Wenn man die hierzulande überhaupt noch so nennen darf. Richtiger hieße es wohl eher: die Anti-Familienpolitik. Frau von der Leyen, die ehemalige Krippenministerin, wird sich bei einem Blick auf den französischen Nachbarn verwundert die Augen reiben, ebenso ihre eher linksgerichtete Vorgängerin Renate Schmidt. Ach ja, und nicht zu vergessen die amtierende, kinderlose Familienministerin Schröder, die sich, ebenso wie ihre resoluten Vorgängerinnen, heute für die Krippen stark macht wie einst schon Margot Honecker.
Die fatalen Anti-Mama-Thesen, die den Frauen hierzulande seit Jahrzehnten übergestülpt werden, haben bereits immensen Schaden angerichtet. Sie zerstören die natürlichen, intuitiven Anlagen der Mütter und ersetzen sie durch die straff getaktete Botschaft: Ein erfülltes, globalisiertes Leben besteht aus einem strammen Berufsdasein! Kinder? Sind kleine Störfaktoren, die man schon früh in die Krippe bringen kann, bringen soll. Je mehr Krippen vorhanden, desto gelungener wird dies als familienfreundliches Modell gelobt. Deswegen: Ausbau des deutschen Krippennetzes auf 750 000 Plätze. Dabei werden sämtliche Forschungen über das natürliche Bindungsverhalten, wie es uns jede Straßenkatze mit ihren Jungen vor Augen führt, arrogant und sträflich vernachlässigend ignoriert. Mehr noch: Es wird tatsächlich, rein amtlich, sogar behauptet, Krippenhaltung bei Kindern fördere die Geburtenquote. Das ist ebenso dreist erlogen, was sogar der Familienforscher Hans Bertram aus von der Leyens Expertenteam einräumen musste, als er letztes Jahr vor den bundesdeutschen Medien einknickte: Ob sich Elterngeld und Kita-Ausbau auf die Geburtenzahlen auswirkten, werde sich erst in »zehn bis fünfzehn Jahren« zeigen.
Es ist schon jetzt klar, dass das System gescheitert ist. Es wagt nur noch keiner, das laut zu sagen. Seit Jahren ist Deutschland auf der inzwischen langen Liste der europäischen Länder Schlusslicht, was die Geburtenquote angeht.
Nicht nur von der Leyen beschwor das Nachbarland Frankreich als rühmliches Vorbild. Alle deutschen Feministinnen, deren erklärtes Ziel die Zerstörung mütterlicher Gefühle ist, schielten ebenso zu den »frankofrohen« Nachbarn mit dem Hinweis: So müssen wir es auch machen! Alle Kleinkinder kämen dort schon früh in die Krippe, alle Mütter arbeiteten und alle seien ja sooo glücklich!
Und jetzt? Auf einmal Pustekuchen. Eine mittelschwere Mütterrevolution ist in Frankreich plötzlich im Gange: Die Frauen wollen nicht mehr! Sie wollen nicht mehr den anstrengenden Spagat zwischen Karriere, Kind, Haushalt und Ehemann leisten müssen. Immer mehr gut ausgebildete französische Mütter kündigen ihren Job und bleiben zuhause. Wohlwissend, dass sie von der Gesellschaft für diese Entscheidung nicht geliebt werden, in Kauf nehmend, dass sie mit weniger Geld auskommen und sich ständig ihrer Familie und dem Bekanntenkreis gegenüber erklären müssen. Doch das ist ihnen egal. Die neue Sehnsucht der Frauen in Frankreich heißt: Rückkehr zu den traditionellen Grundwerten.
Bereits Ende der siebziger Jahre zog die französische Journalistin und vierfache Mutter Christiane Callonge (l’Express, Elle) in einem aufsehenerregenden Buch Bilanz. Unter dem Titel Ich will ins Haus zurück schrieb Callonge: »Ich will ins Haus zurück, nicht immer nur erzwungenermaßen, sondern öfter, länger, freiwilliger. Ich will nicht meine Kinder nur zwei Stunden täglich sehen. Ich weigere mich zu wählen zwischen Beruf und Familie. Ich will beides. Ich will leben!« Dieses Buch hatte in Frankreich der Diskussion um die Befreiung der Frau bereits vor dreißig Jahren entscheidende neue Impulse gegeben.
