und Du entgegenwirkten. Sie nämlich propagierten den puren Individualismus, der als simulierte Freiheit über den lebensfremden Mechanismus des Stimmzettels sich unrechtmäßig legitimiere. Die Eiferer des Materialismus, des Profits und ausschließlich individueller Wohlfahrt gelte es zu beseitigen, was für Jung lediglich in der Diktion Nietzsches einer Beseitigung der „Unfähigen“ gleichkommt. Daß der Begriff der „Minderwertigkeit“ nach Jungs eigener Aussage womöglich unglücklich gewählt sei, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es ihm nur um eine Ablösung der oligarchisch im Parlament abgeschotteten Pseudo-Eliten ging, die sich anmaßten, die Stimme vieler Hunderttausend repräsentieren zu können. Damit war Jung freilich aufgefordert, eine alternative politische Theorie anzubieten, welche wesentlich im Gefolge seines Lehrers Vilfredo Pareto (1848-1923) eine Zirkulation der Eliten erstrebte.

Die Wiedergeburt neuen deutschen Denkens

Jungs Kulturkritik trug dabei den Charakter einer Hochschätzung von Stand und Genossenschaft im Staate. Dieser Staat sollte sich im Rahmen einer ausdrücklichen Wiederverchristlichung realisieren. Er sah hierfür metaphysisch begründete überindividuelle Werte als Basis aller Gemeinschaft für notwendig an. Damit bietet Jung als einer der ersten noch vor Armin Mohler eine inhaltliche Definition des Prinzips der Konservativen Revolution an. In seinem Essay „Deutschland und die Konservative Revolution“ schreibt er dazu:

„Konservative Revolution nennen wir die Wiederinachtsetzung all jener Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann.“

So verwundert es nicht, daß das Mittelalter als ideeller Fluchtpunkt für das Maß künftiger Neugestaltung galt, um mit ihm – so das Vorwort in „Die Herrschaft der Minderwertigen“ – die Schaffung „geistiger Vorbedingungen“ für die „deutsche Wiedergeburt“ voranzutreiben. Aus dem Gefühl der Bedrängnis ihres politisch-geistigen Erbes resultiert bei den Denkern der Konservativen Revolution ein Affekt gegen die als geistlos-partikularistisch bewertete Parteiendemokratie. Im Vorwort zum Hauptwerk Jungs steht: „Die Revolution des Geistes hat jetzt eingesetzt.“ Sie wendet sich gegen die „geistig seelische Verödung“. Jung stellt damit sein wesentliches Ziel heraus und gilt nicht ohne Grund als wichtiger Vertreter seiner geistigen Strömung: Er spürte in sich den „Drang nach Ewigkeit, begleitet von dem Bewußtsein der Begrenztheit irdischen Lebens“. Er steht damit zugleich in einer längeren geistigen Tradition, nämlich derjenigen des Deutschen Idealismus, dessen wichtigstes Prinzip die Begründung menschlicher Existenz in Freiheit, die sich nicht in abstrakten Gesinnungen erschöpfe, sondern die sich im Bewußtsein irdischer Endlichkeit praktisch in Recht, Staat und Nation zu realisieren habe. Der Politologe Bernhard Willms betonte für die jüngere Gegenwart diesen zeitlos gültigen Aspekt des deutschen Denkens als das „Streben nach jener Idee als der Einheit von allgemeiner Wirklichkeit und individuellem Bewusstsein.“

Systemalternative jenseits des Nationalsozialismus

Als gedankliches Ziel tritt eine realitätsbezogene Übereinstimmung von sittlich-subjektivem Wollen und wirklich-politischem Sein zutage, die mit parteipolitischer Gesinnung und oberflächlichem Parteihader als strukturelle Veränderung nicht erreichbar ist. Kurz: Würden Wahlen etwas bewirken, hätte man sie längst abgeschafft. Edgar Jung wollte aus diesem Grund die Dekadenz des parlamentarischen Systems ablösen, nicht aber aus an sich menschenverachtenden Motiven heraus, sondern aus dem tiefsten Willen zur Erhaltung „hochwertigerer“ und humanerer Alternativen, die sich in einem organischen Staat über den zeitweisen Weg einer kommissarischen Diktatur geführt von einer tatsächlichen Elite realisieren sollten. Kommissarische Diktatur meint hier im Gegensatz zu souveräner Diktatur die Rettung einer verfassungsmäßigen Ordnung und ein politisches Agieren innerhalb derselben. Kurz: Systemveränderung durch systemeigene Möglichkeiten – eben Metapolitik. Zwar erwog Jung schon lange ein Selbstmordkommando zur Ermordung Hitlers, gegenüber dem er eine tiefe Aversion hatte, entschied sich aber dennoch für den systemkonformen publizistischen Weg

