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dimanche, 07 juin 2009

Wenn Geschichte gemacht wird

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Dossier "Günter Maschke"

 

 

Günther Maschke: Das bewaffnete Wort. Aufsätze aus den Jahren 1973-1993

Wenn Geschichte gemacht wird

von Werner Olles - Ex: http://www.jungefreiheit.de/

Während das Auge der wissenschaftlichen Theorie immer noch ungebrochen nach links blickt, führt die Neue Rechte ihre Kulturkämpfe aus der Defensive und ist auch noch stolz darauf. Die Botschaft, daß aus Leid Erkenntnis und aus Bösem Gutes wachsen kann, paßt bis heute nicht zur deutschen Verdrängungsmentalität. Günter Maschke, der "einzige Renegat der 68er Generation" (Jürgen Habermas), zieht es dagegen vor, dort zu sein, wo Geschichte gemacht wird. Nicht ohne Anmaßung – aber mit einer erstaunlichen Enthaltsamkeit, was wohlfeiles Pathos und erhobene Zeigefinger betrifft – empfahl er bereits vor zehn Jahren den Konservativen, "sich zu opfern, um als Nationalrevolutionäre wieder aufzuerstehen". Daß diese ihm nicht gefolgt sind, hat auch etwas damit zu tun, daß der Mangel an nachgetragener Moral, der sich wie ein roter Faden durch sein Werk zieht, von den Angesprochenen als persönliches Desaster interpretiert wird. Nicht nur hierin liegen die Konservativen allerdings völlig falsch. Maschkes schöpferische Energie wurzelt ja gerade darin, daß er den anti-liberalen Motiven seiner kommunistischen Jugend die Treue gehalten hat.

Die zehn Aufsätze, die "Das bewaffnete Wort" versammelt, wurden zwischen 1973 und 1993 geschrieben. "Politik und Guerilla in der cubanischen Revolution" stammt aus "Kritik des Guerillero – Zur Theorie des Volkskrieges" (1973) und beschreibt die Genesis von Castros Aufstand, der eigentlich schon 1952 mit dem Militärputsch des Generals Fulgencio Batista gegen die Regierung Prio Socarrás begann. Ein Jahr später überfiel der in einem Jesuitenkloster erzogene Sohn eines Großgrundbesitzers Fidel Castro mit 150 Getreuen die Moncada-Kaserne.

Der Aufsatz über den faschistischen Décadent Drieu la Rochelle "Die schöne Geste des Untergangs" erschien 1980 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Drieu – Kollaborateur, Ästhet, Zyniker, Romancier und Essayist, gleichzeitig geängstigt und angezogen von der Energie Deutschlands – sah den Sinn des Faschismus in der Zusammenführung der "Jugend von rechts" mit der "Jugend von links". Zunächst von Hitler fasziniert – den Reichsparteitag im September 1935 beschreibt er als "artistische Emotion, berauschend und schrecklich" – treten die Differenzen zwischen Drieus Linksfaschismus und dem Nationalsozialismus, dem er seine "sterile Okkupationspolitik" und sein "Paktieren mit den alten Eliten" zum Vorwurf macht, bald immer klarer hervor. Wie Ernst Jünger, der sich während seiner Pariser Jahre im gleichen Milieu wie Drieu bewegte, wertet auch Maschke Drieus Freitod als bewußte und programmierte Annäherung an die Transzendenz.

Die tragische Geschichte Lateinamerkas untersucht Maschke am Beispiel Perus in dem Aufsatz "Das bewaffnete Wort – Mythos der Erziehung und revolutionäre Gewalt: Der ‘Leuchtende Pfad’ in Peru", 1993 erschienen in "Politische Lageanalyse. Festschrift für Hans-Joachim Arndt zum 70. Geburtstag" und ein Jahr später in der Kulturzeitschrift "Behemoth". Die weltweit wohl am härtesten und blutigsten agierende "Befreiungsbewegung", angesiedelt am äußersten häretischen Rand des Maoismus, schildert der Autor als ein Kind der in den fünfziger Jahren einsetzenden Bildungsexplosion. Ihre Kader sind in der Regel keineswegs die Ärmsten der Armen, die Indios des Hochlandes und des Amazonasgebietes, sondern in erster Linie Schüler und Studenten, Lehrer und Universitätsdozenten, Intellektuelle und Künstler. Drastisch schildert Maschke den Terror des "Sendero Luminoso" im peruanischen Bürgerkrieg mit bisher fast 40.000 Opfern. Die quasireligiösen Antriebe des Sendero putschen dessen Krieger zu unbeschreiblichen Grausamkeiten auf. Getötet werden die Feinde "durch Kreuzigungen, nach vorheriger Kastration, durch Steinigung, durch das-zu-Tode-Prügeln mit den eigenen, zuvor abgeschnittenen Armen, durch das lebend-Begrabenwerden". Führer des Sendero ist der inzwischen festgenommene Philosoph Abimail Guzmán Reynoso, um dessen Person sich ein Kult entwickelte, der in zahllosen Liedern und Gedichten den großen Führer, Lehrer und "Presidente" verherrlicht. 1980 begannen die fanatischen Banden des Sendero mit dem Versuch, "die bestehende ungerechte Ordnung in einem Ozean aus Blut zu ertränken, um sich der ‘Großen Harmonie’ zu nähern, jener ‘neuen Gesellschaft’ ohne Ausbeuter und Ausgebeutete, ohne Unterdrücker und Unterdrückte, ohne Klassen und Parteien, ohne Demokratie, ohne Waffen, ohne Kriege …" Maschke versagt dieser religiösen, mystischen und spirituellen Kraft des Sendero, der – wie es in einer seiner Losungen heißt – "um den großen subjektiven Mythos zu erreichen, die totale Hingabe an das reinigende Feuer des bewaffneten Kampfes" sucht, nicht seinen Respekt. Der Gastprofessor an der Hochschule der Kriegsmarine in La Punta versteht die Bedeutung des Mythos als Stabilisierung des Willens zum Kampf, eine Interpretation, die um so evidenter ist, wenn der Feind diesen Willen nicht mehr hat, weil ihm der Mythos längst abhanden gekommen ist.

