Bodo Uhse – im Spannungsfeld von Nationalem Sozialismus und sozialistischem Patriotismus
Verfasser: Richard Schapke, Juni 2002
"Eine Eigenschaft vor allem ist nötig, Mut, Mut zur Eroberung wie zum Verzicht, Mut zur Erkenntnis, sei sie auch noch so schmerzlich, peinigend und bitter. Du musst es wagen, mit dem Herzen zu denken und mit dem Kopf zu fühlen. Von den Deutschen haben das nur wenige gekonnt."
- Bodo Uhse
Gegenstand dieses Aufsatzes ist die Person des Schriftstellers und Publizisten Bodo Uhse. Im Verlaufe seiner höchst bemerkenswerten Vita gelang es Uhse, seinen Lebensweg vom Teilnehmer des Kapp-Putsches bis hin zu einem der führenden Kulturpolitiker der Deutschen Demokratischen Republik zu gehen. Unsere Darstellung beruht auf Bodo Uhses romanartiger Autobiographie "Söldner und Soldat", auf Klaus Walthers dem Protagonisten gewidmeten Bändchen der DDR-Reihe "Schriftsteller der Gegenwart", zeitgenössischen Quellen aus Weimarer Zeiten und nicht zuletzt diversen Publikationen zum Nationalbolschewismus der 20er und 30er Jahre. Die kursiv gesetzten Zitate stammen, sofern nicht anders angegeben, aus der Feder Bodo Uhses
1. Jugendzeit im Bund Oberland
Bodo Uhse wurde am 12. März 1904 als Sohn eines preußischen Berufsoffiziers in der Garnisonstadt Rastatt geboren. Infolge der zahlreichen Versetzungen des Vaters verlief seine Kindheit in relativ unregelmäßigen Bahnen, wozu auch die Trennung der Eltern ihr Scherflein beigetragen haben mag. Nach jahrelangem Unterricht durch Privatlehrer kam Uhse erst 1914 in den fragwürdigen Genuss eines regulären Schulbesuches, und zwar in Braunschweig. Hier lebte er bei seinen Großeltern, und hier schloss er sich wie so viele seiner Altersgenossen der Wandervogelbewegung an, um der familiären Enge zu entkommen.
Die gehegten Hoffnungen auf eine Offizierslaufbahn nach des Vaters Vorbild – genährt durch den Ersten Weltkrieg und die Vision eines klassenübergreifenden nationalen Aufbruches hin zu besseren Zeiten – fanden durch den Zusammenbruch des morschen Kaiserreiches im November 1918 ein jähes Ende. Frustriert musste Uhse zu seinem Vater nach Berlin übersiedeln, wo er fortan die Oberrealschule besuchte. In diese Zeit fielen die ersten Kontakte zu paramilitärischen Verbänden der radikalen Rechten (für einen preußischen Offizierssohn und Wandervogel wahrlich nichts Ungewöhnliches), und im März 1920 beteiligte er sich, kaum 16 Jahre alt, als Zeitfreiwilliger und Meldegänger am Kapp-Putsch gegen die ungeliebte Republik.
Im Frühjahr 1921 brach Uhse mit der ungeliebten Familie und verließ Berlin, um fortan seinen eigenen Weg zu gehen. Der talentierte junge Mann wurde auf Vermittlung des rechtsradikalen Agitators Karl von Gebsattel als Volontär in die Redaktion des "Bamberger Tageblattes" aufgenommen. Das Blatt war trotz einer Auflage von 20.000 Exemplaren stark von den Wünschen des Tabakindustriellen Baron Michel-Raulinos abhängig, was der journalistischen Betätigung nicht nur Uhses so manche Schranken setzte. Bereits jetzt zeichnete er sich durch einen unruhigen Geist aus, was nicht zuletzt durch einen spontanen Redeauftritt auf einer Versammlung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes dokumentiert wurde. "Wo sollte die nationale Sache hinkommen, wenn sie ängstlich vor Demokraten und Katholiken auswich?"
Stammtischreden und Vereinsmeierei der Deutschnationalen, Alldeutschen und Völkischen lagen dem aktivistischen Uhse nicht, also trat er Ende 1921 dem paramilitärischen Bund Oberland bei. "Wer auf diese Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selbst gehört." Die Flucht aus der Vereinsamung in die entschlossene Gemeinschaft stellte hierbei neben politischen Aspekten einen wichtigen Faktor dar. Der Bund Oberland war aus dem gleichnamigen Freikorps hervorgegangen, das zwar einerseits gegen die Münchener Räterepublik und gegen die polnischen Insurgenten in Oberschlesien kämpfte, aber andererseits im Gegensatz zum Gros der anderen rechtsextremen Landsknechte den Einsatz gegen streikende Arbeiter verweigerte. Nach der Umwandlung in den Bund betrieb Oberland mit Hilfe der Reichswehr weiterhin intensive paramilitärische Ausbildung.
Bei Oberland lernte Uhse Persönlichkeiten der völkisch-nationalsozialistischen Szenerie bis hin zum Radauantisemiten Julius Streicher kennen. Einen gewissen Eindruck machte Gottfried Feders Theorie von der Brechung der Zinsknechtschaft – schon früh entwickelte sich ein diffuser antikapitalistischer Affekt. Kommandeur der Bamberger Oberländer war der "rote Leutnant" Audax, der während der Revolution als einziger Offizier auf Seiten der Sozialisten stand. Erscheinungen wie Audax waren bei Oberland keine Seltenheit: Auch der ehemalige Kommandeur Beppo Römer tat sich schon früh durch ausgesprochen "nationalbolschewistische" Tendenzen hervor. Auf der anderen Seite nahm Uhse selbstredend an Aufmärschen und Zusammenstössen mit Kommunisten und Sozialdemokraten teil, wobei er einmal erhebliche Verletzungen davontrug. "Viele hundert gebückte Gestalten sah ich vor mir, die suchten etwas. Ich hörte meine Stimme sie fragen: 'Was?' – 'Deutschland', antworteten sie, und ich empfand den Zwang, ihnen zu sagen, wo sie es fänden. Aber es war so, dass ich es selbst nicht wusste."
Im Laufe der Zeit kamen Rivalitäten mit den von den militärisch ungleich professionelleren Oberländern belächelten Nationalsozialisten auf, die unsinnige antisemitische Propaganda des Hitler-Intimus Hermann Esser führte im Frühjahr 1923 sogar zu einer Saalschlacht zwischen Oberland und der SA. Esser lehnte den Kampf gegen die französische Besatzungsmacht an der Ruhr strikt ab und erhob die Vernichtung des "jüdischen Weltparasiten" zum alleinseligmachenden Ausweg. Oberland nahm bekanntermaßen mit zahlreichen Aktivisten am Ruhrkampf teil und reagierte entsprechend gereizt auf die nationalsozialistischen Wahnvorstellungen. Dennoch verbündeten sich die Rivalen bald darauf im Kampfbund gegen die republikanische Ordnung.
