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jeudi, 18 février 2010

Die Türkei und die angelsächsischen Mächte

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Robert Steuckers:

 

 

Die Türkei und die angelsächsischen Mächte

 

Geschichte der britischen und amerikanischen Einmischungen im Raum Mittel-Osten

 

Beziehungen mit der Türkei

 

Auszug aus einer Rede - Gehalten in Bayreuth für die Gesellschaft für Freie Publizistik (April 2006)

 

Wenn England 1759 Weltreich wird, nachdem Indien und Kanada völlig unter dessen Kontrolle kommen, galt von damals ab die Regel, die schwächste Macht Europas als Bundgenosse zu haben, um die Stärkste auszuschalten. Auch werden zu dieser Zeit die Landmassen zwischen den europäischen Hoheitsgebieten und Indien strategisch wichtig. Keine Macht sollte die beherrschen und somit Indien bedrohen. Nichts scheint zwischen 1759 und 1783 die Alleinherrschaft Englands in der Welt zu verhindern. Im Schicksalsjahr 1783 ändern sich die strategischen Gegebenheiten: Ludwig XVI. von Frankreich rächt sich für den Verlust Indiens und Kanadas, indem er als Ehemann der Kaiserschwester Marie-Antoinette und Bundgenosse des deutschen Kaisers, die britische Flotte in Yorktown während der amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zerstört; zur gleichen Zeit eroberten die Armeen der russischen Kaiserin Katharina die Krim, die ein Stützpunkt im Schwarzen Meer wird, bloss sieben Jahre nachdem die russische Flotte im Mittelmeer 1779 erfolgreich die ottomanische bekämpft hatte. Zwei kontinentale Mächte behaupten sich so auf dem Meer. Die Antwort der Britten wurde 1791 dargestellt in einem anonymen Memorandum, das „Russian Armament“ als Titel trug. In diesem Dokument befanden sich schon alle Elemente und Kriterien des „containments“ Russlands. Dabei wurde das ottomanische Reich als ein Riegelterritorium gegen jede russische Ausdehnung in der Richtung des Mittelmeeres, Ägyptens, des persischen Golfes und des Indischen Ozeans betrachtet. Zehn Jahre später, im Jahre 1801, wenn der Zar Paul I. zusammen mit Napoleon eine Eroberung Indiens plant, bevor er mysteriös Opfer eines Mordes wurde, entwickelten die Londonschen Gremien die Strategie, alle mögliche Völker und Stämme des „rimlands“ als potentielle Verriegelungselemente zu benutzen, damit die Armeen des Zaren nie die Ufer des Indischen Ozeans erreichten. In 1828, wenn unter russischem Druck Griechenland unabhängig wurde, wird England systematisch die türkische Rechte auf den Seestrassen verteidigen und dabei für sich selbst das Recht, diese Seestrassen zu befahren, eisen. Wenn im gleichen Jahr Persien auch durch die russischen Armeen besiegt wurde, wurde die russische Gefahr noch grösser in den Augen Englands. Russland besetzte von jetzt ab Nord- und Südkaukasien und bedrohte damit sehr ernst die Integrität des ottomanischen Hoheitsgebietes, indem Russland sich als Aufgabe gab, die rechtsgläubige Christenheit vom türkischen Joch zu befreien. Der Krimkrieg war die Rache Englands und beim Pariser Vertrag von 1856 wurde Russland dazu behindert, seine Schiffe über die Meerstrassen fahren zu lassen. Im 1877-78, erreicht Russland einen militärischen Sieg nach einigen Feldzügen im Balkan aber eine diplomatische Niederlage in Berlin in 1878.

 

Die zweite Politik der Türkei gegenüber

 

Nachdem das ottomanische Reich ab ungefähr 1890 zusammen mit den II. Reich eine gemeinsame Politik rund der Bagdad-Bahn zu entwickeln begann, fingen die Londonschen Gremien an, eine neue türkische Politik zu entwickeln, nämlich eine, die die Zerstückelung des ottomanischen Reichsgebietes vorsah. Das Hauptinstrument, das in diesem Sinn geschmiedet wurde, war die Schaffung eines anti-türkischen arabischen Nationalismus. Die englische Unterstützung des arabischen Nationalismus entfaltete sich in zwei Stufen :  In der ersten dieser Stufen unterstützten protestantische angelsächsische Institute oder Stiftungen einen liberal-verwestlichen Arabismus, den die Türken schnell grausam niederhalten werden, mit öffentlichen Hinrichtungen von liberalen Intellektuellen in Beirut und Damas. Nach dem Scheitern dieses Versuches, wobei festgestellt musste, dass der Liberalismus überhaupt keine Anziehungskraft im arabischen Raum hatte, brauchte dringend eine neue Strategie geschmiedet zu werden. Die Stämme Arabiens sollten dann „bearbeitet“ werden und dabei ihre beduinische Identität bewahren, damit sie als „nützliche“ Barbaren der Peripherie gegen das Zentrum oder zumindest gegen Zentren des ottomanischen Reiches am rechten Zeitpunkt gebraucht werden könnten. Aber die Stämme waren gegeneinander tief befeindet seit den blutigen Ereignissen des 19. Jahrhunderts : im Norden herrschte Hussein über die Hedschas-Stämme und etwa südlicher, herrschte Saud im Neschd. Die strategischen Schwierigkeiten, die die Briten zu lösen hatten, waren hauptsächlich dazu orientiert, es zu vermeiden, dass die südlichsten Stämme als Rückenbundgenossen der Türken eventuell funktionieren könnten. Aber die wahhabitischen Neschd-Stämme waren seit der grausamen Repression von Mehmet Ali und Ibrahim Pascha von einem zu tiefen Hass den Ottomanen und Ägyptern gegenüber belebt, um sich instrumentalisieren zu können.  Hussein im Hedschas war am Anfang eher dazu geneigt, die Türken zu Hilfe zu können; Die diplomatische Fähigkeiten des Lawrences und seine guten Kenntnisse des arabischen Stammessystems erlaubten es, Hussein für die Sache der Briten zu gewinnen. So entstand was man heute wieder die „Insurgency-Strategie“ nennt; die wurde nochmals kürzlich im Afghanistan angewendet. Türken und Deutschen werden trotzdem aber erfolglos Rückenbundgenossen haben : die Schiiten des Jemens und die Senussisten entlang der ägyptisch-libyschen Grenze. Die Jemeniten werden eigentlich nicht viele britische Truppen festhalten. Die Senussisten werden „raids“ bis tief in der südalgerischen Wüste veranstalten, die dann eine Revolte im marokkanischen berbersprechenden Mittelatlas-Gebirge entzündet haben. Dort werden wohl viele französische Regimenter festgehalten.