Zwei der besten Aufsätze Günter Maschkes entstanden 1985 und 1987. "Die Verschwörung der Flakhelfer", dem Sammelband "Inferiorität als Staatsräson" entnommen, 1986 nachgedruckt in Jean Baudrillards "Die göttliche Linke" und in der Zeitschrift Criticón, ist wohl die intelligenteste Reflexion über das nationale Bewußtsein der Deutschen und ihrer politischen Eliten. Mit spitzer Feder stößt der Autor mitten hinein in ein Drama gewaltigen Ausmaßes, dessen Logik stringent ist. Weil nur das Nationalbewußtsein in der Lage ist, das Verhältnis zu den "anderen", zu den Fremden und Feinden zu klären, konnte die Geschichte der BRD nur "eine Geschichte der schiefen Ebene sein". Dieses Land ohne Souveränität war von Anfang an eine einzige ununterbrochene Veranstaltung gegen die Einheit der Nation. Nach der ersten Staatszerstörung durch den Nationalsozialismus nach 1933 folgte 1945 in Nürnberg die zweite durch den "Internationalen Gerichtshof" der Siegermächte. 1968 schließlich kapitulierten die Flakhelfer endgültig vor der "kritischen" Jugend, einer Bewegung, "die nach Autorität lechzte, einem Aufstand der Söhne gegen die Väter mithilfe der Großväter (Ernst Bloch, Herbert Marcuse), einer dem Personenkult sich weihenden Bewegung". Das folgende Wüten führte zu einem psychischen Genocid, der die Deutschen ihrer Kultur, ihrer Würde und ihres Gedächtnisses beraubte. Das liberale Syndrom, welches die Flakhelfer an die Macht brachte, "machte den Weg frei für den Marsch durch die Institutionen derer, die Fleisch von seinem Fleische waren, die im gleichen Wust normativer und moralisierender Vorstellungen aufgewachsen waren und an der gleichen Begehrlichkeit und Harmlosigkeit litten …"

"Sterbender Konservatismus und Wiedergeburt der Nation" erschien 1987 erstmals im Jahrbuch Der Pfahl. Den Verfall des konservativen Gedankens bestimmt Maschke hier an drei großen politischen Daten: der Reichsgründung, der Endphase der Weimarer Republik und dem Aufbau der Bundesrepublik. Das NS-Regime definiert er klar als "durch und durch revolutionäre und antikonservative Kraft". Den heutigen Konservativen rät der Autor, "die Programmatik der Konservativen Revolution präziser, konkreter und radikaler zu erneuern", denn – so Maschke – "zu halten, zu verteidigen, zu bewahren, gibt es hier (sonst) nichts mehr!" Abseits des von Günter Maschke ausgemachten Armageddons sind die Theorien längst funktionslos geworden, auch hier blieb nicht viel mehr als Ästhetik, Pointen und Bonmots, gepflegte Inszenierungen eines Lebensstils der Eitelkeiten und Spiele: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Das stimmt zum Teil, aber sie könnte – folgen wir Maschke – vielleicht noch ernst werden: "Am Beginn einer Nationwerdung steht häufig der Bürgerkrieg; wenig spricht dafür, daß am Beginn ihrer Wiedergewinnung etwas anderes stehen könnte, da der größte Feind der Nation ein Teil ihrer selbst ist." Zumindest – da ist ihm uneingeschränkt zuzustimmen – "ist die Zeit für klare Feinderklärungen innerhalb dieses Volkes da!" Werner Olles

 

Günter Maschke: Das bewaffnete Wort. Aufsätze aus den Jahren 1973–1993, Karolinger Verlag, Wien und Leipzig 1997, 196 Seiten, geb., 42 Mark

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