Der einsetzende Massenzulauf zu Oberland warf erhebliche Probleme auf und sorgte für Unbehagen: "Der alte Ton persönlicher Kameradschaft verschwand aus dem Bunde...Der Bund konnte sie nicht mehr seiner Gemeinschaft voll einordnen. Die wohlausgewogene Mischung von Romantik und Sachlichkeit, von rebellischem Wandervogeltum und politischer Reaktion, von Aufrührertum und Disziplin wurde getrübt. Die Leute im Bund waren erst einmal Studenten oder Rechtsanwälte, Kaufleute oder Angestellte und erst lange nachher das, was wir ganz und gar sein wollten. Der selbstverständliche Grundsatz, dass, wer dem Bunde angehöre, nur ihm verpflichtet sein dürfe, wurde nicht mehr respektiert." Im Dienst wurden die mittleren und höheren Angestellten bevorzugt, die Korpsstudenten führten ohnehin ein striktes Eigenleben.
Im November 1923 wurde Bamberg im Zusammenhang mit dem Hitler-Ludendorff-Putsch in München von tagelangen Krawallen erschüttert, an denen auch Bodo Uhse und seine Oberland-Kameraden teilnahmen. Nachdem die SA sich zuvor widerstandslos entwaffnen ließ, wurden die Oberländer von ihrem neuen Kommandeur Apfelstedt kurzerhand nach Hause geschickt. Die Wut entlud sich in dreitägigen Straßenschlachten mit der Polizei und wüsten Radauszenen. Im Anschluss lieferten sich Bambergs Oberländer einen regelrechten Privatkrieg mit der örtlichen SA, namentlich der provozierend "Adolf" getaufte Mischlingshund der Uhse-Kumpanen sorgte stets für Zündstoff.
Der Bund Oberland erstickte langsam im provinziellen Treiben der einzelnen Gruppen, das Gros der alten Mitglieder verlief sich. Uhse und seine Freunde suchten nach tieferen Inhalten. Man "spottete über die, die mit weltanschaulichen Belichtungstabellen durchs Leben zogen und für jede Situation dort die richtige Einstellung gewannen. Für diese Leute gab es nichts Neues mehr. Das Überraschungsmoment war für sie ausgeschaltet, sie hatten für alles eine Formel, von allem eine fertige Meinung. Es war gewiss bequem, sich auf solche Weise mit dem Leben auseinanderzusetzen, denn es gab keine Auseinandersetzung mehr. An Stationen, die im Weltanschauungsfahrplan nicht vermerkt waren, fuhr man vorüber, ohne aus dem Fenster zu sehen. Es war angenehm und bequem, mit breitem Arsch auf seinen Überzeugungen zu sitzen und nicht das Leben vor sich zu haben, sondern seine Weltanschauung, nicht die Dinge, sondern seine Meinung von den Dingen. Weltanschauung verpflichtete nicht, sondern pflichtete bei."
2. Anschluss an die nationalsozialistische Linke
Wie das "Bamberger Tageblatt", so fungierte auch Oberland letztlich nur als Durchlauferhitzer für Bodo Uhses weitere Radikalisierung. Am 1. Mai 1927 erschien im Bundesorgan "Das Dritte Reich" erstmals ein Aufsatz aus der Feder Uhses, der eine deutliche Hinwendung zu den Positionen des linken Flügels der NSDAP und des Neuen Nationalismus eines Ernst Jünger erkennen ließ. Im gleichen Monat erfolgte auch der Eintritt in die Redaktion des Ingolstädter "Donauboten", mithin eine der ersten nationalsozialistischen Zeitungen überhaupt. Nach dem Parteieintritt im Spätsommer 1927 reihte Uhse sich in die Phalanx der NS-Linken um die Gebrüder Strasser ein, die bemüht waren, der kleinbürgerlich-reaktionären Fraktion um Hitler ein national-sozialistisches Gegengewicht entgegenzustellen. Gemeinsam wollten die NS-Linken der Partei einen sozialrevolutionären Geist einhauchen, der "an Stelle des Kehrrichthaufens aus Bierkellerromantik, Kleinbürgersehnsucht und einer Winzigkeit echten, aber irrenden Gefühls treten, den die fünfundzwanzig Punkte des offiziellen Parteiprogramms darstellten".
Aufschlussreich über den politischen Standort Uhses ist der im Dezember 1927 im "Dritten Reich" erschienene Aufsatz "Die neue Front. Saboteure an der Arbeit": "Brennend geworden in jener Stunde, da das Gewaltdiktat der kapitalistischen Siegermächte nicht das alte Deutschland, sondern das arbeitende, deutsche Volk mit vernichtendem Schlage traf. Damals verriet die Sozialdemokratie die sozialistische deutsche Revolution und streckte die Waffen. Der deutsche Arbeiter wurde zum Kuli. Er bekam die durch die Machtdiktate (die Reparationen des Versailler Diktats, d. Verf.) veranlasste Sozialreaktion zu spüren und empörte sich dagegen in blutigen Aufständen. Damit wurde zum zweiten Male die Frage der Verbundenheit von Arbeitern und Frontkämpfern brennend. Wenn die Frontkämpfer - statt vom Unternehmertum sich zur Niederwerfung der sozialrevolutionären Bewegung ausnutzen zu lassen - in den revolutionierenden Arbeitern ihre natürlichen Bundesgenossen erkannt hätten, so wäre damals schon die nationalrevolutionäre Front gegen Versailles entstanden. Die besitzenden Kreise wehrten sich gegen den neuen Nationalismus, der sich mit der sozialistischen Revolution um der nationalen Freiheit willen verbünden wollte, nicht aus taktischen Gründen sondern grundsätzlich um durch die sozialistische Organisation der Nation die Widerstandsfähigkeit auch für die Zukunft aufs Höchste zu steigern. So musste das Unternehmertum - nach einem halben Versuch im Ruhrkampfe - sich der Herrschaft der Finanzbourgeoisie ergeben und den Gedanken des nationalen Widerstandes mit dem Einschwenken in die Locarnofront (Sicherheitspakt mit den Westmächten statt Bündnis mit der antiwestlichen Sowjetunion, d. Verf.) verraten. Nachdem die Sozialdemokratie ihre Büttelrolle erfüllt hat, hat das deutsche Unternehmertum die Rolle des Fronvogtes der Finanzbourgeoisie übernommen. Die bittere aber eindeutige Lehre ist, dass man als Nationalist Sozialist sein muss, denn der Sozialismus ist unser Schicksal."