.„Wir müssen verhindern, daß Hitler auch nur einen Tag an die Macht gelangt.“

So sprach er bei einer Harzburger Tagung im Jahre 1931. Er befürchtete im Nationalsozialismus den entfesselten Nihilismus und seine parteipolitische Demagogie seitens der ersten klassenübergreifenden „Volkspartei“ noch vor der CDU oder SPD, nämlich der NSDAP. Innerhalb der Weimarer Republik wirkte Jung nunmehr „systemkonform“ als Redenschreiber für den Politiker Franz von Papen, dessen Marburger Rede vor Studenten er schrieb. Sie wurde am 17. Juni 1934 durch Franz von Papen gehalten und führte zu Jungs sofortiger Verhaftung am 25. Juni.

Die Marburger Rede und das Ziel ewiger Werte

In dieser Rede übte Jung über die Autorität von Papens gleichwohl massive Kritik an den Mißständen der nationalsozialistischen Herrschaft. Er reklamierte ein geordnetes Wachstum, sprach sich gegen Kollektivismus in Wirtschaft und Gesellschaft aus und erteilte dem Nationalsozialismus eine Absage. Papen forderte die ständische Neuordnung nach wilhelminischem Vorbild als ein Alternativmodell und verlangte die Abschaffung der NSDAP als Überbleibsel des Parteiensystems. Im Ganzen handelt es sich um eine Darstellung wichtiger Gedanken Edgar J. Jungs. Er verdeutlichte damit, daß der Nationalsozialismus nur ein temporäres Durchgangsstadium im Zuge eines gesamteuropäischen Umwandlungsprozesses sei. Am 1. Juli 1934 wurde Jung deshalb bei Oranienburg erschossen. Es ahnten zu dieser Zeit nur wenige, daß dieser Akt zugleich der fortschreitenden Vernichtung der eigentlichen konservativen Opposition gleichkam.

Nationalbewußt – nicht nationalistisch

Diese Opposition nämlich bot mit Jung eine Definition des konservativen Elements an, das zu leben und umzusetzen weiterhin lohnenswert ist. Dieses Element besagt, daß es nicht konservativ ist, ein notwendiges Geschehen aufhalten zu wollen. Konservativ ist nur die Erhaltung ewiger Werte und nie zeitlich dominierender Werte. Zu den zeitbedingten Werten zählen zum Beispiel die Vorhaben in Parteiprogrammen, die nur Produkt der sozialen Rivalitäten bestimmter Zeiten sind. Ein offenes, nicht-repressives, nicht-rassistisches, tiefgründiges, nicht nationalsozialistisches, nicht parteipolitisches und damit undogmatisches Denken mit durchaus internationaler Perspektive ging mit Jungs Tod zu Ende. Diese Tragödie wiederum stellte die Deutschen gerade in Anbetracht des entschiedenen Widerstandes beispielsweise Stauffenbergs gegen Hitler vor eine noch höhere Aufgabe, die Jung selbst im Vorwort zu seinem Hauptwerk artikulierte: „Man muß dem deutschen Volke zutrauen, daß es seine Kräfte umso mehr anstrengt, je tiefer ihm der Abgrund dargestellt wird, aus dem es sich emporzuarbeiten hat.“ Wenige Deutsche taten dies verzweifelt in ihrem Widerstand gegen Hitler weiterhin. Sie wurden nach dem 20. Juli 1944 gnadenlos ausgemerzt. Mit ihnen verschwanden – mit Jung zu sprechen – die wenigen Erlesenen, die wenigen zur humanen selbstlosen Elite geeigneten, welche Jung gewiß zu den „Hochwertigen“ gezählt hätte.