 

Echtes Ziel der britischen Tätigkeiten in der arabischen Halbinsel war selbstverständlich, die Ölfelder zu kontrollieren und, nach der Ausschaltung der mit dem Reich befreundeten Türkei und des jungtürkischen Regimes, eine Türkei ohne Öl zu schaffen. Kennzeichnet für diesen Prozess ist die Mossul-Frage; Das an Ölfelder reiche Mossul-Gebiet im nördlichen kurdischsprechenden Teil des heutigen Iraks gehörte dem Ottomanischen Reich, wurde Frankreich im Text der 1916 Sykes-Picot-Agreements versprochen und, nach späteren Nachkriegsdiskussionen rasch dem englischen Protektorat Irak angeschlossen, weil dort umfangreiche Ölreserven von britischen Geologen entdeckt wurden. So wurden zwei Fliegen in einer Klappe erledigt: sowohl Frankreich als die neue Türkei blieben manipulierbare ölarme Mächte, die keine eventuelle Herausforderungen stellen konnten.

 

In der Zwischenkriegszeit, schlug die Stunde des Ibn Sauds. Nach langen Kämpfen und mit Hilfe der Ichwan-Bewegung, befestigte er seine Macht über das heutige Saudi-Arabien, nur mit der Ausnahme des Südens unter britischer Obhut.

 

Die Politik der Türkei gegenüber nach 1945

 

Nach der deutschen Niederlage in Europa 1945, erhielt die Türkei wieder ihre Rolle als Riegelterritorium wie zur Zeit Napoleons. In 1942 hatten die pantürkischen Nationalisten auf einem deutschen Sieg gesetzt, in der Hoffnung im Kaukasus unter den dort lebenden Türkenvölker erneut Einfluss zu gewinnen. In einem Schauprozess, unmittelbar bevor die Türkei rein formell Deutschland den Krieg 1945 erklärte, wurden die Pantürkisten zu langen Haftstrafen verurteilt aber nach ein Paar Wochen oder Monate wieder freigelassen. 1949 trat die Türkei die NATO bei, wobei die Armee die Hüterin des Laizismus und des Verwestlichungsprozesses wurde. Der Blutzoll als Eintrittspreis zahlte diese Armee während des Koreakrieges. Aber wenn der Ministerpräsident Menderes 1960 für eine lockere Haltung der Religion gegenüber plädierte, wurde er rasch durch einen Armeeputsch gestürzt, und nach einem kurzen Verfahren öffentlich gehenkt (Bild hierunten). So wurde der Türkei die am meist geliebte verbündete Macht bis Bush Junior.

 

menderes.jpgInteressant ist es, die Clintonsche Politik der Türkei gegenüber zu analysieren: der amerikanische Präsident versprach, unter anderem während eines offiziellen Besuchs in Istanbul und Ankara, die Türkei wieder eine Rolle im Balkan nach der Unabhängigkeit Bosniens spielen zu lassen, die EG-Kandidatur der Türkei zu unterstützen, eine Schlüsselrolle in der Ausschaltung des Iraks mitspielen zu lassen, und ihr eine getarnte und faktische Anwesenheit im ölreichen nordirakischen ethnisch-kurdischen Mossul-Gebiet zu garantieren.  So hätte die Türkei als Preis einer Intervention an der Seite der US-Amerikaner eine Teilnahme in der Ölförderung in diesem kurdischen Gebiet gewonnen.

 

Die Verwaltung des Bush Juniors hat diese Lösung abgelehnt, was die Beziehungen zwischen Washington und Ankara stark gekühlt hat. Zeichen dieser Verschlechterung sind die Bücher von jungen türkischen Autoren wie Burak Turna und Orkun Ucar. In einem Roman, der einen Riesenerfolg in der heutigen Türkei gekannt hat und dessen Titel „Metal Firtina“ (d. h. „Metallsturm“) ist, erwähnen einen künftigen Krieg gegen die Türkei, die am Ende durch eine deutsch-französisch-russische Allianz gerettet wird. Ein anderer Roman fantasiert über einen Bündnis zwischen Russland und der Türkei, der Europa erobert und es von der amerikanischen Einflusssphäre befreit. Die Enttäuschung in der Türkei ist sehr gross, seitdem die US-Amerikaner der Clintonschen Politik nicht gefolgt haben. Die Türkei bleibt ein ölarmes Land und gewinnt keine Ausdehnungsmöglichkeit mehr. Die Lage ist heute interessant zu beobachten. Die grösste strategische Dummheit der neokonservativen Bush-Gremien ist eben, den Verlust der türkischen Bundgenossenschaft ausgelockt zu haben.

 

(weitere Auszüge dieser Rede folgen).

 

 

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