Als Protegé der vor allem in Norddeutschland einflussreichen Strasser-Brüder machte Uhse Karriere und übernahm noch vor Jahresende die Chefredaktion des "Donauboten". In dieser Funktion arbeitete er eng mit Otto Strasser und Herbert Blank zusammen und wurde praktisch das dritte Sprachrohr der NS-Linken. In Süddeutschland dominierte jedoch der rechte Parteiflügel, und als Uhse im Frühjahr 1928 öffentlich gegen die Kandidatur des reaktionären Generals von Epp auf der NS-Liste protestierte, warf man ihn aus der Redaktion hinaus. Seiner Agitation für einen nationalen Sozialismus tat das keinerlei Abbruch. Im August 1928 veröffentlichte er wiederum im "Dritten Reich" den Aufsatz "Der proletarische Deutsche", der deutliche Einflüsse der SPD-Renegaten August Winnig und Ernst Niekisch verriet. Diese sahen in der Arbeiterschaft die zur Machtausübung im kommenden neuen Staat bestimmte Klasse, propagierten die Mobilisierung des bolschewistischen Chaos gegen den Westen und standen damit in deutlichem Gegensatz zum herkömmlichen Nationalismus oder zur nationalsozialistischen Volksgemeinschaft:
"Außerdem aber verrät die Ansicht, dass das sachliche und persönliche Bekenntnis zum deutschen Arbeitertum ein Verrat am ‚Ideale‘ der Volksgemeinschaft sei, eine solche Unkenntnis zum deutschen Proletariat, das - wie man doch wird zugeben müssen - ein sehr beachtenswerter Teil der deutschen Volksgemeinschaft ist, dass es besser ist für die Träger diese Ansicht, sie geben die Beschäftigung mit der Politik auf (...) Wer um die deutsche Freiheit sinnt, der kann am deutschen Proletarier nicht mit blinden Augen vorbeigehen. Er ist im Gegenteil gezwungen, seine Augen auf ihn zu richten und wenn sein Freiheitswille ehrlich ist, d.h. wenn es ihm gleichgültig und unbeachtenswert ist, unter welchen Formen und Fahnen die Freiheit gewonnen werden soll, wenn er also alle Vorurteile und Gedankenhemmnisse überkommener Begriffe wegwirft, dann wird er den deutschen Proletarier sehen, achten und lieben lernen. Zunächst ist es nötig, sich einmal des durchaus bürgerlichen Begriffes der ‚Klasse‘ zu entledigen. (...) Nicht Bürger, sondern wahrhaft marxistischer Bourgeois ist, wer den Unterschied zwischen den Begriffen der Klasse und der Schicht nicht zu sehen vermag. Der materialistische Begriff der Klasse erfasst ja nur einen Teil, nur eine Seite des deutschen Arbeitertums, während die Schicht das deutsche Arbeitertum auch in seinen immateriellen Kräften umfasst. Nicht dialektische Schablone, sondern lebendige Kraft, das ist der Unterschied zwischen Klasse und Schicht. Wer aber diesen Unterschied kennt - und der Weg zu dieser Erkenntnis ist offen für alle, die guten Willens sind - der wird nicht ‚hinabsinken in die Masse‘, sondern er wird die lebendige Kraft des deutschen Arbeitertums aufsuchen."
3. Die "Schleswig-Holsteinische Tageszeitung"
Im September 1928 empfahl Gregor Strasser seinen Protegé als politischen Redakteur für die geplante "Schleswig-Holsteinische Tageszeitung" mit Sitz in Itzehoe. An der Besprechung im preußischen Landtag nahmen u.a. Parteiprominente wie Erich Koch, Karl Kaufmann, Robert Ley und Wilhelm Kube teil. Strassers Vertrauen in diese Truppe wurde von Uhse mitnichten geteilt: "Selbstlose Vorkämpfer eines deutschen Sozialismus waren diese erfahrenen und gewiegten Draufgänger wohl nicht." Dennoch ergriff er die neue Gelegenheit am Schopfe, war ihm die sich steigernde Unruhe im Deutschland der späten 20er Jahre doch durchaus bewusst: "Wenn sie scharf hinhören, werden sie das Ticken der Würmer im Gebälk vernehmen. Sehen sie nachts über das Land, am Horizont stehen Flammen. Unruhe und Ungewissheit liegen in der schwülen Luft." Die SHTZ sollte die erste norddeutsche Tageszeitung der NSDAP werden und die bisher kümmerliche Propagandaarbeit in der Nordmark vorantreiben. Das Terrain war günstig: Bei den Reichstagswahlen von 1928 erzielte die NSDAP in Schleswig-Holstein überdurchschnittliche Ergebnisse, und Strasser witterte hier Möglichkeiten, seine Basis zu verbreitern.
Im Oktober attackierte Uhse in den strasseristischen "NS-Briefen" noch einmal den parteioffiziellen Antimarxismus, bevor er nach Itzehoe übersiedelte. Die Itzehoer Parteibasis bestand zumeist aus Landwirten und Handwerkern und forderte, die SHTZ dürfe nicht nur ein Parteiblatt, sondern auch und gerade ein Blatt für die unter der Agrarkrise mit Preisverfall, Verschuldung und steigenden Steuern leidenden Bauern sein. "Ein Blatt also gegen die Regierung, ein Blatt des Umsturzes, ein Blatt der Revolution." Zu dieser Zeit entwickelte sich gerade die militante Landvolkbewegung, die sich durch Widerstandsaktionen gegen Gerichtsvollzieher und Polizeibeamte hervortat. Uhse nahm prompt an einer Protestkundgebung des Landvolks teil und zeigte sich beeindruckt: "Diese Bauernhaufen hatten eine rücksichtslose Entschlossenheit in ihren Gesichtern gezeigt. Ihre Methoden waren überraschend in der Unmittelbarkeit, mit der sie sich gegen den Staat wandten. Es gab kein spießbürgerliches Für und Wider, keine biedere Vereinsmeierei, keine Satzungen und keine Statuten, Abzeichen und Fahnen, wie sie sonst bei allem, was in Deutschland geschah, das Wichtigste und Vordringlichste schienen. Hier war wirklich Bewegung, gefährdet allerdings durch ihre fehlende Reglementierung, durch die anarchischen Formen ihres Ablaufes und durch die drängende Ungeduld. Man musste einen Weg finden, mit der unbändig rebellierenden Kraft der Bauern zusammenzuarbeiten."