Nun ist die Debatte wieder öffentlich geworden, doch längst nicht mehr so zaghaft und vorsichtig. Selbstbewusste Mütter, jahrelang erfolgreiche, durchsetzungsfreudige Macher- und Karrierefrauen, hängen ausdrücklich ihren Job an den Nagel und bleiben selbstbewusst zuhause. Sie wissen, auf was sie sich einlassen: auf das Natürlichste der Welt, auf die Liebe. Und genau das wollen sie auch. Der bisherige gesellschaftliche Status, nach dem die Arbeit das Wichtigste sei, verliert für besonders gut ausgebildete Frauen zunehmend den Reiz. Immer mehr Französinnen brechen mit den alten, familienunfreundlichen Traditionen.
Der französischen Feministin und Beauvoir-Anhängerin Elisabeth Badinter gefällt das neue Mutterideal überhaupt nicht. Sie sorgt sich um die Freiheiten, die sich Frauen einmal erkämpft haben, schreibt sie in ihrem neuen Buch Der Konflikt. Diese seien seit 30 Jahren zunehmend bedroht – in Deutschland noch mehr als in Frankreich. Badinter, auch Philosophin und Bestsellerautorin, macht dafür genau jene neuen Ideale von der perfekten Mutter verantwortlich. Sie flößten allen Müttern ein schlechtes Gewissen ein, die ihrem Kind nicht ständig den Vorrang vor sich selbst, ihrem Partner und ihrem Beruf einräumen, ist die Meinung der Publizistin.
Das, was den Menschen erst zum Menschen macht, nämlich seine Verbindung zur Schöpfung, kritisiert die engagierte Kämpferin. Das neue Mutterbild, vor dem sie sich augenscheinlich fürchtet, würde dominiert vom Diktat der Natur. Die ständige Nähe zwischen Mutter und Kind sei angeblich natürlich, mault sie; sie soll für die gesamte Entwicklung des Kindes unverzichtbar sein? Eng mit diesem Naturbild verknüpft sei das Stillen. Dass es daher weit über das erste Jahr hinaus moralisch geboten sei, gefällt Badinter ebenso wenig. Was sei denn eigentlich wirklich natürlich? Und sollten Frauen im Namen der Natur wieder verzichten lernen? Badinter fürchtet sich, wie viele fehlgeleitete Feministinnen, vor Nähe, Zärtlichkeit und vor Abhängigkeit durch Liebe. Das betrifft Kinder gleichermaßen wie auch Männer. Umso engagierter kämpfen sie dagegen.
Das ist der neue Konflikt Frankreichs. Er wird sicher auch in allernächster Zeit zu handfesten Debatten in Deutschland führen. Das Bewusstsein für diese drängenden, lebensbestimmenden Fragen wächst täglich. Auch wenn deutsche Mainstream-Medien wie DER SPIEGEL, DIE WELT oder die Süddeutsche Zeitung die Feministin Badinter derzeit ebenso emphatisch hochjubeln wie ihre deutschen Mitstreiterinnen Dorn oder Schwarzer – angesichts der alarmierenden Zahlen, dass jede zweite berufstätige Mutter über Burn-out-Syndrome klagt, und angesichts der Tatsachen, dass seit den siebziger Jahren die Zahl alkoholanfälliger bzw. alkoholgefährdeter Frauen drastisch zugenommen hat , verweigern sich auch hierzulande die Frauen zunehmend dem Diktat der globalisiert-notwendigen Erwerbstätigkeit, die zulasten ihrer eigenen Gesundheit und zulasten des Seelenfriedens der ganzen Familie geht.
Wenn die Menschen dann erkennen werden, dass sie auch im Bereich der Familienpolitik zu Opfern von staatlicher Propaganda und Manipulation geworden sind, wenn sie den Zerfall der Gesellschaft aufgrund der Atomisierung der kleinsten gesellschaftlichen Zelle, der Familie, erkennen müssen, dann wird der Schmerz darüber sie traurig und wütend machen. Diese Wut der Bürger ist eine mindestens ebenso große Gefahr wie die derzeitig wachsende Erkenntnis, dass scheinbar überall amtlich getäuscht, gelogen und betrogen wird: Sie wird die Menschen zunehmend auf die Straße führen, sie wird sie suchen lassen nach neuen Möglichkeiten, zu ihrem Recht zu kommen. Vielleicht in einer neuen Partei, die weitab von den derzeitigen Volksparteien einstehen will für Werte, Tradition und ein Empfinden für die eigene Kultur? Warum auch nicht?
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