Am 3. Januar 1929 erschien die erste reguläre Ausgabe der SHTZ, wenn auch anfangs nur als Wochenblatt. Uhse legte sich prompt mit Gauleiter Hinrich Lohse an, als er den Abdruck eines gegen das Landvolk gerichteten Artikels verweigerte, und drohte sogar mit seinem Rücktritt als Chefredakteur. Er traf auch mit dem Landvolkführer Claus Heim zusammen, der die bedingungslose Unterordnung der NSDAP unter die schwarze Fahne der Bauernnot und der Rebellion verlangte. Der NS-Agitator erkannte, dass die Abneigung der Parteibürokratie gegen das Landvolk und gegen Heim vor allem auf die Angst des Funktionärs vor der Persönlichkeit zurückzuführen war. Obwohl er sich eher zu den Landvolkaktivisten wie Herbert Volck, Walther Muthmann oder Bruno von Salomon hingezogen fühlte, übernahm er bald die Führung der NSDAP-Ortsgruppe Itzehoe. Die bislang vor sich hindümpelnde Parteiarbeit belebte sich unter Uhses Leitung sprunghaft. In den alle 14 Tage abgehaltenen Versammlungen agitierte er unter den Bauern und den Absolventen paramilitärischer Kurse und wetterte gegen den platten Antisemitismus der reaktionären Parteigeneralstäbler in München. "Die Revolution von 1918 hat nur den alten Bau vernichtet. Wir sitzen ohne Dach über dem Kopf im Wetter. (...) Das deutsche Volk ist ausgebeutet und unterdrückt. Im deutschen Volk aber stehen auf der untersten Stufe Arbeiter und Bauern. Auf sie werden alle Lasten abgewälzt. Ihre Not ist die Not des ganzen Volkes, ihnen gebührt die Führung." Zu Uhses Entsetzen erkannte Hitler jedoch im Interview mit einer amerikanischen Zeitung und auch im "Völkischen Beobachter" die Auslandsverpflichtungen Deutschlands und damit die Versailler Kriegstribute an.
Die Antwort bestand in einem prononcierten Radikalismus, der auch vor Saalschlachten mit anderen rechtsgerichteten Organisationen nicht haltmachte. In Husum provozierte Uhse eine aufsehenerregende Saalschlacht auf einer Versammlung des Jungdeutschen Ordens: "Ihr werft uns Terror vor? Wenn wir nur so terrorisieren könnten, wie wir wollen! Aber der Tag kommt. Nicht mit der klügelnden Vernunft – mit der vom eisernen Willen geführten Faust werden Revolutionen gemacht. Wir glauben an die Gewalt, wir lieben die Gewalt und wir üben Gewalt." Die SA ließ sich das nicht zweimal sagen, geriet völlig außer Rand und Band und schlug alles kurz und klein. Hitlers Privatkanzlei schickte prompt einen Beschwerdebrief an Lohse und verwies auf das Legalitätsprinzip der NSDAP.
Geradezu traumatisch wirkte sich kurz danach ein schwerer Zusammenstoß mit den Kommunisten in Wöhrden bei Heide aus, bei dem die Nationalsozialisten Otto Streibel und Hermann Schmidt sowie der Kommunist Johannes Stürzebecher den Tod fanden. "Ich konnte diesen Toten nicht hassen und nicht die, die seine Gefährten gewesen waren in dieser blutigen Nacht...Dieser Stürzebecher da hatte ehrlich für seine Sache gekämpft und für die seiner Kameraden. (...) "Ich erschrak, da ich fühlte, wie ich die beiden Toten vor mir verleugnete und mein Herz sich vor dem dritten beugte, vor der anklagenden und hassenden Grimasse des Kommunisten, der dem Namen des alten Seeräubers und Rebellen, den er trug, mit seinem Tode Ehre gemacht hatte. Leben und Tod waren bei ihm eine gerade Linie und sinnvoll einfach durch ihr Dasein. Er war arm und unterdrückt und ausgebeutet, daran hatte ich nicht zu zweifeln, und er hatte – wer wollte das in Frage stellen? – gegen das ihm und Tausenden der Seinen aufgezwungene Geschick gekämpft...Die schmerzverzogenen Züge formten für mich das Gesicht seiner Kameraden, seiner Klasse, an deren Kraft ich doch glaubte. Ich hatte nicht kämpfen wollen gegen diese Klasse, das war doch der simple Sinn meines Handelns gewesen, darum auch war ich National-Sozialist geworden."
Nach dem Wöhrdener Zwischenfall befürchtete Gauleiter Lohse anfänglich ein Parteiverbot, fing sich jedoch rasch wieder in schlachtete den Tod der zwei SA-Männer propagandistisch aus. Zur Trauerfeier am 13. März 1929 stattete auch Hitler Schleswig-Holstein seinen ersten Besuch aus. Im Anschluss an die Beisetzung tauchte er in der Redaktion der SHTZ auf und verlieh seinem Unmut über Uhses radikalen Kurs Ausdruck. Zwar lese er das Blatt täglich, aber die Umstände würden zur Zurückhaltung mahnen. Der Kritisierte konterte, der Radikalismus des Landvolkes zwinge ihn zu einer anderen Sprache. Bald darauf wurde die SHTZ für 4 Wochen verboten, und im Zwangsurlaub freundete Uhse sich mit der Redaktionsmannschaft der Konkurrenzzeitung "Das Landvolk" um Bruno von Salomon an.
Am 23. Mai 1929 eröffnete die Landvolkbewegung ihren Terrorfeldzug gegen die Republik mit einem Bombenanschlag auf das Itzehoer Landratsamt. In weiten Teilen Schleswig-Holsteins übernahmen revolutionäre Bauernkomitees die faktische Kontrolle und errichteten eine Parallelverwaltung. Für Wirbel sorgte die Beteiligung des Uhse-Kumpans Hein Hansen am Sturm auf ein Gefängnis, wo ein in Beugehaft befindlicher Bauer befreit werden sollte. Die Systempresse konstruierte einen Zusammenhang zwischen der NSDAP und den Terroristen, und um ein etwaiges Parteiverbot abzuwenden, bot Hitler eine Belohnung von 10.000 Reichsmark für denjenigen, der die Urheber der Anschläge namhaft macht. Damit machte die NS-Parteiführung sich bei den Landvolkextremisten und anderen Nationalrevolutionären geradezu zum Gespött. Es bildete sich eine Art informeller Zirkel aus Uhse, den beiden Landvolkterroristen John Johnson und Bruno von Salomon sowie dem Kommunisten Kreuding. Lohse ermahnte Uhse nachdrücklich, die Finger von den Terroristen zu lassen.
4. Bruch mit Hitler
Wasser auf die Mühlen der NS-Linken war der am 7. Juni 1929 von der Pariser Sachverständigenkonferenz verabschiedete Young-Plan zur Regelung der Reparationsfrage. Das Reich sollte bis 1988 116 Milliarden Reichsmark Reparationen in mit fortschreitender wirtschaftlicher Erholung ansteigenden Raten zahlen.
"Die Staatsmänner, beunruhigt von den drohend sich erhebenden ersten Wellen der Krisenspringflut, übergaben die Sache, von der sie bisher den Völkern erzählt hatten, es handele sich um die heiligsten Güter der Nationen, um das eben, wofür Millionen Soldaten einen harten Tod gestorben waren, den Geschäftsleuten, den Händlern, den Industriellen und Bankiers. Die traten nun bescheiden als Sachverständige aus den Kulissen heraus, hinter denen sie bisher die Regie geführt hatten, und unternahmen es, auf einer Konferenz in Paris...mit dem Geschick der Völker zu spielen. Es war das erste Mal, dass sich Vertreter Deutschlands in ihrer eigenen Sache als gleichberechtigt an den Tisch setzen durften; es war kein Zufall, dass dies in einem Kreis geschah, von dem man sagen könnte, dass hier Kapitalisten unter sich seien." Hintergrund des Youngplans waren die horrenden Kriegsschulden Großbritanniens und Frankreichs bei den USA, die durch deutsche Reparationen beglichen werden sollten. "Die Bourgeoisie dieser Länder fand es recht und billig, die Rückzahlung der Milliardensummen, die aus den Feuerschlünden der Kanonen mordbringend in die Luft gespien worden waren, auf die deutsche Bourgeoisie abzuwälzen, als 'Wiedergutmachung' eben. Der sachliche Ton der Pariser Verhandlungen der in diesen Dingen wahrhaft Sachverständigen war nicht zum letzten durch das Bewusstsein bedingt, dass die Bourgeoisie Deutschlands sich keineswegs an diesen Lasten übernehmen, sondern sie ihrerseits wieder auf die Massen des deutschen Volkes abwälzen werde. Von der Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit des deutschen Volkes, von seinem Fleiß und seiner Arbeitskraft wussten nicht nur die ausländischen, sondern auch die deutschen Vertreter auf der Konferenz mit jener schäbigen Anerkennung zu sprechen, mit der etwa jemand das Geschick und den Fleiß seines Haustieres rühmend erwähnt. Die 'deutschen Kapitalisten' – der Ausdruck wirkt störend, denn der Kapitalismus zieht es vor, sich als Zivilisation, als Grundlage moderner Kultur, als Wahrer christlicher Güter, als Prinzip des wohlerworbenen Eigentums bezeichnen zu lassen..."
Das deutsche Kapital überwand die Deklassierung der ersten Nachkriegsjahre, indem es über den Rücken der Volksmasse stieg. Der Young-Plan stellte ein ausgezeichnetes Agitationsobjekt gegen die Weimarer Republik dar. Nicht die Alliierten hatten den Krieg gewonnen, sondern das internationale Finanzkapital. "Die deutschen Staatsmänner repräsentierten nicht den Willen des Volkes, sondern die Mächte der Ausbeutung. Die deutschen Kapitalisten hatten Frieden geschlossen mit den Kapitalisten der Feindstaaten. Der Widerstand gegen den Young-Plan musste dem Inhalt nach proletarisch und in seinen Formen revolutionär sein." Eine kalte Dusche für die revolutionären Hoffnungen war jedoch Hitlers Pakt mit DNVP und Stahlhelm zum Volksbegehren gegen den Young-Plan. "Wir hatten uns bisher mit Leidenschaft und Heftigkeit von diesen Gruppen distanziert. Wir hatten sie tagtäglich als Vertreter der Reaktion in der Presse und in Versammlungen angeprangert, und es war ein Hauptstück unserer Propaganda gewesen, dass wir ihnen den ehrlichen nationalen Willen ebenso abgesprochen hatten wie den Sozialdemokraten und Kommunisten den Willen zum Sozialismus. Nun brach Hitler mit dieser Linie unserer Politik und schlug nach rechts hin eine Brücke, auf der Bein brechen musste, wer mit der sozialen Lüge darüberschreiten wollte. Wir hatten bisher die abgetakelten Generale, die breitbeinigen Wirtschaftsführer mit ätzendem Spott übergossen und mussten nun Hitler in der Gesellschaft dieses gepflegten Pöbels sehen."
Die Redaktion der SHTZ reagierte mit Entsetzen und Empörung: "Hitler hat uns verkauft!...Mit denen, die wir täglich leidenschaftlich anklagten, denn sie schändeten mit ihrer Profitgier den Namen der Nation, mit den krebsfüßigen Rückwärtslern voll ekelhaften Standesdünkels hatte Hitler die jungen Armeen der Braunhemden verkoppelt. Er hatte in der entscheidenden Stunde, da der Kampf außerhalb der Gesetze dieses Staates geführt werden musste, seinen Weg in die friedlichen Gehege der Weimarer Demokratie gerichtet, hatte in Gemeinschaft durchschauter Scharfmacher, denen die Nation niemals mehr gewesen war als ein Deckmantel für ihre Geschäfte, an das Volk eine Frage gestellt, die nicht ehrlich gemeint, die ein Betrug war. In dem Augenblick, da Gefährliches zu tun notwendig schien, spielte Hitler ein sicheres Spiel. Er verband sich mit der Reaktion und dem unzufriedenen Kapital." Gegen diese Linie wollte Uhse Widerstand leisten, blitzte allerdings bei Lohse ab und auch bei Otto Strasser, der das Volksbegehren als seinen eigenen Erfolg feierte. Vergeblich warnte der NS-Linksausleger seinen bisherigen Mentor, dass so nur die Münchener Richtung gestärkt werden würde.
Am 16. Juni 1929 marschierten in Itzehoe 1000 Mann SA auf. Hauptredner Joseph Goebbels traf anschließend mit Bodo Uhse zusammen und notierte im Tagebuch: „Ein junger, sehr klarer Kopf. Er weiß, was er will. Dazu ein konsequenter Sozialist.“ Auf dem Nürnberger Parteitag kam es zu einem Zusammenstoss Uhses mit Rosenberg, der eine Zusammenarbeit mit den unterdrückten Kolonialvölkern aus rassischen Gründen strikt ablehnte. Der Antiimperialismus laufe lediglich hinter der Linie der KPD her. Gegenstand der Kritik wurde auch das Eintreten der Parteilinken für ein Bündnis mit der Sowjetunion gegen den kapitalistischen Westen. Der Parteitag verwarf zudem eine stärkere Orientierung hin zu gewerkschaftlichen Fragen und hin zur Arbeiterpropaganda.
Als die Polizei sich an die Zerschlagung der Landvolkbewegung machte, wurde auch die Redaktion der SHTZ am 12. September 1929 verhaftet. In der U-Haft in Altona hatte der NS-Journalist Zeit zum Nachdenken: "Gewiss, man konnte Nationalsozialist sein, die Masse umschmeicheln und verachten, den Krieg vergotten und die Legalität beschwören, für die Auslese sich begeistern und selber die Stufen der Hierarchie hinaufklettern, den Arbeiter achten und ihm schlechtere Löhne zahlen, nach Freiheit rufen und die Unterdrückung vorbereiten. Man konnte Faschist sein, ich war es nicht, das begriff ich jetzt. Und jenes faschistische Jakobinertum, das die Gewaltsamkeit gutmütig handhaben, die Freiheit rationell anwenden und die Revolution konservativ durchführen wollte, es war zum Kotzen." Die letzten Sätze bezogen sich auf Otto Strasser und seine Parteigänger, bei denen die meisten auf halbem Weg zum Sozialismus stehen blieben. Derweil vermuteten Goebbels und Lohse in Berlin, Strasser habe die Querverbindungen zwischen Landvolk und NS-Linker zustande gebracht, und der schleswig-holsteinische Gauleiter war seitdem alles andere als gut auf Bodo Uhse zu sprechen.
Nach seiner Entlassung aus der U-Haft kandidierte Uhse bei den preußischen Kommunalwahlen und wurde im November 1929 in den Itzehoer Stadtrat gewählt. Hier konkurrierte die NS-Fraktion mit der KPD, weil Uhse sich verstärkt um die Interessen der Arbeitslosen und der Arbeiter bemühte. Er freundete sich mit dem Kommunisten Waldemar Vogeley an. Dieser sagt ihm auf den Kopf zu, er werde nicht lange bei den Nazis bleiben, erkannte aber Uhses aufrichtiges Wollen an. In der Tat zeigte der neu gewählte Stadtrat sich beunruhigt über gleichgültige Haltung der Parteiführung gegenüber den Bauern und der Not des Proletariats sowie über Hitlers Legalitätskurs. Wohl nicht zuletzt unter Vogeleys Einfluss wurde Uhse zum Besucher in der örtlichen Buchstelle der KPD, wo er sich gründlich mit den Werken Lenins vertraut machte. Ab Januar 1930 richtete die SHTZ die Beilage "Der Proletarier" ein und opponierte offen gegen Hitlers probürgerlichen Kurs.
Am 10. Februar 1930 organisierte die Itzehoer NSDAP eine Kundgebung zum Hungermarsch der kommunistischen Arbeitslosen ("Hungermarsch oder Freiheitskampf"), die zum Schlüsselerlebnis werden sollte. Zwar sprach mit Johannes Engel einer der Begründer der im Entstehen begriffenen Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation, aber Uhse zeigte sich eher von den Ausführungen des kommunistischen Diskussionsredners Karl Olbrysch aus Hamburg beeindruckt: "Ist denn der Kampf für die Freiheit eure Sache? Wieso kämpft ihr und wieso für die Freiheit? Ihr schleicht euch über die Hintertreppen der ratlos gewordenen Demokratie...Auf der Parlamentstribüne nennt ihr euch Revolutionäre, vor dem Richterstuhl aber beschwört ihr die Legalität. Und es ist euch ernst damit, denn ihr seid die missratenen Kinder des Liberalismus und treibt dessen doppelte Moral demagogisch auf den Gipfel. Er sagt: Gleichheit, und lässt für den Profit von einem halben Tausend Mächtiger sechs Millionen ohne Arbeit in Elend und Hunger. Ihr seid nicht so duldsam, ihr ruft mit kühner Stirn zum Kampf gegen das Kapital, und mit gleicher Stimme lockt ihr, in eurer Volksgemeinschaft habe der Arbeiter wie der Trustbesitzer, der Handwerker wie der Sohn des davongelaufenen Verbrechers von Doorn seinen Platz. Nationaler Sozialismus, ruft ihr grimmig, aber eurer Sozialismus endet, bevor er anfängt, denn das Privateigentum erklärte Hitler für heilig...Wenn ihr auf die Demokratie schimpft, um sie zu betrügen – auf den Kapitalismus schimpft ihr, um ihm besser dienen zu können. Das nennt ihr Kampf, wenn ihr mit den mächtigsten Mächten im Land verbündet seid? Das nennt ihr Revolution, wenn ihr das Grundgesetz der alten Ordnung von vornherein heilig sprecht?... Ihr Narren, wir eifern nicht mit eurem Patriotismus. Aber wer ist denn Deutschland? Die Millionen Arbeiter, die Millionen kleiner Bauern! Wie kann Deutschland frei sein, wenn sie, sein Volk, unterdrückt sind? Die Freiheit der Nation liegt außerhalb der Kraft des Nationalsozialismus... Deutschland, das Deutschland der Arbeiter und Bauern, gilt uns viel. Darum wollen wir es davor bewahren, dass sich die Bourgeoisie, die zu feige war, achtundvierzig im Sturm sich zu erheben, als dieses Deutschland ihre Sache war, sich jetzt aus diesem Deutschland ihr Sterbebett macht."
Folgerichtig war Bodo Uhse auch in die Bestrebungen der Parteilinken verwickelt, eine Parteispaltung herbeizuführen und zusammen mit den norddeutschen NSDAP-Gliederungen, Nationalrevolutionären wie Ernst Niekisch und dem Landvolk eine neue nationalsozialistische Partei aufzubauen. Es ging um nichts weniger als um die Sprengung der NSDAP von innen heraus, um den Pressekonflikt zwischen Goebbels und dem Strasserschen Kampfverlag auszunutzen. Kurz vor dem Parteiaustritt der Revolutionären Nationalsozialisten um Otto Strasser suchte Uhse diesen in Berlin auf. Strasser wollte jedoch Hitler lediglich den "wahren Nationalsozialismus" streitig machen und keinesfalls auf Linkskurs gehen. Der Parteirebell warnte Strasser vergebens, man brauche eine andere Idee, um erfolgreich gegen Hitler anzutreten. Folgerichtig entwickelten sich die Revolutionären Nationalsozialisten zu einer lautstarken, aber unbedeutenden Splittergruppe, die für viele Renegaten lediglich als Durchlauferhitzer für den Wechsel zur KPD oder zu nationalbolschewistischen Gruppen fungierte. Bei seiner Rückkehr nach Itzehoe fand Uhse ein Ultimatum Lohses vor: Bedingungslose Unterordnung unter die Münchener Richtung oder Ende der Redaktionstätigkeit. Der Chefredakteur der SHTZ lehnte ab und wurde am 16. Juli 1930 mit Wirkung zum 1. August aus der NSDAP ausgeschlossen.
5. Hinwendung zum Kommunismus
Nach dem Hinauswurf aus SHTZ und NSDAP bewegte Bodo Uhse sich zunächst im Dunstkreis der Revolutionären Nationalsozialisten – vollständig wollte auch er nicht mit dem nationalen Sozialismus brechen. Am 15. August feierte er als neuer Chefredakteur der strasseristischen "NS-Briefe" den terroristischen Kampf der Landvolkbewegung. Seine rechte Hand war der Landvolkagitator Bruno von Salomon. Bereits im November reihte Uhse sich in den nationalbolschewistischen Widerstands-Kreis Ernst Niekischs ein, um gleichzeitig unter dem Pseudonym Christian Klee weiterhin die NS-Briefe herauszugeben. Für den "Widerstand" referierte Uhse auf zahlreichen Veranstaltungen über die Landvolkbewegung, wobei er vor allem unter den Überresten des Bundes Oberland regen Zuspruch fand.
Am 21. März 1931 fanden die Aktivitäten für Niekisch ein Ende. Uhse verließ Itzehoe, um antifaschistische Bauernkomitees im Raum München zu organisieren. Endgültig überzeugt wurde er durch Gespräche mit den Kommunisten Christian Heuck und Karl Olbrysch: "Während wir sprachen, begriff ich..., dass die Sehnsucht meines Lebens sich erfüllte, dass etwas Neues begann und alles Bisherige nur mit Platzpatronen geschossen war. Es wurde Ernst, da der Krampf eines Jahrzehnts sich löste und der Zwiespalt, der bisher mein Leben zerrissen hatte, jener Zwiespalt, entstanden aus dem Bewusstsein von der Kraft der Arbeiterklasse und aus dem ständigen Kampf mit ihr und gegen sie, dass dieser Zwiespalt sein Ende fand dadurch, dass ich mich der großen Kraft ergab...Die große Kraft, mit der ich mich herumgeschlagen hatte, seit wir ausmarschiert waren unter der Edelweißfahne, die ich hatte mit kleinen Mitteln betrügen wollen unter dem Hakenkreuz, sie beschenkte mich, da ich mich ihr unterwarf, in dieser Nacht mit dem kostbarsten Gut. Das Leben bekam wieder einen Sinn."
Bedeutsam dürfte sich hierbei ausgewirkt haben, dass die KPD seit ihrem Programm zur nationalen und sozialen Befreiung Deutschlands vom August 1930 eine ausgesprochen nationalistische Haltung einnahm – die sozialistische Volksrevolution der unterdrückten Klassen sollte der Auftakt zur nationalen Befreiung sein. Im Frühjahr 1931 veröffentlichte die KPD als weiteren Teil ihres nationalistischen Kurses das Bauernhilfsprogramm mit der Forderung nach Zerschlagung des Großgrundbesitzes, das nicht zuletzt von Uhse und Salomon auf einem antifaschistischen Bauernkongress in Fulda der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Motive der sogenannten Komiteebewegung legte Uhse unter seinem Pseudonym Christian Klee in der Erstlingsnummer des "Aufbruch" nahe. Mit diesem Blatt wollte die KPD unzufriedene Nationalsozialisten und frustrierte Nationalrevolutionäre für sich gewinnen. Zur Redaktionsmannschaft gehörten neben bekannten KPD-Funktionären prominente "Nationalkommunisten" wie Ludwig Renn und Alexander Graf Stenbock-Fermor oder NS-Renegaten wie Wilhelm Korn und Rudolf Rehm, denen sich bald auch der ehemalige Oberland-Führer Beppo Römer hinzugesellen sollte.
"Darum ist jetzt die Stunde da, in der die revolutionäre Arbeiterschaft die historische Wendung zum Bauern tun musste. Die Kommunisten haben durch die Proklamation ihres Bauernhilfsprogramms alle vor die Entscheidung gestellt...An diesem Bauernhilfsprogramm der Kommunisten scheiden sich die Wege. Die Kampfgenossin der verarmten Bauernmillionen, die revolutionäre Arbeiterschaft, wird für dieses Programm kämpfen. Wer gegen die schaffenden Bauern ist, wird dieses Programm ablehnen, und das tun sie alle, von SPD bis zu den Nazis! Die revolutionäre Arbeiterschaft aber wird dieses Programm ins Dorf hinaus tragen. Sie hat begriffen, dass es in der kommenden Volksrevolution keine Vendée, keinen weißen Ring um die Städte geben darf. Der Arbeiter geht zum Bauern, ihm geht es nicht um Taktik oder Stimmenfang, ihm geht es um die Revolution. Die Revolution ohne den Bauern ist nur eine halbe Revolution, und eine halbe Revolution ist keine Revolution. (...) Wir sagen dir, Bauer: Du und der Arbeiter in der Stadt, ihr leidet die gleiche Not. Euch richtet derselbe Ausbeuter zugrunde, gleichgültig ob es der jüdische Wucherer oder der christliche Regierungsmann, der semitische Bankier oder der arische Junker ist. Ihr habt beide den gleichen Todfeind: das kapitalistische System. Dieses System muss sterben, wenn das Volk leben will. Darum Bauer Ahoi! Her in die revolutionäre Front!"
In diesem Sinne setzte Uhse seine Agitation unter der Bauernschaft fort. Auf der Tagung der Widerstands-Bewegung auf der Leuchtenburg bei Jena gehörte er zu den Hauptreferenten, weitere Auftritte gab es auf Veranstaltungen der Gruppe Sozialrevolutionärer Nationalisten. Schon im Januar avancierte der Agitator zum Sekretär des Reichsbauernkomitees der KPD. Im Frühjahr verhinderte Uhse in dieser Funktion die Kandidatur des zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilten Landvolkführers Claus Heim bei den Reichspräsidentschaftswahlen – die Komiteebewegung und der "Aufbruch" unterstützten die Kandidatur des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann gegen Hitler und Hindenburg. Der Winter des Jahres 1932 sah Uhse in der Rhön, wo er den aktiven Widerstand des Landproletariats gegen den lohndrückerischen Freiwilligen Arbeitsdienst organisierte.
Nach dem Reichstagsbrand musste Bodo Uhse untertauchen, um einer Verhaftung zu entgehen. Einer Mitte April unter dem Vorwand einer Mordverschwörung gegen Hitler eröffnete Razzia unter prominenten Nationalrevolutionären entging er nur knapp und setzte sich nach Paris ab, wo er Bruno von Salomon wiedertraf. Nach anfänglichem Misstrauen etablierte Uhse sich sehr schnell in der Exilpublizistik und in der Propagandaarbeit der KPD gegen das Dritte Reich. Von Paris aus unterhielt er Verbindungen zu der im Untergrund aktiven Widerstands-Bewegung Niekischs. 1934 erfolgte mit einem offenen Brief an den nunmehrigen Chefredakteur bei der SHTZ die literarische Kampfansage an den real existierenden Nationalsozialismus. "Heute sitzen Sie an meinem Platz. Ich beneide Sie nicht darum. Die Schweigsamkeit ist ja Ihr vornehmstes Amt geworden...Wo Sie nicht schweigen, da müssen Sie lügen...Es lässt sich auch vom Standpunkt der nationalen Politik nichts Schlimmeres denken, als Eure nationalsozialistische Politik." Das Regime antwortete mit der Ausbürgerung am 3. November 1934.
Etwa gleichzeitig konnte Uhse mit Hilfe des Journalisten und Publizisten Egon Erwin Kisch seine ersten eigenen schriftstellerischen Arbeiten veröffentlichen. Im Jahr 1935 erfolgte der Beitritt zur Exil-KPD, für die er im Juni neben Johannes R. Becher und Bertolt Brecht am Ersten Internationalen Schriftstellerkongress in Paris teilnahm. Nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges meldete der bei Oberland ausgebildete Uhse sich zu den Internationalen Brigaden. In Spanien kämpfte er in den Reihen des französischen Bataillons "Edgar André" und war ab April 1937 als Politkommissar im Stab der 17. Division unter Hans Kahle tätig. Gemeinsam mit Ludwig Renn betätigte Uhse sich in der Propaganda unter den Truppen der Legion Condor, so im Rundfunk: "Kameraden! Ihr seid die Träger einer ruhmreichen Tradition – so sagt man euch, und ihr seid es wirklich. Der deutsche Soldat hat sich zu allen Zeiten tapfer geschlagen. Meist für andere, häufig gegen den eigenen Bruder, nie für sich, nie für sein Glück, nie für das Wohl von Vater und Mutter, von Bruder und Schwester." Anfang 1938 kehrte Uhse erkrankt nach Frankreich zurück. Im April 1939 ging er in die USA, um dort unter den deutschen Emigranten für die KPD tätig zu werden. In gleicher Funktion siedelte Uhse 1940 nach Mexiko über, wo er zusammen mit Ludwig Renn für die Bewegung Freies Deutschland tätig war.
5. Kulturpolitik in der DDR
Im Sommer 1948 kehrte Bodo Uhse nach Paßschwierigkeiten in die Sowjetische Besatzungszone zurück. Hier wurde er im Januar 1949 Chefredakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift "Aufbau". Bis zur Einstellung des Blattes im Jahr 1958 war er in dieser Funktion maßgeblich an der Ausformung des kulturpolitischen Lebens der frühen DDR beteiligt. Von 1950 bis 1954 gab es zudem ein Intermezzo als Volkskammerabgeordneter der SED. Im Tagebuch notierte Uhse zu dieser Zeit: "Ja, ich glaube, man kann mit Worten etwas ausrichten. Man hat es immer gekonnt und kann es auch jetzt – auch jetzt noch. Nicht mit dem Wort allein – aber mit dem Wort, das wahr und richtig die Wirklichkeit erkennt und schon genug wiegt, um Teil der Wirklichkeit zu werden, und als solches die Menschen beeinflusst. Ich fühle, dass ich nun wieder da bin, wo ich angefangen habe, nämlich bei der beklemmenden Schwere meiner Aufgabe. Aber wie sie zu lösen ist, darüber bin ich mir nicht klargeworden."
Von 1950 bis 1952 bekleidete Uhse die Posten eines Präsidialrates des Deutschen Kulturbundes und des Vorsitzenden des DDR-Schriftstellerverbandes. Selbstverständlich widmete er sich auch der Agitation gegen die separatistische BRD und Adenauers rücksichtslose Westintegration: Schon Ende der 20er Jahre und in den frühen 30er Jahren hatte man in Deutschland die nationale Frage unter dem Schlagwort der bolschewistischen Gefahr im Sinne der Großbourgeoisie gelöst. Der Uhse-Biograph Klaus Walther formulierte treffend: "Als 1948 durch die separate Währungsreform und 1949 durch die Errichtung eines Westzonenstaates die staatliche Einheit Deutschlands zerstört wurde, hatte der Klassenkampf übernationale Dimensionen gewonnen; auf deutschem Boden wurde er als Kampf um die deutsche Einheit ausgetragen."
Der Kampf um die nationale Einheit Deutschlands und für den Frieden sollte Sache einer breiten Einheitsfront sein. Schon in der ersten von Uhse zu verantwortenden Nummer des "Aufbruch" kamen so unterschiedliche Autoren wie Arnold Zweig, Rudolf Alexander Schröder oder Wolfgang Weyrauch zu Wort. Neben der kulturpolitischen Arbeit, die stets mit aktuellen Fragen verknüpft war, widmete die Zeitschrift sich auch der Förderung von Nachwuchstalenten. "Wir müssen überall dort anknüpfen, wo sich die deutsche Literatur gegen die Misere erhob oder sie gar überwand, wo sie wahrhaft humanistische Züge trägt und also im tiefsten Sinne national und fortschrittlich ist." Im Wechselverhältnis mit der "Beachtung, Prüfung, Durchsicht und Wertung" des literarischen Erbes sollte eine neue deutsche Literatur geschaffen werden.
1956 avancierte Uhse zum Sekretär der Sektion Dichtkunst und Sprachpflege der Akademie der Künste. Er nahm für die DDR am PEN-Kongress in London und an der antiimperialistischen Schriftstellerkonferenz in Neu-Delhi teil. Nach einem Kuba-Aufenthalt im Jahr 1961 setzte eine schwere Erkrankung seinen Aktivitäten ein Ende - Bodo Uhse starb am 2. Juli 1963 in Berlin.
"Wenige Stunden vor seinem Tod saßen wir lange in seinem Arbeitszimmer über dem Strausberger Platz zusammen. Er war heiter, aufgeschlossen, wie ich ihn seit langem nicht gesehen hatte...Er sprach so leise, zögernd, tastend wie immer. Und wie immer spürte ich, was sich hinter dieser leisen Stimme verbarg: dass es in ihm brannte, in ihm schrie." (Kurt Stern)